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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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ablehnte, Justizminister wurde und Bayarri, der das Marineportefeuille annahm. '
Entscheidend hätte daS Beispiel Olozagas gewirkt, dessen Verbleiben auf sei¬
nem Posten als Botschafter in Paris O'Dommel höchst erwünscht sein mußte.
Eine Zeitlang zögerte der ehrgeizige Politiker; als aber verschiedene Maßregeln
deö Cabinets die Hauptprincipien der Progressiven verletzten, gab er seine Ent¬
lassung und mit ihm die Gesandten in London und Lissabon, Antonio Gonzales
und Corradi. Umsonst zeigte das Ministerium gegen die Teilnehmer der ver¬
schiedenen Aufstände eine in Spanien bisher nie gesehene Milde, -- nur Za-
Patero strafte in Katalonien blutig und nachdrücklich --, umsonst gab es ge¬
mäßigten Progressistcn einen nicht unbedeutenden Antheil bei- Vertheilung der
Aemter, rücksichtlich deren eine durchgreifende Neuerung stattfand, die Masse
der Partei verlangte Zugeständnisse sür ihre Politik und da ihr diese nicht,
oder wenigstens nicht in genügendem Maße wurden, so hielt sie sich fern und
ließ O'Dommel seinen Kampf mit der Camarilla allein ausfechten. Der Mi¬
nisterpräsident würde sicherlich den Progresststen weitgehende Bewilligungen ge¬
macht haben, aber im eignen Cabinet fand er den schlimmsten Widersacher,
der, zwar in ehrlicher Meinung, aber deswegen nicht minder verderblich, alle
seine Absichten vereitelte. Rios Rosas war eS, der seinen Collegen aus der
Bahn drängte, auf der allein noch Rettung, wenn nicht gewiß, so doch mög¬
lich war. Ein bedeutender Redner, ein unantastbarer Charakter, gingen ihm
die praktischen Eigenschaften des Staatsmannes ab, welche die Situation haupt¬
sächlich erforderte. Sein System war das der Moderadoö, in liberalem Sinne
amendirt, und für. dies System, das bisher nie in Ausführung gekommen,
hatte er in fast ununterbrochener Opposition gegen alle aufeinander folgende
Gewalten gestanden, für dasselbe war er mit der kurzsichtigen Hartnäckigkeit
eines unheilbare" Doktrinärs eingenommen. Zum ersten Mal Minister dachte
er nur daran, seine Lieblingsideen ins Werk und sich über alle Umstände,
die ihrer Verwirklichung entgegenstanden, hinwegzusetzen. Er wurde das
Schoßkind der Camarilla, die ihn benutzte, um O'DonnelS Stellung zu unter¬
graben, und erfreuete sich des steten Beistandes der Königin gegen den Minister¬
präsidenten. Letzterer verhehlte sich nicht, daß Rios Rosas Politik seinen
Bruch mit den Progresststen unheilbar machte und ihm trotzdem unter den
ModeradoS keine Freunde erwarb; er stemmte sich vergeblich dagegen, der un¬
beugsame Minister des Innern rang ihm, unterstützt von dem mächtigen
Rückhalt der Königin und deö Hofes, einen Vortheil nach dem andern ab.
O'Dommel hatte die Nationalmiliz auf einer beschränkteren Basis reorganisiren
wollen, Rios Rosas setzte ihre völlige Auflösung durch, O'Dommel wollte ent¬
weder die von den Cortes entworfene Verfassung mit einigen Aenderungen
oder die Konstitution von 1837 proclamirt wissen und beides hätte eine Versöhnung
mit den Progresststen angebahnt; Rios Rosas drängte ihn bis zur Constitution


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ablehnte, Justizminister wurde und Bayarri, der das Marineportefeuille annahm. '
Entscheidend hätte daS Beispiel Olozagas gewirkt, dessen Verbleiben auf sei¬
nem Posten als Botschafter in Paris O'Dommel höchst erwünscht sein mußte.
Eine Zeitlang zögerte der ehrgeizige Politiker; als aber verschiedene Maßregeln
deö Cabinets die Hauptprincipien der Progressiven verletzten, gab er seine Ent¬
lassung und mit ihm die Gesandten in London und Lissabon, Antonio Gonzales
und Corradi. Umsonst zeigte das Ministerium gegen die Teilnehmer der ver¬
schiedenen Aufstände eine in Spanien bisher nie gesehene Milde, — nur Za-
Patero strafte in Katalonien blutig und nachdrücklich —, umsonst gab es ge¬
mäßigten Progressistcn einen nicht unbedeutenden Antheil bei- Vertheilung der
Aemter, rücksichtlich deren eine durchgreifende Neuerung stattfand, die Masse
der Partei verlangte Zugeständnisse sür ihre Politik und da ihr diese nicht,
oder wenigstens nicht in genügendem Maße wurden, so hielt sie sich fern und
ließ O'Dommel seinen Kampf mit der Camarilla allein ausfechten. Der Mi¬
nisterpräsident würde sicherlich den Progresststen weitgehende Bewilligungen ge¬
macht haben, aber im eignen Cabinet fand er den schlimmsten Widersacher,
der, zwar in ehrlicher Meinung, aber deswegen nicht minder verderblich, alle
seine Absichten vereitelte. Rios Rosas war eS, der seinen Collegen aus der
Bahn drängte, auf der allein noch Rettung, wenn nicht gewiß, so doch mög¬
lich war. Ein bedeutender Redner, ein unantastbarer Charakter, gingen ihm
die praktischen Eigenschaften des Staatsmannes ab, welche die Situation haupt¬
sächlich erforderte. Sein System war das der Moderadoö, in liberalem Sinne
amendirt, und für. dies System, das bisher nie in Ausführung gekommen,
hatte er in fast ununterbrochener Opposition gegen alle aufeinander folgende
Gewalten gestanden, für dasselbe war er mit der kurzsichtigen Hartnäckigkeit
eines unheilbare» Doktrinärs eingenommen. Zum ersten Mal Minister dachte
er nur daran, seine Lieblingsideen ins Werk und sich über alle Umstände,
die ihrer Verwirklichung entgegenstanden, hinwegzusetzen. Er wurde das
Schoßkind der Camarilla, die ihn benutzte, um O'DonnelS Stellung zu unter¬
graben, und erfreuete sich des steten Beistandes der Königin gegen den Minister¬
präsidenten. Letzterer verhehlte sich nicht, daß Rios Rosas Politik seinen
Bruch mit den Progresststen unheilbar machte und ihm trotzdem unter den
ModeradoS keine Freunde erwarb; er stemmte sich vergeblich dagegen, der un¬
beugsame Minister des Innern rang ihm, unterstützt von dem mächtigen
Rückhalt der Königin und deö Hofes, einen Vortheil nach dem andern ab.
O'Dommel hatte die Nationalmiliz auf einer beschränkteren Basis reorganisiren
wollen, Rios Rosas setzte ihre völlige Auflösung durch, O'Dommel wollte ent¬
weder die von den Cortes entworfene Verfassung mit einigen Aenderungen
oder die Konstitution von 1837 proclamirt wissen und beides hätte eine Versöhnung
mit den Progresststen angebahnt; Rios Rosas drängte ihn bis zur Constitution


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/59>, abgerufen am 23.07.2024.