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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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herrliche Waare zu loben, und treibt solches so lange, bis er etliche überredet,
daß sie ihm abkaufen.

Auf der andern Seite kommt ein andrer Quidam aufgezogen, fängt auch
an zu rufen, als wenn ihm der Henker die Saiten stimmte, hat seine Waar
in einem Sack auf den Schultern, und ein kochersberger Hütlein auf dem
Kopf, da läuft das Volk von Jungen und Alten hinzu, wollen hören und
sehen, was er doch Wunderseltsamcs werde fürbringen. Er fängt derhalben
an seine Relation und Werbung zu thun, bringt allerhand Falzen und Schra¬
nken Herfür, daß jedermann sein lachen muß, bringt endlich mit seinen glimpf¬
lichen Worten, mit seinen seltsamen Geberden, übel gesenktem Hals, halb ge-
schornem Knebelbart, mit seiner Narrentheidung, damit ich eS in einem Wort
begreife, so viel zu wegen, daß man ihm zuhöret, und sich seine Waar läßt
gefallen. Wiewol es auch bisweilen geschieht, daß, wann man ihm ein Weile
hat zugehört, so geht das Volk wieder davon, und läßt den Narren schreien,
so lang er will: auch warfen ihn wol die Buben mit Dreck, daß er seinen
Kram muß auspacken, und wiederum unverrichter Sachen heim gehen, von
dannen er kommen ist, und wäre gleich seine Salb noch so gut.

Sie thun auch einander selbst Schaden, denn dieweil einer steht und
meinet, die Käufer werden ihm jetzo zufallen, so kommt ein anderer aus einer
Gassen gestrichen, hat ein junges Mägdlein bei sich in Bubenkleidern, welches
springen und sich durch einen Reif wie ein Affe überwerfen kann und sehet
auch an sich hören zu lassen, da lässet das Volk den vorigen stehen und lau¬
fet diesem zu, da sängt er also bald an auf gut Florentinisch einen lächer¬
lichen Schwank oder Possen zu erzählen, unterdessen arbeitet auch das Mägd¬
lein auf der Bank, wirft sich auf alle Vier, und langet den Ring aus dem
Reis oder henget sich überrück und langet eine Münze unter dem rechten oder
linken Fuß mit solcher höflichen Geschwindigkeit, daß die Buben eine Lust
haben zuzusehen. Endlich aber kann er auch nicht weniger, als daß er auch
seine Waare herfürbringe und dieselbe seil biete, aufs beste als er kann.

An einer andern Ecke des Marktes tritt der Mailänder auf, mit einer
sammeten Baretten auf dem Haupt, daraus eine weiße Feder auf gut Guelfisch,
stattlich gekleidet, als wenn er ein großer Herr wäre, hebt allerhand Narren¬
zotten an zu treiben, womit er das Volk herbeibringt, erzählet seinem Knecht,
wie lieb er ihn habe; dieser aber spottet seiner, weiset die Feigen von dem
Gesicht, und bohret ihm hinten her einen Esel, erbeut sich, eine gute Anzahl
Schläge in seinem Dienst zu empfangen, rucket die Haube in die Augen, legt die
Hände in die Seiten und stellet sich mit verkehrten Angesicht und verzogenem
Maul, wie ein zorniger Schäferhund, anzuzeigen, wie er sich gegen seines
Herrn Feinde wolle geberden und wehren. Dieselbigen kommen auch herbei
(ist aber dieselbe Gesellschaft), da ist er gänzlich erschrocken, zittert vor' Furcht,


herrliche Waare zu loben, und treibt solches so lange, bis er etliche überredet,
daß sie ihm abkaufen.

Auf der andern Seite kommt ein andrer Quidam aufgezogen, fängt auch
an zu rufen, als wenn ihm der Henker die Saiten stimmte, hat seine Waar
in einem Sack auf den Schultern, und ein kochersberger Hütlein auf dem
Kopf, da läuft das Volk von Jungen und Alten hinzu, wollen hören und
sehen, was er doch Wunderseltsamcs werde fürbringen. Er fängt derhalben
an seine Relation und Werbung zu thun, bringt allerhand Falzen und Schra¬
nken Herfür, daß jedermann sein lachen muß, bringt endlich mit seinen glimpf¬
lichen Worten, mit seinen seltsamen Geberden, übel gesenktem Hals, halb ge-
schornem Knebelbart, mit seiner Narrentheidung, damit ich eS in einem Wort
begreife, so viel zu wegen, daß man ihm zuhöret, und sich seine Waar läßt
gefallen. Wiewol es auch bisweilen geschieht, daß, wann man ihm ein Weile
hat zugehört, so geht das Volk wieder davon, und läßt den Narren schreien,
so lang er will: auch warfen ihn wol die Buben mit Dreck, daß er seinen
Kram muß auspacken, und wiederum unverrichter Sachen heim gehen, von
dannen er kommen ist, und wäre gleich seine Salb noch so gut.

Sie thun auch einander selbst Schaden, denn dieweil einer steht und
meinet, die Käufer werden ihm jetzo zufallen, so kommt ein anderer aus einer
Gassen gestrichen, hat ein junges Mägdlein bei sich in Bubenkleidern, welches
springen und sich durch einen Reif wie ein Affe überwerfen kann und sehet
auch an sich hören zu lassen, da lässet das Volk den vorigen stehen und lau¬
fet diesem zu, da sängt er also bald an auf gut Florentinisch einen lächer¬
lichen Schwank oder Possen zu erzählen, unterdessen arbeitet auch das Mägd¬
lein auf der Bank, wirft sich auf alle Vier, und langet den Ring aus dem
Reis oder henget sich überrück und langet eine Münze unter dem rechten oder
linken Fuß mit solcher höflichen Geschwindigkeit, daß die Buben eine Lust
haben zuzusehen. Endlich aber kann er auch nicht weniger, als daß er auch
seine Waare herfürbringe und dieselbe seil biete, aufs beste als er kann.

An einer andern Ecke des Marktes tritt der Mailänder auf, mit einer
sammeten Baretten auf dem Haupt, daraus eine weiße Feder auf gut Guelfisch,
stattlich gekleidet, als wenn er ein großer Herr wäre, hebt allerhand Narren¬
zotten an zu treiben, womit er das Volk herbeibringt, erzählet seinem Knecht,
wie lieb er ihn habe; dieser aber spottet seiner, weiset die Feigen von dem
Gesicht, und bohret ihm hinten her einen Esel, erbeut sich, eine gute Anzahl
Schläge in seinem Dienst zu empfangen, rucket die Haube in die Augen, legt die
Hände in die Seiten und stellet sich mit verkehrten Angesicht und verzogenem
Maul, wie ein zorniger Schäferhund, anzuzeigen, wie er sich gegen seines
Herrn Feinde wolle geberden und wehren. Dieselbigen kommen auch herbei
(ist aber dieselbe Gesellschaft), da ist er gänzlich erschrocken, zittert vor' Furcht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/524>, abgerufen am 23.07.2024.