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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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seine Schilderhebung auf dem Feld der Garden gezogen hatte, mußte er darauf
bedacht sein, den Boden, auf dem er selbst stand, mit diesem Schlage nicht
völlig zu zertrümmern. Nur, wenn er die ganze gemäßigte Fracn'on der
Progressiven sür seine Politik gewann, durfte er hoffen, .der reactionären
Strömung, die aus seinem Siege voraussichtlich sich erheben mußte, Halt zu
gebieten. Mit diesen Bundesgenossen wäre der Kampf minder schwer, und
der Rückschlag minder heftig geworden. Mit ihnen verlor der Streich, den er
wagte, die gehässige Färbung eines politischen Treubruchs und raubte ihm
nicht die Sympathien des Theils der Nation, auf den ein liberales System
in Spanien sich stützen muß, um dem Uebelwollen des Hofes nicht zu er¬
liegen. Mit ihnen rettete er die constitutionelle Sache vor den Ausschreitungen
ihrer übelberathenen Freunde, ohne sie gab er sie und sich der Gnade ihrer
schlimmsten Gegner Preis. Aber diesen unabweislich nothwendigen Beistand
hatte der Graf von Lucera sich nicht für seine Pläne erworben. Statt auf
die geschlossenen Reihen der gemäßigten Progressisten konnte er nur auf einige
ihrer Mitglieder, und keineswegs auf die hervorragendsten, zählen. Von den
übrigen durfte er höchstens Passivität, von nicht wenigen mußte er heftige
Opposition erwarten. Sei" Hauptanhang waren, außer einigen liberalen
Moderados, deren Namen die progressistische Partei noch mehr von ihm ent¬
fernten, die Vicalvaristen, ein Verein, dessen Einfluß im Heere groß, im Volke
gering, dessen Hilfe den Sieg zu erringen, aber nicht zu sichern geeignet war.
Ob durch O'Donnels, ob durch anderer Schuld die Einigung zwischen ihm
und den gemäßigten Progressisten unterblieb, muß dahingestellt bleiben. Da
sie aber unterblieb, so geboten ihm Pflicht und Klugheit, von einem Versuch
abzustehn, dessen Folgen Verderben über sein Land, und einen nie zu tilgenden
Makel auf seinen Namen bringen mußten. Was er unternahm, war nur durch
den Erfolg zu rechtfertigen, und auf Erfolg mochte die leidenschaftliche Verblendung
eines glühenden Ehrgeizes, niemals die kalte Besonnenheit eines Staatsmannes
rechnen. Allerdings war er zwischen die Wahl gestellt, von der Gewalt zurück¬
zutreten, oder durch einen kühnen Schlag seine Gegner hinauszuwerfen. Wie
aber die Dinge lagen, wäre der Rücktritt weiser, ehrenvoller und patriotischer
gewesen. Es war ehrenvoller, jetzt vor den Puros und Espartero, als wenige
Monate später vor Narvaez und der Camarilla zu weichen. Es war patrio¬
tischer, das Schicksal Spaniens den stürmischen Wogen einer Volksbewegung
und der Negierung von Männern anzuvertrauen, deren Liberalismus vielleicht
unbesonnen, deren Charaktere aber zum größten Theil uneigennützig, und deren
Wollen, trotz aller Trübungen der Ehrsucht, nicht unredlich war, als, nachdem
Ströme Blutes unnütz vergossen, es den finstern Ränken und dem zügellosen
Egoismus einer klerikalen und absolutistischen Hofpartei zu überliefern. Doch
O'Donnels Stolz empörte sich bei dem Gedanken, die Leitung dieser Revolution,


seine Schilderhebung auf dem Feld der Garden gezogen hatte, mußte er darauf
bedacht sein, den Boden, auf dem er selbst stand, mit diesem Schlage nicht
völlig zu zertrümmern. Nur, wenn er die ganze gemäßigte Fracn'on der
Progressiven sür seine Politik gewann, durfte er hoffen, .der reactionären
Strömung, die aus seinem Siege voraussichtlich sich erheben mußte, Halt zu
gebieten. Mit diesen Bundesgenossen wäre der Kampf minder schwer, und
der Rückschlag minder heftig geworden. Mit ihnen verlor der Streich, den er
wagte, die gehässige Färbung eines politischen Treubruchs und raubte ihm
nicht die Sympathien des Theils der Nation, auf den ein liberales System
in Spanien sich stützen muß, um dem Uebelwollen des Hofes nicht zu er¬
liegen. Mit ihnen rettete er die constitutionelle Sache vor den Ausschreitungen
ihrer übelberathenen Freunde, ohne sie gab er sie und sich der Gnade ihrer
schlimmsten Gegner Preis. Aber diesen unabweislich nothwendigen Beistand
hatte der Graf von Lucera sich nicht für seine Pläne erworben. Statt auf
die geschlossenen Reihen der gemäßigten Progressisten konnte er nur auf einige
ihrer Mitglieder, und keineswegs auf die hervorragendsten, zählen. Von den
übrigen durfte er höchstens Passivität, von nicht wenigen mußte er heftige
Opposition erwarten. Sei» Hauptanhang waren, außer einigen liberalen
Moderados, deren Namen die progressistische Partei noch mehr von ihm ent¬
fernten, die Vicalvaristen, ein Verein, dessen Einfluß im Heere groß, im Volke
gering, dessen Hilfe den Sieg zu erringen, aber nicht zu sichern geeignet war.
Ob durch O'Donnels, ob durch anderer Schuld die Einigung zwischen ihm
und den gemäßigten Progressisten unterblieb, muß dahingestellt bleiben. Da
sie aber unterblieb, so geboten ihm Pflicht und Klugheit, von einem Versuch
abzustehn, dessen Folgen Verderben über sein Land, und einen nie zu tilgenden
Makel auf seinen Namen bringen mußten. Was er unternahm, war nur durch
den Erfolg zu rechtfertigen, und auf Erfolg mochte die leidenschaftliche Verblendung
eines glühenden Ehrgeizes, niemals die kalte Besonnenheit eines Staatsmannes
rechnen. Allerdings war er zwischen die Wahl gestellt, von der Gewalt zurück¬
zutreten, oder durch einen kühnen Schlag seine Gegner hinauszuwerfen. Wie
aber die Dinge lagen, wäre der Rücktritt weiser, ehrenvoller und patriotischer
gewesen. Es war ehrenvoller, jetzt vor den Puros und Espartero, als wenige
Monate später vor Narvaez und der Camarilla zu weichen. Es war patrio¬
tischer, das Schicksal Spaniens den stürmischen Wogen einer Volksbewegung
und der Negierung von Männern anzuvertrauen, deren Liberalismus vielleicht
unbesonnen, deren Charaktere aber zum größten Theil uneigennützig, und deren
Wollen, trotz aller Trübungen der Ehrsucht, nicht unredlich war, als, nachdem
Ströme Blutes unnütz vergossen, es den finstern Ränken und dem zügellosen
Egoismus einer klerikalen und absolutistischen Hofpartei zu überliefern. Doch
O'Donnels Stolz empörte sich bei dem Gedanken, die Leitung dieser Revolution,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/52>, abgerufen am 23.07.2024.