Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.
Um das Christenthum an der Stelle des Taracults ins Leben zu rufen,
Um das Christenthum an der Stelle des Taracults ins Leben zu rufen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103609"/> <quote> <p xml:id="ID_1630"> Geldesgroschen ihre Seckel.<lb/> Reichthum raffte des Kreuzes Vater,</p> <p xml:id="ID_1631"> Raubte den Schatz aus dem Verschlüsse,<lb/> Brach heran zum Baum, dem heil'gen,<lb/> Griff ihn an, den Gnadenspender:<lb/> Traf die Axt die Eiche Taras.<lb/> Und der Sachse, schlangcnschleichend,<lb/> Eine Eidechs, abgeglättet,<lb/> Joche' uns jetzt ins Sklavcujoch ein,<lb/> Ins Geschirr mit eh'mer Schlinge.</p> <p xml:id="ID_1632"> Dies ist nicht des Abends Nöthe,<lb/> Ist des Würgens Feuerrothe,<lb/> Bon des Sturmes Spiel die Nöthe,<lb/> Von der Brüder Blut die Nöthe.<lb/> Die am Himmelsraud geronnen,<lb/> Säume die Wolken wie mit Zacken.<lb/> Stand erstarrt der Abendstern da,<lb/> Stand bestürzt der Morgenstern da,<lb/> War des Mondes Wang' erblichen.</p> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1633" next="#ID_1634"> Um das Christenthum an der Stelle des Taracults ins Leben zu rufen,<lb/> geschah sehr wenig und so wucherte daS Heidenthum, wie eine des Stengels<lb/> beraubte, aber tief im Boden wurzelnde Unkrautpflanze fort, und erhielt sogar<lb/> neuen Zuwachs durch den christlichen Aberglauben des Mittelalters. Ja noch<lb/> im Jahre so berichtet die russowsche Chronik, trat ein Bauer in Esthland<lb/> als Prophet auf und verlangte, man sollte nicht mehr den Sonntag feiern,<lb/> sondern den Donnerstag, weil derselbe einst allein unter den Wochentagen<lb/> Gott geholfen habe, „welches die Esthen nicht allein an einem Orte, sondern<lb/> in dem ganzen Lande geglaubt haben bis auf den heutigen Tag (1S8i)."<lb/> Die späteren lutherischen Prediger waren meist Ausländer, die der Sprachen<lb/> unkundig herkamen und eben nur Deutsch für die deutschen Herren predigten.<lb/> Die Geistlichke'it nahm Theil an dem liederlichen Leben des Adels, und „welcher<lb/> denn ein lustiger Mann und voll Schwänke war und also redete, wie sie gerne<lb/> hörten, das war ein rechter Prediger für dies Volk." Diese Unordnungen wur¬<lb/> den noch vergrößert durch die in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts fallenden<lb/> Kriegszüge Iwans, des Schrecklichen, bis endlich die schwedischen Könige sich auch<lb/> einmal der geistigen Interessen jener fernen Unterthanen annahmen. Besonders<lb/> Karl XI. gab zwei treffliche Befehle, die Errichtung von Seminaren zur Bildung<lb/> esthnischer und keltischer Volkslehrer und die Uebersetzung der heiligen Schrift be¬<lb/> treffend. Die Bibel erschien auch wirklich kurze Zeit darauf und schon 1685 gab eS<lb/> ein Seminarium in Livland „um daraus zur Abhilfe der Blindheit im Lande Schul¬<lb/> meister zu gewinnen", aber im 18. Jahrhundert muß die ganze Angelegenheit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
Geldesgroschen ihre Seckel.
Reichthum raffte des Kreuzes Vater,
Raubte den Schatz aus dem Verschlüsse,
Brach heran zum Baum, dem heil'gen,
Griff ihn an, den Gnadenspender:
Traf die Axt die Eiche Taras.
Und der Sachse, schlangcnschleichend,
Eine Eidechs, abgeglättet,
Joche' uns jetzt ins Sklavcujoch ein,
Ins Geschirr mit eh'mer Schlinge.
Dies ist nicht des Abends Nöthe,
Ist des Würgens Feuerrothe,
Bon des Sturmes Spiel die Nöthe,
Von der Brüder Blut die Nöthe.
Die am Himmelsraud geronnen,
Säume die Wolken wie mit Zacken.
Stand erstarrt der Abendstern da,
Stand bestürzt der Morgenstern da,
War des Mondes Wang' erblichen.
Um das Christenthum an der Stelle des Taracults ins Leben zu rufen,
geschah sehr wenig und so wucherte daS Heidenthum, wie eine des Stengels
beraubte, aber tief im Boden wurzelnde Unkrautpflanze fort, und erhielt sogar
neuen Zuwachs durch den christlichen Aberglauben des Mittelalters. Ja noch
im Jahre so berichtet die russowsche Chronik, trat ein Bauer in Esthland
als Prophet auf und verlangte, man sollte nicht mehr den Sonntag feiern,
sondern den Donnerstag, weil derselbe einst allein unter den Wochentagen
Gott geholfen habe, „welches die Esthen nicht allein an einem Orte, sondern
in dem ganzen Lande geglaubt haben bis auf den heutigen Tag (1S8i)."
Die späteren lutherischen Prediger waren meist Ausländer, die der Sprachen
unkundig herkamen und eben nur Deutsch für die deutschen Herren predigten.
Die Geistlichke'it nahm Theil an dem liederlichen Leben des Adels, und „welcher
denn ein lustiger Mann und voll Schwänke war und also redete, wie sie gerne
hörten, das war ein rechter Prediger für dies Volk." Diese Unordnungen wur¬
den noch vergrößert durch die in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts fallenden
Kriegszüge Iwans, des Schrecklichen, bis endlich die schwedischen Könige sich auch
einmal der geistigen Interessen jener fernen Unterthanen annahmen. Besonders
Karl XI. gab zwei treffliche Befehle, die Errichtung von Seminaren zur Bildung
esthnischer und keltischer Volkslehrer und die Uebersetzung der heiligen Schrift be¬
treffend. Die Bibel erschien auch wirklich kurze Zeit darauf und schon 1685 gab eS
ein Seminarium in Livland „um daraus zur Abhilfe der Blindheit im Lande Schul¬
meister zu gewinnen", aber im 18. Jahrhundert muß die ganze Angelegenheit
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