Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ten, die Vergangenheit aber wird der unparteiische Geschichtschreiber nicht igno-
riren, und es dürfte sich unter den wärmsten Verehrern des gegenwärtigen
Herrschers von Frankreich kaum einer finden, der mit Laguerrvnniere aus¬
rufen wird:


"Oeles souverainetö, alone it vtsrit in tet" et le cosur, lui laissait, l'avsnir.
it n'avÄit plus besoin ä'usurpizr, it n'avitil besoin cMk et'invoquor le etroit
>le l-i Kranes clans un Moment sumeme."

Er müßte hinzusetzen, daß der Staatsstreich überflüssig gewesen und daß die
seitherige Unterdrückung aller Freiheit ebensalls eine überflüssige gewesen sei.

^ In den Zusätzen, welche der Verfasser zu seinem Porträt von Louis Na¬
poleon (das mit "einigen Veränderungen" schon vor dem 2. December geschrie¬
ben war) gibt, ist nichts was ein neues Licht auf die Ereignisse von damals
und von jener Zeit zu werfen geeignet wäre. Die Unvereinbarkeit der beiden
Gewalten, die Furcht vor den Gefahren von -I8S2 werden neuerdings als
Motive der Handlungsweise des' Staatsoberhauptes angegeben.

Anders ist es mit der Schilderung des Kaisers Nikolaus. Aus dieser
habe ich gelernt, daß Rußland durch die Donaufürstenthümer und durch Sachsen
an Deutschland grenze. Das Bild des Kaisers ist natürlich el" Lichtbild. Wir
sehen wieder eine künstlich aus der Mitte ihrer Umgebung gerissene Sonne,
aber wir sehen nicht, was durch sie beleuchtet wird. Ich habe vergeblich auch
nur ein Wort über die inneren Zustände des Landes dieses "großen" Monar¬
chen erwartet und wer Rußland nach dieser Schilderung beurtheilt, kaun in
der Einbildung leben, es gehöre zu den glücklichsten und gebildetsten Ländern
der Erde. Nikolaus "Großherzigkeit" zur Zeit seines Regierungsantrittes hat
den Verfasser blind für alles andere gemacht. Er sieht nichts von lächerlicher
Soldatenspielerei des Zaren, er sieht nichts von dem heillosen Beamtenwesen,
nichts von der Unehrlichkeit und Unsittlichkeit in den höhern wie in den nie¬
deren Classen; er fragt sich nicht, was dieser große Monarch sür den Fort¬
schritt der Bildung seiner Nation, was er für die Hebung der materiellen
Interessen gethan hat; er sieht den schönen, ritterlichen, aufrichtigen Mau",
einen Herrscher voll Tugenden, voll prestixe nach außen hin, den- "wiederer¬
standenen Kaiser von Deutschland" in ihm. Ueber das Verhältniß Rußlands
zu Frankreich läßt sich der Verfasser natürlich am weitesten aus. Er erzählt
uns bei dieser Gelegenheit einige interessante Einzelheiten. So spricht er von
der persönlichen Achtung des Zaren für Napoleon. Als Baron Heeckeren mit
einer Mission betraut in Petersburg sich befand, ersucht-e ihn Nikolaus selbst,
stärkere Ausdrücke für die Gefühle zu finden, die er für den Prinzpräsidenten
hege. Ich will Ihnen mit einem Worte meine Meinung über Napoleon sage" :
"e'oft, un erülw!" Er fügte hinzu: "Es ist unmöglich, die Angelegenheiten mit
mehr Muth und größerer Geschicklichkeit zu führen und ich beuge mich gern


ten, die Vergangenheit aber wird der unparteiische Geschichtschreiber nicht igno-
riren, und es dürfte sich unter den wärmsten Verehrern des gegenwärtigen
Herrschers von Frankreich kaum einer finden, der mit Laguerrvnniere aus¬
rufen wird:


„Oeles souverainetö, alone it vtsrit in tet« et le cosur, lui laissait, l'avsnir.
it n'avÄit plus besoin ä'usurpizr, it n'avitil besoin cMk et'invoquor le etroit
>le l-i Kranes clans un Moment sumeme."

Er müßte hinzusetzen, daß der Staatsstreich überflüssig gewesen und daß die
seitherige Unterdrückung aller Freiheit ebensalls eine überflüssige gewesen sei.

^ In den Zusätzen, welche der Verfasser zu seinem Porträt von Louis Na¬
poleon (das mit „einigen Veränderungen" schon vor dem 2. December geschrie¬
ben war) gibt, ist nichts was ein neues Licht auf die Ereignisse von damals
und von jener Zeit zu werfen geeignet wäre. Die Unvereinbarkeit der beiden
Gewalten, die Furcht vor den Gefahren von -I8S2 werden neuerdings als
Motive der Handlungsweise des' Staatsoberhauptes angegeben.

Anders ist es mit der Schilderung des Kaisers Nikolaus. Aus dieser
habe ich gelernt, daß Rußland durch die Donaufürstenthümer und durch Sachsen
an Deutschland grenze. Das Bild des Kaisers ist natürlich el» Lichtbild. Wir
sehen wieder eine künstlich aus der Mitte ihrer Umgebung gerissene Sonne,
aber wir sehen nicht, was durch sie beleuchtet wird. Ich habe vergeblich auch
nur ein Wort über die inneren Zustände des Landes dieses „großen" Monar¬
chen erwartet und wer Rußland nach dieser Schilderung beurtheilt, kaun in
der Einbildung leben, es gehöre zu den glücklichsten und gebildetsten Ländern
der Erde. Nikolaus „Großherzigkeit" zur Zeit seines Regierungsantrittes hat
den Verfasser blind für alles andere gemacht. Er sieht nichts von lächerlicher
Soldatenspielerei des Zaren, er sieht nichts von dem heillosen Beamtenwesen,
nichts von der Unehrlichkeit und Unsittlichkeit in den höhern wie in den nie¬
deren Classen; er fragt sich nicht, was dieser große Monarch sür den Fort¬
schritt der Bildung seiner Nation, was er für die Hebung der materiellen
Interessen gethan hat; er sieht den schönen, ritterlichen, aufrichtigen Mau»,
einen Herrscher voll Tugenden, voll prestixe nach außen hin, den- „wiederer¬
standenen Kaiser von Deutschland" in ihm. Ueber das Verhältniß Rußlands
zu Frankreich läßt sich der Verfasser natürlich am weitesten aus. Er erzählt
uns bei dieser Gelegenheit einige interessante Einzelheiten. So spricht er von
der persönlichen Achtung des Zaren für Napoleon. Als Baron Heeckeren mit
einer Mission betraut in Petersburg sich befand, ersucht-e ihn Nikolaus selbst,
stärkere Ausdrücke für die Gefühle zu finden, die er für den Prinzpräsidenten
hege. Ich will Ihnen mit einem Worte meine Meinung über Napoleon sage» :
„e'oft, un erülw!" Er fügte hinzu: „Es ist unmöglich, die Angelegenheiten mit
mehr Muth und größerer Geschicklichkeit zu führen und ich beuge mich gern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103599"/>
          <p xml:id="ID_1602" prev="#ID_1601"> ten, die Vergangenheit aber wird der unparteiische Geschichtschreiber nicht igno-<lb/>
riren, und es dürfte sich unter den wärmsten Verehrern des gegenwärtigen<lb/>
Herrschers von Frankreich kaum einer finden, der mit Laguerrvnniere aus¬<lb/>
rufen wird:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Oeles souverainetö, alone it vtsrit in tet« et le cosur, lui laissait, l'avsnir.<lb/>
it n'avÄit plus besoin ä'usurpizr, it n'avitil besoin cMk et'invoquor le etroit<lb/>
&gt;le l-i Kranes clans un Moment sumeme."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1603"> Er müßte hinzusetzen, daß der Staatsstreich überflüssig gewesen und daß die<lb/>
seitherige Unterdrückung aller Freiheit ebensalls eine überflüssige gewesen sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1604"> ^ In den Zusätzen, welche der Verfasser zu seinem Porträt von Louis Na¬<lb/>
poleon (das mit &#x201E;einigen Veränderungen" schon vor dem 2. December geschrie¬<lb/>
ben war) gibt, ist nichts was ein neues Licht auf die Ereignisse von damals<lb/>
und von jener Zeit zu werfen geeignet wäre. Die Unvereinbarkeit der beiden<lb/>
Gewalten, die Furcht vor den Gefahren von -I8S2 werden neuerdings als<lb/>
Motive der Handlungsweise des' Staatsoberhauptes angegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1605" next="#ID_1606"> Anders ist es mit der Schilderung des Kaisers Nikolaus. Aus dieser<lb/>
habe ich gelernt, daß Rußland durch die Donaufürstenthümer und durch Sachsen<lb/>
an Deutschland grenze. Das Bild des Kaisers ist natürlich el» Lichtbild. Wir<lb/>
sehen wieder eine künstlich aus der Mitte ihrer Umgebung gerissene Sonne,<lb/>
aber wir sehen nicht, was durch sie beleuchtet wird. Ich habe vergeblich auch<lb/>
nur ein Wort über die inneren Zustände des Landes dieses &#x201E;großen" Monar¬<lb/>
chen erwartet und wer Rußland nach dieser Schilderung beurtheilt, kaun in<lb/>
der Einbildung leben, es gehöre zu den glücklichsten und gebildetsten Ländern<lb/>
der Erde. Nikolaus &#x201E;Großherzigkeit" zur Zeit seines Regierungsantrittes hat<lb/>
den Verfasser blind für alles andere gemacht. Er sieht nichts von lächerlicher<lb/>
Soldatenspielerei des Zaren, er sieht nichts von dem heillosen Beamtenwesen,<lb/>
nichts von der Unehrlichkeit und Unsittlichkeit in den höhern wie in den nie¬<lb/>
deren Classen; er fragt sich nicht, was dieser große Monarch sür den Fort¬<lb/>
schritt der Bildung seiner Nation, was er für die Hebung der materiellen<lb/>
Interessen gethan hat; er sieht den schönen, ritterlichen, aufrichtigen Mau»,<lb/>
einen Herrscher voll Tugenden, voll prestixe nach außen hin, den- &#x201E;wiederer¬<lb/>
standenen Kaiser von Deutschland" in ihm. Ueber das Verhältniß Rußlands<lb/>
zu Frankreich läßt sich der Verfasser natürlich am weitesten aus. Er erzählt<lb/>
uns bei dieser Gelegenheit einige interessante Einzelheiten. So spricht er von<lb/>
der persönlichen Achtung des Zaren für Napoleon. Als Baron Heeckeren mit<lb/>
einer Mission betraut in Petersburg sich befand, ersucht-e ihn Nikolaus selbst,<lb/>
stärkere Ausdrücke für die Gefühle zu finden, die er für den Prinzpräsidenten<lb/>
hege. Ich will Ihnen mit einem Worte meine Meinung über Napoleon sage» :<lb/>
&#x201E;e'oft, un erülw!" Er fügte hinzu: &#x201E;Es ist unmöglich, die Angelegenheiten mit<lb/>
mehr Muth und größerer Geschicklichkeit zu führen und ich beuge mich gern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0466] ten, die Vergangenheit aber wird der unparteiische Geschichtschreiber nicht igno- riren, und es dürfte sich unter den wärmsten Verehrern des gegenwärtigen Herrschers von Frankreich kaum einer finden, der mit Laguerrvnniere aus¬ rufen wird: „Oeles souverainetö, alone it vtsrit in tet« et le cosur, lui laissait, l'avsnir. it n'avÄit plus besoin ä'usurpizr, it n'avitil besoin cMk et'invoquor le etroit >le l-i Kranes clans un Moment sumeme." Er müßte hinzusetzen, daß der Staatsstreich überflüssig gewesen und daß die seitherige Unterdrückung aller Freiheit ebensalls eine überflüssige gewesen sei. ^ In den Zusätzen, welche der Verfasser zu seinem Porträt von Louis Na¬ poleon (das mit „einigen Veränderungen" schon vor dem 2. December geschrie¬ ben war) gibt, ist nichts was ein neues Licht auf die Ereignisse von damals und von jener Zeit zu werfen geeignet wäre. Die Unvereinbarkeit der beiden Gewalten, die Furcht vor den Gefahren von -I8S2 werden neuerdings als Motive der Handlungsweise des' Staatsoberhauptes angegeben. Anders ist es mit der Schilderung des Kaisers Nikolaus. Aus dieser habe ich gelernt, daß Rußland durch die Donaufürstenthümer und durch Sachsen an Deutschland grenze. Das Bild des Kaisers ist natürlich el» Lichtbild. Wir sehen wieder eine künstlich aus der Mitte ihrer Umgebung gerissene Sonne, aber wir sehen nicht, was durch sie beleuchtet wird. Ich habe vergeblich auch nur ein Wort über die inneren Zustände des Landes dieses „großen" Monar¬ chen erwartet und wer Rußland nach dieser Schilderung beurtheilt, kaun in der Einbildung leben, es gehöre zu den glücklichsten und gebildetsten Ländern der Erde. Nikolaus „Großherzigkeit" zur Zeit seines Regierungsantrittes hat den Verfasser blind für alles andere gemacht. Er sieht nichts von lächerlicher Soldatenspielerei des Zaren, er sieht nichts von dem heillosen Beamtenwesen, nichts von der Unehrlichkeit und Unsittlichkeit in den höhern wie in den nie¬ deren Classen; er fragt sich nicht, was dieser große Monarch sür den Fort¬ schritt der Bildung seiner Nation, was er für die Hebung der materiellen Interessen gethan hat; er sieht den schönen, ritterlichen, aufrichtigen Mau», einen Herrscher voll Tugenden, voll prestixe nach außen hin, den- „wiederer¬ standenen Kaiser von Deutschland" in ihm. Ueber das Verhältniß Rußlands zu Frankreich läßt sich der Verfasser natürlich am weitesten aus. Er erzählt uns bei dieser Gelegenheit einige interessante Einzelheiten. So spricht er von der persönlichen Achtung des Zaren für Napoleon. Als Baron Heeckeren mit einer Mission betraut in Petersburg sich befand, ersucht-e ihn Nikolaus selbst, stärkere Ausdrücke für die Gefühle zu finden, die er für den Prinzpräsidenten hege. Ich will Ihnen mit einem Worte meine Meinung über Napoleon sage» : „e'oft, un erülw!" Er fügte hinzu: „Es ist unmöglich, die Angelegenheiten mit mehr Muth und größerer Geschicklichkeit zu führen und ich beuge mich gern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/466
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/466>, abgerufen am 23.07.2024.