Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.Protestanten betrifft, so hatte sich das Ministerium damit in flagranten Wider¬ Protestanten betrifft, so hatte sich das Ministerium damit in flagranten Wider¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103575"/> <p xml:id="ID_1527" prev="#ID_1526" next="#ID_1528"> Protestanten betrifft, so hatte sich das Ministerium damit in flagranten Wider¬<lb/> spruch mit seiner Behauptung gestellt, das Gesetz sei ein bürgerliches und kein<lb/> kirchliches, die es den Angrissen der Opposition gegenüber beharrlich aufrecht<lb/> erhielt. Die Debatten über den rohdenschen Antrag nahmen die beiden letzten<lb/> der acht dem EhescheidungSgesetz gewidmeten Sitzungen (die des 2. u. 3. März)<lb/> in Anspruch. Vergeblich boten seine Vertheidiger noch einmal alles auf, den<lb/> Entschluß der Katholiken zu erschüttern. Vergeblich ergriff Herr v. Manteuffel<lb/> am 3. selbst das Wort und gab ihnen die Versicherung, daß die Regierung<lb/> sich durch die Verwerfung der Vorlage ein solches Zugeständnis; nicht werde<lb/> abzwingen lassen. Die äußerst ruhige, gewandte und logische Antwort des<lb/> Herrn v. Mallinkrodt bewies, daß er und seine Glaubensgenossen sich durch<lb/> nichts von ihrem einmal gefaßten Entschlüsse würden abbringen lassen. Können<lb/> wir, sagte er, die Trennung der Ehegesetzgebung für beide Confessionen nicht<lb/> erlangen, so wollen wir wenigstens den gegenwärtigen Zustand durch ein neues<lb/> Votum nicht von neuem sanctioniren, auch durch Stimmenthaltung nicht dazu<lb/> beitragen, daß ein Beschluß des Hauses ihn sanctionire. Ebenso fruchtlos erwies<lb/> sich die Aufforderung, die der Ministerpräsident an diejenigen Gegner deS Ehe¬<lb/> gesetzes, welche wegen einzelner, ihnen zu weit gehender Bestimmungen es zu<lb/> verwerfen gedächten, richtete, doch eine im Ganzen so heilsame Reform nicht<lb/> zu verhindern, weil sie ihnen nicht in allen Punkten genehm sei. Herr<lb/> v. Prittwitz (Bunzlau) gab für sich und zahlreiche Gesinnungsgenossen auf der<lb/> rechten Seite die Erklärung ab, daß er zwar die beiden ersten Paragraphen<lb/> (die Verminderung der im Landrecht aufgestellten Ehescheidungsgründe) allein<lb/> annehmen, den §. 3 aber (die dreijährige Trennzeit) und die dem Staatsanwalt<lb/> in Ehesachen freigestellte Appellation verwerfen müsse. Der ehrenwerthe Ab¬<lb/> geordnete, dessen Festigkeit um so mehr Anerkennung verdient, als er der Classe<lb/> der abhängigen Beamten — er ist Staatsanwalt — angehört, sagte außerdem,<lb/> sich gegen Herrn v. Gerlach wendend, daß dessen Aeußerung, dies Gesetz sei<lb/> nur die erste Grundlage, auf der man weiter bauen müsse, ihn, wäre dies<lb/> anders noch nöthig gewesen, in dem Entschluß es zu verwerfe» hätte bestärken<lb/> müssen. Grade dieser Weiterbau sei es, dem er vorbeugen wolle und darum<lb/> weise er schon die Grundlage zurück. Die Rede MallinkrodtS, der Beifall,<lb/> welcher Herrn v. Prittwitz aus den Reihen der Rechten gezollt wurde, ließ<lb/> das Schicksal der Vorlage nur zu klar voraussehen. Herr v. Gerlach bestieg<lb/> noch einmal die Tribüne, nicht mehr, um einen bessern Ausgang zu erkämpfen<lb/> — denn schon seine ersten Worte zeigten, daß er am Erfolge verzweifelte<lb/> sondern um eine letzte Kundgebung zu Gunsten deS Gesetzes zu machen, tels<lb/> er unter seine besondere Protection genommen. Seine Rede bewies, wie bitter<lb/> die Enttäuschung war, welche der unbeugsame Widerstand der Katholiken ihm<lb/> und seinen Freunden — den Vertheidigern der geistlichen Autorität in der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
Protestanten betrifft, so hatte sich das Ministerium damit in flagranten Wider¬
spruch mit seiner Behauptung gestellt, das Gesetz sei ein bürgerliches und kein
kirchliches, die es den Angrissen der Opposition gegenüber beharrlich aufrecht
erhielt. Die Debatten über den rohdenschen Antrag nahmen die beiden letzten
der acht dem EhescheidungSgesetz gewidmeten Sitzungen (die des 2. u. 3. März)
in Anspruch. Vergeblich boten seine Vertheidiger noch einmal alles auf, den
Entschluß der Katholiken zu erschüttern. Vergeblich ergriff Herr v. Manteuffel
am 3. selbst das Wort und gab ihnen die Versicherung, daß die Regierung
sich durch die Verwerfung der Vorlage ein solches Zugeständnis; nicht werde
abzwingen lassen. Die äußerst ruhige, gewandte und logische Antwort des
Herrn v. Mallinkrodt bewies, daß er und seine Glaubensgenossen sich durch
nichts von ihrem einmal gefaßten Entschlüsse würden abbringen lassen. Können
wir, sagte er, die Trennung der Ehegesetzgebung für beide Confessionen nicht
erlangen, so wollen wir wenigstens den gegenwärtigen Zustand durch ein neues
Votum nicht von neuem sanctioniren, auch durch Stimmenthaltung nicht dazu
beitragen, daß ein Beschluß des Hauses ihn sanctionire. Ebenso fruchtlos erwies
sich die Aufforderung, die der Ministerpräsident an diejenigen Gegner deS Ehe¬
gesetzes, welche wegen einzelner, ihnen zu weit gehender Bestimmungen es zu
verwerfen gedächten, richtete, doch eine im Ganzen so heilsame Reform nicht
zu verhindern, weil sie ihnen nicht in allen Punkten genehm sei. Herr
v. Prittwitz (Bunzlau) gab für sich und zahlreiche Gesinnungsgenossen auf der
rechten Seite die Erklärung ab, daß er zwar die beiden ersten Paragraphen
(die Verminderung der im Landrecht aufgestellten Ehescheidungsgründe) allein
annehmen, den §. 3 aber (die dreijährige Trennzeit) und die dem Staatsanwalt
in Ehesachen freigestellte Appellation verwerfen müsse. Der ehrenwerthe Ab¬
geordnete, dessen Festigkeit um so mehr Anerkennung verdient, als er der Classe
der abhängigen Beamten — er ist Staatsanwalt — angehört, sagte außerdem,
sich gegen Herrn v. Gerlach wendend, daß dessen Aeußerung, dies Gesetz sei
nur die erste Grundlage, auf der man weiter bauen müsse, ihn, wäre dies
anders noch nöthig gewesen, in dem Entschluß es zu verwerfe» hätte bestärken
müssen. Grade dieser Weiterbau sei es, dem er vorbeugen wolle und darum
weise er schon die Grundlage zurück. Die Rede MallinkrodtS, der Beifall,
welcher Herrn v. Prittwitz aus den Reihen der Rechten gezollt wurde, ließ
das Schicksal der Vorlage nur zu klar voraussehen. Herr v. Gerlach bestieg
noch einmal die Tribüne, nicht mehr, um einen bessern Ausgang zu erkämpfen
— denn schon seine ersten Worte zeigten, daß er am Erfolge verzweifelte
sondern um eine letzte Kundgebung zu Gunsten deS Gesetzes zu machen, tels
er unter seine besondere Protection genommen. Seine Rede bewies, wie bitter
die Enttäuschung war, welche der unbeugsame Widerstand der Katholiken ihm
und seinen Freunden — den Vertheidigern der geistlichen Autorität in der
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