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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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er sicher, als Wohlthäter der Stadt eine Anerkennung zu erhalten. ES ist kein
Wunder, daß ein Trimalchio das letztere vorzog. Außer den allgemeinen
Mahlzeiten gab es zwar in den damaligen Municipien noch eine andere stehende
Volkölustbarkeit, die barbarischen Schauspiele des Amphitheaters. Wie im
heutigen Italien selten ein Fest ohne Timbeln und Feuerwerk, so ging im alten
Italien selten eines ohne Gladiatorenspiele oder Thierhatzen vorüber. Kaum war
ein Städtchen so klein und armselig, daß sich nicht dann und wann zur Unterhal¬
tung des Publicums ein paar Klopffechter zerhackt hätten, oder ein paar un¬
glückliche Bären oder Wildschweine zu Tode gehetzt worden wären. Auch ist
Trimalchio ein leidenschaftlicher Verehrer dieser Lustbarkeiten, aber es scheint,
daß es Freigelassenen nicht gestattet war, sie zu veranstalten; er mußte sich
daher mit einem öffentlichen Schmause nebst Geldvertheilung begnügen. Daß
er dies als das wichtigste Ereigniß seines Lebens auf seinem Grabmonument
darstellen lassen will, war damals nicht so lächerlich als es nach unsern Be¬
griffen erscheinen muß. Noch jetzt liest man auf Grabsteinen dergleichen genaue
Angaben über die von den Verstorbenen gemachten Schenkungen und gegebe¬
nen Feste, die ihre ruhmwürdige Pracht und Freigebigkeit auf die Nachwelt
bringen sollten und wirklich gebracht haben; die meisten angeführten Nachrich¬
ten über Festschmäuse in italienischen Städten sind solchen Grabschriften ent¬
nommen. Und die Art, in der Trimalchio seine Liberalität verewigen will, ist
wie alles was er thut absurd und ridicule. Wir lassen hier die Beschreibung
deS ihm zu errichtenden Grabdenkmals folgen, die er selbst dem damit beauf¬
tragten Steinarbeiter macht. Da dieses Monument, (was ebenfalls nichts
Ungewöhnliches war) Andeutungen über den Verlauf seines ganzen Lebens
enthalten soll, ist es am besten geeignet, die Lebensgeschichte TrimalchioS, so
weit wir sie oben in seiner eignen Erzählung gegeben haben, fortzusetzen.

Wir lassen auch hier Trimalchio selbst reden. Wirst du, sagt er zu feinem
Freunde, dem Steinarbeiter Habinnas, mein Monument so erbauen, wie ich
es bestellt habe? Ich bitte dich sehr, vergiß nicht zu Füßen meines Porträts
in ganzer Figur ein Hündchen machen zu lassen; serner Kränze, Wohlgerüche
und alle Kämpfe' des Fechters Petmctes; auf diese Weise werde ich eS dir
verdanken, nach dem Tode fortzuleben. Der Begräbnißplatz soll hundert Fuß
Länge und zweihundert Breite haben. Auch will ich habe", daß allerlei Obst¬
bäume und Weinstöcke um meine Asche gepflanzt werden sollen. Denn eS ist
ja ganz unvernünftig, wenn man bei Lebzeiten ein elegantes Haus besitzt,
aber das, in dem wir länger wohnen müssen, vernachlässigt; und deshalb soll
Mein Grabmal auch nicht an meine Erben übergehen. Uebrigens werde ich
schon in meinem Testament dafür sorgen, daß ich nicht nach meinem Tode
zum Schimpf und Spott gemacht werde. Ich werde einen von meinen Frei¬
gelassenen zur Bewachung meines Begräbnisses anstellen, damit die Leute sich


er sicher, als Wohlthäter der Stadt eine Anerkennung zu erhalten. ES ist kein
Wunder, daß ein Trimalchio das letztere vorzog. Außer den allgemeinen
Mahlzeiten gab es zwar in den damaligen Municipien noch eine andere stehende
Volkölustbarkeit, die barbarischen Schauspiele des Amphitheaters. Wie im
heutigen Italien selten ein Fest ohne Timbeln und Feuerwerk, so ging im alten
Italien selten eines ohne Gladiatorenspiele oder Thierhatzen vorüber. Kaum war
ein Städtchen so klein und armselig, daß sich nicht dann und wann zur Unterhal¬
tung des Publicums ein paar Klopffechter zerhackt hätten, oder ein paar un¬
glückliche Bären oder Wildschweine zu Tode gehetzt worden wären. Auch ist
Trimalchio ein leidenschaftlicher Verehrer dieser Lustbarkeiten, aber es scheint,
daß es Freigelassenen nicht gestattet war, sie zu veranstalten; er mußte sich
daher mit einem öffentlichen Schmause nebst Geldvertheilung begnügen. Daß
er dies als das wichtigste Ereigniß seines Lebens auf seinem Grabmonument
darstellen lassen will, war damals nicht so lächerlich als es nach unsern Be¬
griffen erscheinen muß. Noch jetzt liest man auf Grabsteinen dergleichen genaue
Angaben über die von den Verstorbenen gemachten Schenkungen und gegebe¬
nen Feste, die ihre ruhmwürdige Pracht und Freigebigkeit auf die Nachwelt
bringen sollten und wirklich gebracht haben; die meisten angeführten Nachrich¬
ten über Festschmäuse in italienischen Städten sind solchen Grabschriften ent¬
nommen. Und die Art, in der Trimalchio seine Liberalität verewigen will, ist
wie alles was er thut absurd und ridicule. Wir lassen hier die Beschreibung
deS ihm zu errichtenden Grabdenkmals folgen, die er selbst dem damit beauf¬
tragten Steinarbeiter macht. Da dieses Monument, (was ebenfalls nichts
Ungewöhnliches war) Andeutungen über den Verlauf seines ganzen Lebens
enthalten soll, ist es am besten geeignet, die Lebensgeschichte TrimalchioS, so
weit wir sie oben in seiner eignen Erzählung gegeben haben, fortzusetzen.

Wir lassen auch hier Trimalchio selbst reden. Wirst du, sagt er zu feinem
Freunde, dem Steinarbeiter Habinnas, mein Monument so erbauen, wie ich
es bestellt habe? Ich bitte dich sehr, vergiß nicht zu Füßen meines Porträts
in ganzer Figur ein Hündchen machen zu lassen; serner Kränze, Wohlgerüche
und alle Kämpfe' des Fechters Petmctes; auf diese Weise werde ich eS dir
verdanken, nach dem Tode fortzuleben. Der Begräbnißplatz soll hundert Fuß
Länge und zweihundert Breite haben. Auch will ich habe», daß allerlei Obst¬
bäume und Weinstöcke um meine Asche gepflanzt werden sollen. Denn eS ist
ja ganz unvernünftig, wenn man bei Lebzeiten ein elegantes Haus besitzt,
aber das, in dem wir länger wohnen müssen, vernachlässigt; und deshalb soll
Mein Grabmal auch nicht an meine Erben übergehen. Uebrigens werde ich
schon in meinem Testament dafür sorgen, daß ich nicht nach meinem Tode
zum Schimpf und Spott gemacht werde. Ich werde einen von meinen Frei¬
gelassenen zur Bewachung meines Begräbnisses anstellen, damit die Leute sich


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[0413] er sicher, als Wohlthäter der Stadt eine Anerkennung zu erhalten. ES ist kein Wunder, daß ein Trimalchio das letztere vorzog. Außer den allgemeinen Mahlzeiten gab es zwar in den damaligen Municipien noch eine andere stehende Volkölustbarkeit, die barbarischen Schauspiele des Amphitheaters. Wie im heutigen Italien selten ein Fest ohne Timbeln und Feuerwerk, so ging im alten Italien selten eines ohne Gladiatorenspiele oder Thierhatzen vorüber. Kaum war ein Städtchen so klein und armselig, daß sich nicht dann und wann zur Unterhal¬ tung des Publicums ein paar Klopffechter zerhackt hätten, oder ein paar un¬ glückliche Bären oder Wildschweine zu Tode gehetzt worden wären. Auch ist Trimalchio ein leidenschaftlicher Verehrer dieser Lustbarkeiten, aber es scheint, daß es Freigelassenen nicht gestattet war, sie zu veranstalten; er mußte sich daher mit einem öffentlichen Schmause nebst Geldvertheilung begnügen. Daß er dies als das wichtigste Ereigniß seines Lebens auf seinem Grabmonument darstellen lassen will, war damals nicht so lächerlich als es nach unsern Be¬ griffen erscheinen muß. Noch jetzt liest man auf Grabsteinen dergleichen genaue Angaben über die von den Verstorbenen gemachten Schenkungen und gegebe¬ nen Feste, die ihre ruhmwürdige Pracht und Freigebigkeit auf die Nachwelt bringen sollten und wirklich gebracht haben; die meisten angeführten Nachrich¬ ten über Festschmäuse in italienischen Städten sind solchen Grabschriften ent¬ nommen. Und die Art, in der Trimalchio seine Liberalität verewigen will, ist wie alles was er thut absurd und ridicule. Wir lassen hier die Beschreibung deS ihm zu errichtenden Grabdenkmals folgen, die er selbst dem damit beauf¬ tragten Steinarbeiter macht. Da dieses Monument, (was ebenfalls nichts Ungewöhnliches war) Andeutungen über den Verlauf seines ganzen Lebens enthalten soll, ist es am besten geeignet, die Lebensgeschichte TrimalchioS, so weit wir sie oben in seiner eignen Erzählung gegeben haben, fortzusetzen. Wir lassen auch hier Trimalchio selbst reden. Wirst du, sagt er zu feinem Freunde, dem Steinarbeiter Habinnas, mein Monument so erbauen, wie ich es bestellt habe? Ich bitte dich sehr, vergiß nicht zu Füßen meines Porträts in ganzer Figur ein Hündchen machen zu lassen; serner Kränze, Wohlgerüche und alle Kämpfe' des Fechters Petmctes; auf diese Weise werde ich eS dir verdanken, nach dem Tode fortzuleben. Der Begräbnißplatz soll hundert Fuß Länge und zweihundert Breite haben. Auch will ich habe», daß allerlei Obst¬ bäume und Weinstöcke um meine Asche gepflanzt werden sollen. Denn eS ist ja ganz unvernünftig, wenn man bei Lebzeiten ein elegantes Haus besitzt, aber das, in dem wir länger wohnen müssen, vernachlässigt; und deshalb soll Mein Grabmal auch nicht an meine Erben übergehen. Uebrigens werde ich schon in meinem Testament dafür sorgen, daß ich nicht nach meinem Tode zum Schimpf und Spott gemacht werde. Ich werde einen von meinen Frei¬ gelassenen zur Bewachung meines Begräbnisses anstellen, damit die Leute sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/413>, abgerufen am 23.07.2024.