Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.desselben zu täuschen und reizt den halb gewitzigten Besucher nur noch mehr. Greuzbvlcu. I. 1Lik7. 5
desselben zu täuschen und reizt den halb gewitzigten Besucher nur noch mehr. Greuzbvlcu. I. 1Lik7. 5
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103174"/> <p xml:id="ID_126" prev="#ID_125" next="#ID_127"> desselben zu täuschen und reizt den halb gewitzigten Besucher nur noch mehr.<lb/> Es ist augenscheinlich, er soll ein anderes Bild kaufen, weil sein Kennerauge,<lb/> den Schatz unter der Spreu herausfand und der Verkäufer sich bei Nennung<lb/> des Preises nicht auf ein ernstliches Gebot gefaßt macht. Am Ende erklärt<lb/> der letztere: er sei nicht mehr frei; er wendet das Bild um, und auf der<lb/> Rückseite kommt ein Petschaft zum Vorschein, dasjenige des jetzigen Besitzers.<lb/> Was ist zu thun? der unglückliche Liebhaber kann daS M seiner Wünsche<lb/> nicht erreichen. Der Antiquar wird nachdenkend. Es fällt ihm bei, er habe<lb/> beim Verkauf sich die Erlangung eines andern Correggio, auf den er unter¬<lb/> handle, vorbehalten. Wie, wenn er diese Clausel benutzte, um seinem neuen<lb/> Freunde zu dienen? Ein Pult wird geöffnet und es zeigen sich eine<lb/> Menge Zettel, welche unleserliehe Namen mit Conte - und Marchesetiteln<lb/> tragen und wo willkürliche Zahlenangaben auf gemachte Gebote schließen<lb/> lassen. Eins enthält die passende Summe; der Antiquar bedauert, ohne<lb/> Brille nicht lesen zu können, bietet überhaupt in allen,, was Nechnungssachen<lb/> betrifft, das lebendige Bild der sorglosesten Unordnung, und überläßt es dem<lb/> arithmetisch überlegenen Neflectanten selbst zu entziffern, zu welchem Preise daS<lb/> Bild verkauft ist. Nachdem dieser die innere Versuchung, aus der kaufmänni¬<lb/> schen Unzurechnungsfähigkeit des andern Vortheil zu ziehen, glücklich bekämpft<lb/> und sich zur Zahlung desselben Preises bereit erklärt hat, eilt er, das Geschäft<lb/> abzuschließen, zahlt, läßt das Bild sofort vom Nagel nehmen und trägt eS<lb/> triumphirend in fein Hotel. Der Antiquar aber öffnet ein unteres Fach des<lb/> unordentlichen Puits, holt ein saubres Inventarium heraus, durchstreicht<lb/> Ur. 377, wobei der Name des Kopisten und das Datum der Vollendung vermerkt<lb/> stehen, und notirt neben dem geringen Kostenpreis den vierfachen Verkaufpreis,<lb/> — Mit rother Dinte, weil ein Fremder daS Bild kaufte und die Gefahr der<lb/> Entdeckung gering ist, mit blauer, wenn der Käufer Italiener war, und früher<lb/> «der später ein Ueberfall rachsüchtiger Erbitterung zu befürchten steht. — Er<lb/> wirft noch einen Blick in den Hintergrund der Schublade, wo einige Dutzend<lb/> Petschierstücke friedlich beisammen liegen und deS Augenblicks harren, der sie<lb/> M Beglaubigung irgend eines Strohmannes von Käufer wieder ans<lb/> Tageslicht ruft. Dann wird das Pult zweimal verschlossen, und der Anti¬<lb/> quar zieht sich in seine Fabrik zurück, um einen daselbst fertig gewordenen<lb/> Rembrandt mit geschärfter Tabakslauge zu überziehen, per Sonne aber und einem<lb/> nesigen Brennglase das Aufsaugen des ätzenden Stoffes zu überlassen. Da<lb/> 'hin ein halb vollendeter Salvator Rosa nach oben nicht Original genug er¬<lb/> scheint, bringt er ihm im Vorbeigehen einen flüchtigen Stoß mit der Spitze<lb/> seines Silberstiftes bei; die Lust zerplatzt nach zwei Seiten, und das Bild be¬<lb/> kommt sofort das gemißbrauchte Ansehen, welches über Mängel der Malerei am<lb/> dichtesten täuscht. Der Schneider der Fabrik flickt den Schaden mit unglaub-</p><lb/> <note xml:id="FID_3" place="foot"> Greuzbvlcu. I. 1Lik7. 5</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
desselben zu täuschen und reizt den halb gewitzigten Besucher nur noch mehr.
Es ist augenscheinlich, er soll ein anderes Bild kaufen, weil sein Kennerauge,
den Schatz unter der Spreu herausfand und der Verkäufer sich bei Nennung
des Preises nicht auf ein ernstliches Gebot gefaßt macht. Am Ende erklärt
der letztere: er sei nicht mehr frei; er wendet das Bild um, und auf der
Rückseite kommt ein Petschaft zum Vorschein, dasjenige des jetzigen Besitzers.
Was ist zu thun? der unglückliche Liebhaber kann daS M seiner Wünsche
nicht erreichen. Der Antiquar wird nachdenkend. Es fällt ihm bei, er habe
beim Verkauf sich die Erlangung eines andern Correggio, auf den er unter¬
handle, vorbehalten. Wie, wenn er diese Clausel benutzte, um seinem neuen
Freunde zu dienen? Ein Pult wird geöffnet und es zeigen sich eine
Menge Zettel, welche unleserliehe Namen mit Conte - und Marchesetiteln
tragen und wo willkürliche Zahlenangaben auf gemachte Gebote schließen
lassen. Eins enthält die passende Summe; der Antiquar bedauert, ohne
Brille nicht lesen zu können, bietet überhaupt in allen,, was Nechnungssachen
betrifft, das lebendige Bild der sorglosesten Unordnung, und überläßt es dem
arithmetisch überlegenen Neflectanten selbst zu entziffern, zu welchem Preise daS
Bild verkauft ist. Nachdem dieser die innere Versuchung, aus der kaufmänni¬
schen Unzurechnungsfähigkeit des andern Vortheil zu ziehen, glücklich bekämpft
und sich zur Zahlung desselben Preises bereit erklärt hat, eilt er, das Geschäft
abzuschließen, zahlt, läßt das Bild sofort vom Nagel nehmen und trägt eS
triumphirend in fein Hotel. Der Antiquar aber öffnet ein unteres Fach des
unordentlichen Puits, holt ein saubres Inventarium heraus, durchstreicht
Ur. 377, wobei der Name des Kopisten und das Datum der Vollendung vermerkt
stehen, und notirt neben dem geringen Kostenpreis den vierfachen Verkaufpreis,
— Mit rother Dinte, weil ein Fremder daS Bild kaufte und die Gefahr der
Entdeckung gering ist, mit blauer, wenn der Käufer Italiener war, und früher
«der später ein Ueberfall rachsüchtiger Erbitterung zu befürchten steht. — Er
wirft noch einen Blick in den Hintergrund der Schublade, wo einige Dutzend
Petschierstücke friedlich beisammen liegen und deS Augenblicks harren, der sie
M Beglaubigung irgend eines Strohmannes von Käufer wieder ans
Tageslicht ruft. Dann wird das Pult zweimal verschlossen, und der Anti¬
quar zieht sich in seine Fabrik zurück, um einen daselbst fertig gewordenen
Rembrandt mit geschärfter Tabakslauge zu überziehen, per Sonne aber und einem
nesigen Brennglase das Aufsaugen des ätzenden Stoffes zu überlassen. Da
'hin ein halb vollendeter Salvator Rosa nach oben nicht Original genug er¬
scheint, bringt er ihm im Vorbeigehen einen flüchtigen Stoß mit der Spitze
seines Silberstiftes bei; die Lust zerplatzt nach zwei Seiten, und das Bild be¬
kommt sofort das gemißbrauchte Ansehen, welches über Mängel der Malerei am
dichtesten täuscht. Der Schneider der Fabrik flickt den Schaden mit unglaub-
Greuzbvlcu. I. 1Lik7. 5
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