Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.einigen großen Städten der Vereinigten Staaten existiren deutsche Theater, in Neu- neu Deutschen in den Vereinigten Staaten noch in größerm Maße vorzukommen pflegen als
in Deutschland, und zwar theils aus Mangel an -- Polizei, theils weil der ungebildete Deutsche nur zu sehr geneigt ist, seine neuerworbene und noch ungewohnte Freiheit durch Grobheit zu beurkunden; theils endlich weil manche eine beklagenswerthe Freude daran fin¬ den, aus solche Weise den "Vorurtheilen-' der Amerikaner recht auffallend Trotz zu biete". einigen großen Städten der Vereinigten Staaten existiren deutsche Theater, in Neu- neu Deutschen in den Vereinigten Staaten noch in größerm Maße vorzukommen pflegen als
in Deutschland, und zwar theils aus Mangel an — Polizei, theils weil der ungebildete Deutsche nur zu sehr geneigt ist, seine neuerworbene und noch ungewohnte Freiheit durch Grobheit zu beurkunden; theils endlich weil manche eine beklagenswerthe Freude daran fin¬ den, aus solche Weise den „Vorurtheilen-' der Amerikaner recht auffallend Trotz zu biete». <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103537"/> <p xml:id="ID_1416" prev="#ID_1415" next="#ID_1417"> einigen großen Städten der Vereinigten Staaten existiren deutsche Theater, in Neu-<lb/> york auch eine deutsche Oper mit einigen musikalischen Kräften. Auch eine ita¬<lb/> lienische Oper unter der Leitung eines deutschen Musikers (Max Maretzeck) trägt<lb/> dort zur Belebung des Kunstsinnes bei. Deutsche Liebhabertheater gibt es in größern<lb/> und kleinern amerikanischen Städten, selbst schon in dem ganz jungen Staat Iowa,<lb/> in Davenport, Burlington, Dubuque, u. s. w. Auch herumziehende deutsche Schau¬<lb/> spielergesellschaften erscheinen hie und da. Ferner verdient der Umstand Er¬<lb/> wähnung, daß eine große Anzahl deutscher Musiklehrer fast in allen Theilen<lb/> der Vereinigten Staaten zerstreut sind. Der Ueberfluß ist um so größer, als gar<lb/> mancher gebildete Deutsche, den politische Stürme nach Amerika verschlagen haben,<lb/> oder der einem Fache angehört, welches in den Vereinigten Staaten nicht praktisch<lb/> ist, sich nothgedrungen zu diesem Erwerbszweige bequemen muß. Auch haben die<lb/> Amerikaner eine sehr hohe Meinung von deutscher Kunstbildung; namentlich ist bei<lb/> ihnen der Begriff eines Deutschen und eines Musikers so identisch, daß sie es bei¬<lb/> nah unglaublich finden, wenn ein Deutscher oder eine Deutsche die Bitte etwas<lb/> Musikalisches zum Besten zu geben, wegen Unkunde ablehnt. — In Bezug auf<lb/> Malerei verdient angeführt zu werden, daß ein reicher und gebildeter Deutscher<lb/> in Neuvork (ein Herr Boker) eine nicht unbedeutende Gemäldesammlung daselbst<lb/> angelegt hat, zu welcher dem Publicum der Zutritt gegen ein kleines Eintrittsgeld<lb/> gestattet ist. Sie besteht meist aus Werken der düsseldvrfer Schule und ist daher<lb/> in Neuyork allgemein unter dem Namen „Düsseldorfs Gallery" bekannt. Sie<lb/> enthält bereits mehre hundert Nummern, darunter einiges Werthvolle. Namentlich<lb/> das Originalbild von Lessing „Huß vor dem Scheiterhaufen". Auch die deutsche<lb/> Literatur findet mehr und mehr Eingang in den Vereinigten Staaten. In'<lb/> allen größern Städten sind deutsche Buchhandlungen, so wie deutsche Leihbibliothe¬<lb/> ken. Ausgezeichnetes, was in Deutschland erscheint, wird nicht nur von den gebil¬<lb/> deten Deutschen Amerikas gelesen, sondern auch sogleich für die amerikanische Lese¬<lb/> welt ins Englische übersetzt. Selbst dem Nibelungenliede ist dies widerfahren, und<lb/> eine reiche Sammlung deutscher Gedichte -— nach des Sammlers Absicht das Beste<lb/> aus dem ganzen deutschen Dichtergarten — ausgewählt und trefflich übersetzt von<lb/> Alfred Baskerville, (mit deutschem und englischem Text) ist in Philadelphia<lb/> seit 1864 mehrmals aufgelegt worden. Selbst an Orten, wo keine deutsche Buch¬<lb/> handlung ist und wo die Deutschen mehr zerstreut leben, bilden sie Vereine zu dem<lb/> Zweck, die neuesten und bedeutendsten Erscheinungen der deutschen Literatur sich<lb/> zugänglich zu machen; — so z. B. in der Umgegend von Belleville, im Staat<lb/> Illinois. Wer sich überzeugen will, welche bedeutende Rolle die deutsche Literatur<lb/> — die poetische wie die wissenschaftliche — bereits in den Vereinigten Staaten<lb/> spielt, der lese, was der Amerikaner Theodor Parker in seinen kritischen und ver¬<lb/> mischten Schriften (deutsch von I>r. Joh. Ziethen, Leipzig -1834) unter der Ueber-</p><lb/> <note xml:id="FID_22" prev="#FID_21" place="foot"> neu Deutschen in den Vereinigten Staaten noch in größerm Maße vorzukommen pflegen als<lb/> in Deutschland, und zwar theils aus Mangel an — Polizei, theils weil der ungebildete<lb/> Deutsche nur zu sehr geneigt ist, seine neuerworbene und noch ungewohnte Freiheit durch<lb/> Grobheit zu beurkunden; theils endlich weil manche eine beklagenswerthe Freude daran fin¬<lb/> den, aus solche Weise den „Vorurtheilen-' der Amerikaner recht auffallend Trotz zu biete».</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
einigen großen Städten der Vereinigten Staaten existiren deutsche Theater, in Neu-
york auch eine deutsche Oper mit einigen musikalischen Kräften. Auch eine ita¬
lienische Oper unter der Leitung eines deutschen Musikers (Max Maretzeck) trägt
dort zur Belebung des Kunstsinnes bei. Deutsche Liebhabertheater gibt es in größern
und kleinern amerikanischen Städten, selbst schon in dem ganz jungen Staat Iowa,
in Davenport, Burlington, Dubuque, u. s. w. Auch herumziehende deutsche Schau¬
spielergesellschaften erscheinen hie und da. Ferner verdient der Umstand Er¬
wähnung, daß eine große Anzahl deutscher Musiklehrer fast in allen Theilen
der Vereinigten Staaten zerstreut sind. Der Ueberfluß ist um so größer, als gar
mancher gebildete Deutsche, den politische Stürme nach Amerika verschlagen haben,
oder der einem Fache angehört, welches in den Vereinigten Staaten nicht praktisch
ist, sich nothgedrungen zu diesem Erwerbszweige bequemen muß. Auch haben die
Amerikaner eine sehr hohe Meinung von deutscher Kunstbildung; namentlich ist bei
ihnen der Begriff eines Deutschen und eines Musikers so identisch, daß sie es bei¬
nah unglaublich finden, wenn ein Deutscher oder eine Deutsche die Bitte etwas
Musikalisches zum Besten zu geben, wegen Unkunde ablehnt. — In Bezug auf
Malerei verdient angeführt zu werden, daß ein reicher und gebildeter Deutscher
in Neuvork (ein Herr Boker) eine nicht unbedeutende Gemäldesammlung daselbst
angelegt hat, zu welcher dem Publicum der Zutritt gegen ein kleines Eintrittsgeld
gestattet ist. Sie besteht meist aus Werken der düsseldvrfer Schule und ist daher
in Neuyork allgemein unter dem Namen „Düsseldorfs Gallery" bekannt. Sie
enthält bereits mehre hundert Nummern, darunter einiges Werthvolle. Namentlich
das Originalbild von Lessing „Huß vor dem Scheiterhaufen". Auch die deutsche
Literatur findet mehr und mehr Eingang in den Vereinigten Staaten. In'
allen größern Städten sind deutsche Buchhandlungen, so wie deutsche Leihbibliothe¬
ken. Ausgezeichnetes, was in Deutschland erscheint, wird nicht nur von den gebil¬
deten Deutschen Amerikas gelesen, sondern auch sogleich für die amerikanische Lese¬
welt ins Englische übersetzt. Selbst dem Nibelungenliede ist dies widerfahren, und
eine reiche Sammlung deutscher Gedichte -— nach des Sammlers Absicht das Beste
aus dem ganzen deutschen Dichtergarten — ausgewählt und trefflich übersetzt von
Alfred Baskerville, (mit deutschem und englischem Text) ist in Philadelphia
seit 1864 mehrmals aufgelegt worden. Selbst an Orten, wo keine deutsche Buch¬
handlung ist und wo die Deutschen mehr zerstreut leben, bilden sie Vereine zu dem
Zweck, die neuesten und bedeutendsten Erscheinungen der deutschen Literatur sich
zugänglich zu machen; — so z. B. in der Umgegend von Belleville, im Staat
Illinois. Wer sich überzeugen will, welche bedeutende Rolle die deutsche Literatur
— die poetische wie die wissenschaftliche — bereits in den Vereinigten Staaten
spielt, der lese, was der Amerikaner Theodor Parker in seinen kritischen und ver¬
mischten Schriften (deutsch von I>r. Joh. Ziethen, Leipzig -1834) unter der Ueber-
neu Deutschen in den Vereinigten Staaten noch in größerm Maße vorzukommen pflegen als
in Deutschland, und zwar theils aus Mangel an — Polizei, theils weil der ungebildete
Deutsche nur zu sehr geneigt ist, seine neuerworbene und noch ungewohnte Freiheit durch
Grobheit zu beurkunden; theils endlich weil manche eine beklagenswerthe Freude daran fin¬
den, aus solche Weise den „Vorurtheilen-' der Amerikaner recht auffallend Trotz zu biete».
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