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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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in einem dem ersten Bande der Germania einverleibten längeren Aufsatze zu
zeichnen versucht, der auch wol ohne erwähnt zu werden in einer deutschen
Kunstgeschichte vielfach wörtlich ausgebeutet wurde, aber er beansprucht doch
"ur als eine Johannesmahnung zu gelten.

Neben dem Worte aber ist es die Möglichkeit der Anschauung, die Ver¬
breitung der Werke selbst, welche die Zurückführung des Meisters in die Nation
vermittelt, ja das Wort will immer zur rechten Anschauung hinüber¬
leiten. Und so möchten wir dies begonnene Unternehmen auf das wärmste
nicht blos Kunstliebhabern, nein dem sich bildenden Künstler, wie deutschen
Familienkreisen empfehlen, um so mehr, da eine treffliche, gewissenhafte und,
wie uns scheint, doch nicht überängstliche Nachbildung in den neuen Form¬
schnitten erreicht ist. Jede Nachbildung in einer anderen Technik, z. B dem
Kupferstich, verändert sofort die Grundstimmung deö Ganzen. Auch der gelbe,
warme Ton des Papieres in weißer, breiter Umrandung wirkt günstig, vor
allem aber, die treue Einhaltung der Originalgröße, die allerdings die be¬
deutenden Verhältnisse der schnorrschen Bilderbibel noch übertrifft.

Sehen wir uns die drei bis jetzt gelieferten Blätter etwas näher an.
Sie gehören alle drei der Zeit der freieren Stilentfaltung des Künstlers an,
eines durch Bezeichnung dem Jahre , das zweite zu derselben Reihe
des Lebens der Maria gehörig, also auch aus gleichem Jahre, das dritte
eine Darstellung dreier Heiligen, dem Stile nach früher zu setzen. Die eigen¬
thümliche Größe der dürerschen Conception wie der einzelnen Charaktere tritt
uns am lebendigsten in dem heiligen Familien bilde, mit den um das
Christuskind beschäftigten Eltern und Großeltern hervor. Zwei prächtige
Buchenstämme bilden den Stützpunkt der Gruppe, rechts und links schließt
sich Gebüsch daran und zur Seite gerückt die einfache Wohnung dieser
hier glücklich Vereinten. Eine Steinbank unter jenen Buchen ist der Ruhe¬
platz der Großeltern Joachim und Anna, gegenüber dient ein Schemel, ganz
in den Vordergrund gerückt, Maria zum Sitz, während Joseph hinter ihr
steht.

Während das Kind, im zierlich ausgeschnittenen Hemdchen, eben vom
Schoße der Mutter zu dem der Großmutter hinüberschreitet, halb gehoben
hier, halb noch gehalten dort, ist in dem Wesen dieser zwei ein schöner innerer
Gegensatz: die tief umhüllte, mit dem Kopftuch umkleidete, zusammengebogene
Anna ist ganz Sorge und Auge für das ihr zugewandte, die Aermchen zu
ihr erhebende Kind; die Gestalt der Maria ist dagegen breit entwickelt, der
von der Schulter herabgefallene Mantel läßt den ganzen Wuchs im eng an¬
geschlossenen Gewand, den reichen Halsschmuck sich zeigen; auch der Kopf
ist mit einer Blumenkrone, sichtlich der Zeitsttte entsprechend, wol in Metall
gearbeitet, geziert. Aber der Ausdruck dieses offenen, geneigten, jungfräulichen


in einem dem ersten Bande der Germania einverleibten längeren Aufsatze zu
zeichnen versucht, der auch wol ohne erwähnt zu werden in einer deutschen
Kunstgeschichte vielfach wörtlich ausgebeutet wurde, aber er beansprucht doch
"ur als eine Johannesmahnung zu gelten.

Neben dem Worte aber ist es die Möglichkeit der Anschauung, die Ver¬
breitung der Werke selbst, welche die Zurückführung des Meisters in die Nation
vermittelt, ja das Wort will immer zur rechten Anschauung hinüber¬
leiten. Und so möchten wir dies begonnene Unternehmen auf das wärmste
nicht blos Kunstliebhabern, nein dem sich bildenden Künstler, wie deutschen
Familienkreisen empfehlen, um so mehr, da eine treffliche, gewissenhafte und,
wie uns scheint, doch nicht überängstliche Nachbildung in den neuen Form¬
schnitten erreicht ist. Jede Nachbildung in einer anderen Technik, z. B dem
Kupferstich, verändert sofort die Grundstimmung deö Ganzen. Auch der gelbe,
warme Ton des Papieres in weißer, breiter Umrandung wirkt günstig, vor
allem aber, die treue Einhaltung der Originalgröße, die allerdings die be¬
deutenden Verhältnisse der schnorrschen Bilderbibel noch übertrifft.

Sehen wir uns die drei bis jetzt gelieferten Blätter etwas näher an.
Sie gehören alle drei der Zeit der freieren Stilentfaltung des Künstlers an,
eines durch Bezeichnung dem Jahre , das zweite zu derselben Reihe
des Lebens der Maria gehörig, also auch aus gleichem Jahre, das dritte
eine Darstellung dreier Heiligen, dem Stile nach früher zu setzen. Die eigen¬
thümliche Größe der dürerschen Conception wie der einzelnen Charaktere tritt
uns am lebendigsten in dem heiligen Familien bilde, mit den um das
Christuskind beschäftigten Eltern und Großeltern hervor. Zwei prächtige
Buchenstämme bilden den Stützpunkt der Gruppe, rechts und links schließt
sich Gebüsch daran und zur Seite gerückt die einfache Wohnung dieser
hier glücklich Vereinten. Eine Steinbank unter jenen Buchen ist der Ruhe¬
platz der Großeltern Joachim und Anna, gegenüber dient ein Schemel, ganz
in den Vordergrund gerückt, Maria zum Sitz, während Joseph hinter ihr
steht.

Während das Kind, im zierlich ausgeschnittenen Hemdchen, eben vom
Schoße der Mutter zu dem der Großmutter hinüberschreitet, halb gehoben
hier, halb noch gehalten dort, ist in dem Wesen dieser zwei ein schöner innerer
Gegensatz: die tief umhüllte, mit dem Kopftuch umkleidete, zusammengebogene
Anna ist ganz Sorge und Auge für das ihr zugewandte, die Aermchen zu
ihr erhebende Kind; die Gestalt der Maria ist dagegen breit entwickelt, der
von der Schulter herabgefallene Mantel läßt den ganzen Wuchs im eng an¬
geschlossenen Gewand, den reichen Halsschmuck sich zeigen; auch der Kopf
ist mit einer Blumenkrone, sichtlich der Zeitsttte entsprechend, wol in Metall
gearbeitet, geziert. Aber der Ausdruck dieses offenen, geneigten, jungfräulichen


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[0343] in einem dem ersten Bande der Germania einverleibten längeren Aufsatze zu zeichnen versucht, der auch wol ohne erwähnt zu werden in einer deutschen Kunstgeschichte vielfach wörtlich ausgebeutet wurde, aber er beansprucht doch "ur als eine Johannesmahnung zu gelten. Neben dem Worte aber ist es die Möglichkeit der Anschauung, die Ver¬ breitung der Werke selbst, welche die Zurückführung des Meisters in die Nation vermittelt, ja das Wort will immer zur rechten Anschauung hinüber¬ leiten. Und so möchten wir dies begonnene Unternehmen auf das wärmste nicht blos Kunstliebhabern, nein dem sich bildenden Künstler, wie deutschen Familienkreisen empfehlen, um so mehr, da eine treffliche, gewissenhafte und, wie uns scheint, doch nicht überängstliche Nachbildung in den neuen Form¬ schnitten erreicht ist. Jede Nachbildung in einer anderen Technik, z. B dem Kupferstich, verändert sofort die Grundstimmung deö Ganzen. Auch der gelbe, warme Ton des Papieres in weißer, breiter Umrandung wirkt günstig, vor allem aber, die treue Einhaltung der Originalgröße, die allerdings die be¬ deutenden Verhältnisse der schnorrschen Bilderbibel noch übertrifft. Sehen wir uns die drei bis jetzt gelieferten Blätter etwas näher an. Sie gehören alle drei der Zeit der freieren Stilentfaltung des Künstlers an, eines durch Bezeichnung dem Jahre , das zweite zu derselben Reihe des Lebens der Maria gehörig, also auch aus gleichem Jahre, das dritte eine Darstellung dreier Heiligen, dem Stile nach früher zu setzen. Die eigen¬ thümliche Größe der dürerschen Conception wie der einzelnen Charaktere tritt uns am lebendigsten in dem heiligen Familien bilde, mit den um das Christuskind beschäftigten Eltern und Großeltern hervor. Zwei prächtige Buchenstämme bilden den Stützpunkt der Gruppe, rechts und links schließt sich Gebüsch daran und zur Seite gerückt die einfache Wohnung dieser hier glücklich Vereinten. Eine Steinbank unter jenen Buchen ist der Ruhe¬ platz der Großeltern Joachim und Anna, gegenüber dient ein Schemel, ganz in den Vordergrund gerückt, Maria zum Sitz, während Joseph hinter ihr steht. Während das Kind, im zierlich ausgeschnittenen Hemdchen, eben vom Schoße der Mutter zu dem der Großmutter hinüberschreitet, halb gehoben hier, halb noch gehalten dort, ist in dem Wesen dieser zwei ein schöner innerer Gegensatz: die tief umhüllte, mit dem Kopftuch umkleidete, zusammengebogene Anna ist ganz Sorge und Auge für das ihr zugewandte, die Aermchen zu ihr erhebende Kind; die Gestalt der Maria ist dagegen breit entwickelt, der von der Schulter herabgefallene Mantel läßt den ganzen Wuchs im eng an¬ geschlossenen Gewand, den reichen Halsschmuck sich zeigen; auch der Kopf ist mit einer Blumenkrone, sichtlich der Zeitsttte entsprechend, wol in Metall gearbeitet, geziert. Aber der Ausdruck dieses offenen, geneigten, jungfräulichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/343>, abgerufen am 22.12.2024.