Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Goethe als Theaterdirector.
>. ''^.'""'.^^ '.'
Der Diebstahl von "Wallensteins Lager".

DaS nachfolgende kleine Intermezzo ist von anderer Seite her bereits im
Weimarer Sonntagsblatt*) des vorigen Jahres erzählt. Dem Einsender dieses
Artikels ist zufällig die betreffende Nummer des Blattes nicht zu Händen ge¬
kommen, er sieht sich deshalb aus das beschränkt, was er selbst in den Theater¬
acten zu Weimar gefunden hat.

Schiller schreibt bekanntlich an Goethe am 1. März 1799: "Ich erfahre
zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß Walle.nsteins Lager in Kopen¬
hagen ist, denn es ist da bei Schimmelmanns vorgelesen und sogar an seinem
Geburtstage von guten Freunden aufgeführt worden. Ich wüßte keinen an¬
dern Weg als von Weimar aus."

Darauf antwortet Goethe am 3. März: "Wegen Wallen se eins Lager
will ich eine strenge Untersuchung anstellen lassen. Ihre Vermuthung scheint
mir nur allzu begründet. In diesen glorreichen Zeiten, wo die Vernunft ihr
erhabenes Regiment ausbreitet, hat man sich täglich von den würdigsten
Männern einer Infamie oder Absurdität zu gewärtigen."

Das Actenstück über die Untersuchung im weimarscher Theaterarchiv
lautet nun also:

Herr Hofrath Schiller hat erfahren, daß eine Abschrift von Wallensteins
Lager auswärts communicirt wurde. So wie es.nun nicht unwahrscheinlich
>se, daß dieses von Weimar aus geschehen und der Theatercommisston alles
daran gelegen sein muß, denjenigen zu entdecken, der eine solche Untreue begehen
konnte, so wären vorerst nachstehende Personen:

Die drei Wöchner,
der Copist Schumann,
der Soufleur Seysarth

an Eidesstatt und zwar jede besonders zu vernehmen:

1. ob sie das Mspt. von Wallensteins Lager irgend jemandem geborgt;



*) Anm. der Redaction. Die Redaction dieses Blattes benutzt diese Erwähnung des
Weimarer Sountagsblattcs, die kleine Wochenschrift den Lesern der Grenzboten angelegentlich
i"' empfehlen. Sie unterscheidet sich vortheilhaft von den meisten ähnlichen Blättern. Außer
einer nicht unbedeutenden Anzahl von Beiträge", welche für die deutsche Literaturgeschichte
Werth haben, bringt sie auch in ihren poetischen Beiträgen Achtnngswcrthes und einen Reich¬
thum an übersichtlichen Notizen aus der Kunstwelt. Der intelligente Redacteur, - Herr Her¬
mann Bostan, ist eifrigst bemüht, dem BKtt gute Haltung und Interesse zu geben,
und es ist anzunehmen, daß er die Zeitschrift ans Patriotismus und um der guten Sache
willen cultivirt, da der Abonuemcutspreis (20 Sgr. für das halbe Jahr) sehr niedrig ist.
Grenzboten. I. 1867. 33
Goethe als Theaterdirector.
>. ''^.'""'.^^ '.'
Der Diebstahl von „Wallensteins Lager".

DaS nachfolgende kleine Intermezzo ist von anderer Seite her bereits im
Weimarer Sonntagsblatt*) des vorigen Jahres erzählt. Dem Einsender dieses
Artikels ist zufällig die betreffende Nummer des Blattes nicht zu Händen ge¬
kommen, er sieht sich deshalb aus das beschränkt, was er selbst in den Theater¬
acten zu Weimar gefunden hat.

Schiller schreibt bekanntlich an Goethe am 1. März 1799: „Ich erfahre
zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß Walle.nsteins Lager in Kopen¬
hagen ist, denn es ist da bei Schimmelmanns vorgelesen und sogar an seinem
Geburtstage von guten Freunden aufgeführt worden. Ich wüßte keinen an¬
dern Weg als von Weimar aus."

Darauf antwortet Goethe am 3. März: „Wegen Wallen se eins Lager
will ich eine strenge Untersuchung anstellen lassen. Ihre Vermuthung scheint
mir nur allzu begründet. In diesen glorreichen Zeiten, wo die Vernunft ihr
erhabenes Regiment ausbreitet, hat man sich täglich von den würdigsten
Männern einer Infamie oder Absurdität zu gewärtigen."

Das Actenstück über die Untersuchung im weimarscher Theaterarchiv
lautet nun also:

Herr Hofrath Schiller hat erfahren, daß eine Abschrift von Wallensteins
Lager auswärts communicirt wurde. So wie es.nun nicht unwahrscheinlich
>se, daß dieses von Weimar aus geschehen und der Theatercommisston alles
daran gelegen sein muß, denjenigen zu entdecken, der eine solche Untreue begehen
konnte, so wären vorerst nachstehende Personen:

Die drei Wöchner,
der Copist Schumann,
der Soufleur Seysarth

an Eidesstatt und zwar jede besonders zu vernehmen:

1. ob sie das Mspt. von Wallensteins Lager irgend jemandem geborgt;



*) Anm. der Redaction. Die Redaction dieses Blattes benutzt diese Erwähnung des
Weimarer Sountagsblattcs, die kleine Wochenschrift den Lesern der Grenzboten angelegentlich
i»' empfehlen. Sie unterscheidet sich vortheilhaft von den meisten ähnlichen Blättern. Außer
einer nicht unbedeutenden Anzahl von Beiträge», welche für die deutsche Literaturgeschichte
Werth haben, bringt sie auch in ihren poetischen Beiträgen Achtnngswcrthes und einen Reich¬
thum an übersichtlichen Notizen aus der Kunstwelt. Der intelligente Redacteur, - Herr Her¬
mann Bostan, ist eifrigst bemüht, dem BKtt gute Haltung und Interesse zu geben,
und es ist anzunehmen, daß er die Zeitschrift ans Patriotismus und um der guten Sache
willen cultivirt, da der Abonuemcutspreis (20 Sgr. für das halbe Jahr) sehr niedrig ist.
Grenzboten. I. 1867. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103398"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Goethe als Theaterdirector.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> &gt;. ''^.'""'.^^   '.'<lb/>
Der Diebstahl von &#x201E;Wallensteins Lager".</head><lb/>
            <p xml:id="ID_923"> DaS nachfolgende kleine Intermezzo ist von anderer Seite her bereits im<lb/>
Weimarer Sonntagsblatt*) des vorigen Jahres erzählt. Dem Einsender dieses<lb/>
Artikels ist zufällig die betreffende Nummer des Blattes nicht zu Händen ge¬<lb/>
kommen, er sieht sich deshalb aus das beschränkt, was er selbst in den Theater¬<lb/>
acten zu Weimar gefunden hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_924"> Schiller schreibt bekanntlich an Goethe am 1. März 1799: &#x201E;Ich erfahre<lb/>
zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß Walle.nsteins Lager in Kopen¬<lb/>
hagen ist, denn es ist da bei Schimmelmanns vorgelesen und sogar an seinem<lb/>
Geburtstage von guten Freunden aufgeführt worden. Ich wüßte keinen an¬<lb/>
dern Weg als von Weimar aus."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_925"> Darauf antwortet Goethe am 3. März: &#x201E;Wegen Wallen se eins Lager<lb/>
will ich eine strenge Untersuchung anstellen lassen. Ihre Vermuthung scheint<lb/>
mir nur allzu begründet. In diesen glorreichen Zeiten, wo die Vernunft ihr<lb/>
erhabenes Regiment ausbreitet, hat man sich täglich von den würdigsten<lb/>
Männern einer Infamie oder Absurdität zu gewärtigen."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_926"> Das Actenstück über die Untersuchung im weimarscher Theaterarchiv<lb/>
lautet nun also:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_927"> Herr Hofrath Schiller hat erfahren, daß eine Abschrift von Wallensteins<lb/>
Lager auswärts communicirt wurde. So wie es.nun nicht unwahrscheinlich<lb/>
&gt;se, daß dieses von Weimar aus geschehen und der Theatercommisston alles<lb/>
daran gelegen sein muß, denjenigen zu entdecken, der eine solche Untreue begehen<lb/>
konnte, so wären vorerst nachstehende Personen:</p><lb/>
            <list>
              <item> Die drei Wöchner,</item>
              <item> der Copist Schumann,</item>
              <item> der Soufleur Seysarth</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_928"> an Eidesstatt und zwar jede besonders zu vernehmen:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_929"> 1. ob sie das Mspt. von Wallensteins Lager irgend jemandem geborgt;</p><lb/>
            <note xml:id="FID_14" place="foot"> *) Anm. der Redaction. Die Redaction dieses Blattes benutzt diese Erwähnung des<lb/>
Weimarer Sountagsblattcs, die kleine Wochenschrift den Lesern der Grenzboten angelegentlich<lb/>
i»' empfehlen. Sie unterscheidet sich vortheilhaft von den meisten ähnlichen Blättern. Außer<lb/>
einer nicht unbedeutenden Anzahl von Beiträge», welche für die deutsche Literaturgeschichte<lb/>
Werth haben, bringt sie auch in ihren poetischen Beiträgen Achtnngswcrthes und einen Reich¬<lb/>
thum an übersichtlichen Notizen aus der Kunstwelt. Der intelligente Redacteur, - Herr Her¬<lb/>
mann Bostan, ist eifrigst bemüht, dem BKtt gute Haltung und Interesse zu geben,<lb/>
und es ist anzunehmen, daß er die Zeitschrift ans Patriotismus und um der guten Sache<lb/>
willen cultivirt, da der Abonuemcutspreis (20 Sgr. für das halbe Jahr) sehr niedrig ist.</note><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. 1867. 33</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] Goethe als Theaterdirector. >. ''^.'""'.^^ '.' Der Diebstahl von „Wallensteins Lager". DaS nachfolgende kleine Intermezzo ist von anderer Seite her bereits im Weimarer Sonntagsblatt*) des vorigen Jahres erzählt. Dem Einsender dieses Artikels ist zufällig die betreffende Nummer des Blattes nicht zu Händen ge¬ kommen, er sieht sich deshalb aus das beschränkt, was er selbst in den Theater¬ acten zu Weimar gefunden hat. Schiller schreibt bekanntlich an Goethe am 1. März 1799: „Ich erfahre zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß Walle.nsteins Lager in Kopen¬ hagen ist, denn es ist da bei Schimmelmanns vorgelesen und sogar an seinem Geburtstage von guten Freunden aufgeführt worden. Ich wüßte keinen an¬ dern Weg als von Weimar aus." Darauf antwortet Goethe am 3. März: „Wegen Wallen se eins Lager will ich eine strenge Untersuchung anstellen lassen. Ihre Vermuthung scheint mir nur allzu begründet. In diesen glorreichen Zeiten, wo die Vernunft ihr erhabenes Regiment ausbreitet, hat man sich täglich von den würdigsten Männern einer Infamie oder Absurdität zu gewärtigen." Das Actenstück über die Untersuchung im weimarscher Theaterarchiv lautet nun also: Herr Hofrath Schiller hat erfahren, daß eine Abschrift von Wallensteins Lager auswärts communicirt wurde. So wie es.nun nicht unwahrscheinlich >se, daß dieses von Weimar aus geschehen und der Theatercommisston alles daran gelegen sein muß, denjenigen zu entdecken, der eine solche Untreue begehen konnte, so wären vorerst nachstehende Personen: Die drei Wöchner, der Copist Schumann, der Soufleur Seysarth an Eidesstatt und zwar jede besonders zu vernehmen: 1. ob sie das Mspt. von Wallensteins Lager irgend jemandem geborgt; *) Anm. der Redaction. Die Redaction dieses Blattes benutzt diese Erwähnung des Weimarer Sountagsblattcs, die kleine Wochenschrift den Lesern der Grenzboten angelegentlich i»' empfehlen. Sie unterscheidet sich vortheilhaft von den meisten ähnlichen Blättern. Außer einer nicht unbedeutenden Anzahl von Beiträge», welche für die deutsche Literaturgeschichte Werth haben, bringt sie auch in ihren poetischen Beiträgen Achtnngswcrthes und einen Reich¬ thum an übersichtlichen Notizen aus der Kunstwelt. Der intelligente Redacteur, - Herr Her¬ mann Bostan, ist eifrigst bemüht, dem BKtt gute Haltung und Interesse zu geben, und es ist anzunehmen, daß er die Zeitschrift ans Patriotismus und um der guten Sache willen cultivirt, da der Abonuemcutspreis (20 Sgr. für das halbe Jahr) sehr niedrig ist. Grenzboten. I. 1867. 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/265>, abgerufen am 22.12.2024.