in ihr Haus, das stets daselbst offen war, und als ich niemand sah, da alle in der untern Stube waren, schlich ich die Stiege hinauf bis auf den Estrich, und lugte zum Tageloch hinaus, um zu hören, wann man um Zwölfe die Messe einläutet. So wartete ich drei Stunden, mich verlangte und fror. Sobald man anfing zu läuten, schlich ich still herab und that die Stube auf mit dem Geschrei: Mir die Bescherung, vermeinte sie daselbst zu erwischen. Da war Niemand da, und die Magd sagte, sie wäre ausgegangen, wie sie ihr gesagt hätte. Sie aber hatte sich heimlich unter die Stiege verborgen und gewartet. Bald darauf eilte sie mit dem Ruf in die Stube und gewann mir die Be¬ scherung ab. Diese schenkte ich ihr reichlich, wie sie denn auch mir eine Be¬ scherung gab. Ich wollte ihr daS Kettlein, das ich von Paris gebracht, ver¬ ehren, da bat sie mich, ich möchte es behalten, es möchte ihr ein Gerede ver¬ ursachen und könne ihr wohl noch einmal werden. Sie nahm aber das schön gebundene Testamentlein, das ich ihr auch beschert hatte. So hatten wir unser Spiel eine Zeitlang, wie die jungen Leute pflegen.
Nach der Baselmesse fing mein zukünftiger Schwiegervater, da er nicht mehr aufschieben konnte, an, sich auf die Zusammengebung vorzubereiten, und sie ward auf acht Tage nach Martini festgesetzt. Da erschien man um vier Uhr in seinem Hause, und es waren auf seiner Seite Herr Caspar Krug, der hernach Bürgermeister war, Martin Fickler, Meister Gregorius Schölin und Bald Hug, seine Freunde, und sein Sohn Franz Jeckelmann; auf unserer Seite v. Haus Huber, Mathias Bornhart, Henricus Petri. Man verhan¬ delte über das zugebrachte Gut, und mein künftiger Schwiegervater vermeldete, seine Tochter werde mir mehr als 300 Pfund an Werth mitbringen, darunter 4 00 Floren in baarem Gelde, das andere in Kleidern. Als man meinen Vater fragte, was er mir geben würde, sagte er, er könnte nichts nennen, er hätte kein Kind, als ich, und Alles wäre mein. Als man ihn aber ermahnte, er sollte etwas namhaft machen, denn eS könnte Aenderungen geben (wie auch nachher geschah"), antwortete er, er hätte sich daS nicht überlegt, er wollte wol iOO Gulden nennen, könnte sie mir aber nicht geben, wir sollten dafür bei ihm den Tisch haben, denn er hätte kein Geld, das er mir geben könnte, er wäre anderweit viel schuldig. Darüber gab es etliche Streitigkeiten, so daß mein Schwiegervater ausbrach, er wolle seine Tochter nicht so in die Unruhe der Tischgänger stecken, lieber wollte er uns bei sich im Hause haben, und verwies meinem Vater, daß er Geld schuldig wäre, so daß mein Vater sehr bekümmert war, und wenn die Ehrenleute nicht gewehrt hätten, so wären sie vielleicht unverrichteter Sache auseinander gekommen. Das war der erste Anstoß, der mir begegnete, und eine Bekümmerniß, wie auch meiner' Zutunf-
Thomas Plater, der Vater, heirathete später noch einmal, und erhielt von seiner zweiten Fran noch sechs Kinder.
in ihr Haus, das stets daselbst offen war, und als ich niemand sah, da alle in der untern Stube waren, schlich ich die Stiege hinauf bis auf den Estrich, und lugte zum Tageloch hinaus, um zu hören, wann man um Zwölfe die Messe einläutet. So wartete ich drei Stunden, mich verlangte und fror. Sobald man anfing zu läuten, schlich ich still herab und that die Stube auf mit dem Geschrei: Mir die Bescherung, vermeinte sie daselbst zu erwischen. Da war Niemand da, und die Magd sagte, sie wäre ausgegangen, wie sie ihr gesagt hätte. Sie aber hatte sich heimlich unter die Stiege verborgen und gewartet. Bald darauf eilte sie mit dem Ruf in die Stube und gewann mir die Be¬ scherung ab. Diese schenkte ich ihr reichlich, wie sie denn auch mir eine Be¬ scherung gab. Ich wollte ihr daS Kettlein, das ich von Paris gebracht, ver¬ ehren, da bat sie mich, ich möchte es behalten, es möchte ihr ein Gerede ver¬ ursachen und könne ihr wohl noch einmal werden. Sie nahm aber das schön gebundene Testamentlein, das ich ihr auch beschert hatte. So hatten wir unser Spiel eine Zeitlang, wie die jungen Leute pflegen.
Nach der Baselmesse fing mein zukünftiger Schwiegervater, da er nicht mehr aufschieben konnte, an, sich auf die Zusammengebung vorzubereiten, und sie ward auf acht Tage nach Martini festgesetzt. Da erschien man um vier Uhr in seinem Hause, und es waren auf seiner Seite Herr Caspar Krug, der hernach Bürgermeister war, Martin Fickler, Meister Gregorius Schölin und Bald Hug, seine Freunde, und sein Sohn Franz Jeckelmann; auf unserer Seite v. Haus Huber, Mathias Bornhart, Henricus Petri. Man verhan¬ delte über das zugebrachte Gut, und mein künftiger Schwiegervater vermeldete, seine Tochter werde mir mehr als 300 Pfund an Werth mitbringen, darunter 4 00 Floren in baarem Gelde, das andere in Kleidern. Als man meinen Vater fragte, was er mir geben würde, sagte er, er könnte nichts nennen, er hätte kein Kind, als ich, und Alles wäre mein. Als man ihn aber ermahnte, er sollte etwas namhaft machen, denn eS könnte Aenderungen geben (wie auch nachher geschah"), antwortete er, er hätte sich daS nicht überlegt, er wollte wol iOO Gulden nennen, könnte sie mir aber nicht geben, wir sollten dafür bei ihm den Tisch haben, denn er hätte kein Geld, das er mir geben könnte, er wäre anderweit viel schuldig. Darüber gab es etliche Streitigkeiten, so daß mein Schwiegervater ausbrach, er wolle seine Tochter nicht so in die Unruhe der Tischgänger stecken, lieber wollte er uns bei sich im Hause haben, und verwies meinem Vater, daß er Geld schuldig wäre, so daß mein Vater sehr bekümmert war, und wenn die Ehrenleute nicht gewehrt hätten, so wären sie vielleicht unverrichteter Sache auseinander gekommen. Das war der erste Anstoß, der mir begegnete, und eine Bekümmerniß, wie auch meiner' Zutunf-
Thomas Plater, der Vater, heirathete später noch einmal, und erhielt von seiner zweiten Fran noch sechs Kinder.
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0242"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103375"/><pxml:id="ID_868"prev="#ID_867"> in ihr Haus, das stets daselbst offen war, und als ich niemand sah, da alle<lb/>
in der untern Stube waren, schlich ich die Stiege hinauf bis auf den Estrich,<lb/>
und lugte zum Tageloch hinaus, um zu hören, wann man um Zwölfe die Messe<lb/>
einläutet. So wartete ich drei Stunden, mich verlangte und fror. Sobald<lb/>
man anfing zu läuten, schlich ich still herab und that die Stube auf mit dem<lb/>
Geschrei: Mir die Bescherung, vermeinte sie daselbst zu erwischen. Da war<lb/>
Niemand da, und die Magd sagte, sie wäre ausgegangen, wie sie ihr gesagt<lb/>
hätte. Sie aber hatte sich heimlich unter die Stiege verborgen und gewartet.<lb/>
Bald darauf eilte sie mit dem Ruf in die Stube und gewann mir die Be¬<lb/>
scherung ab. Diese schenkte ich ihr reichlich, wie sie denn auch mir eine Be¬<lb/>
scherung gab. Ich wollte ihr daS Kettlein, das ich von Paris gebracht, ver¬<lb/>
ehren, da bat sie mich, ich möchte es behalten, es möchte ihr ein Gerede ver¬<lb/>
ursachen und könne ihr wohl noch einmal werden. Sie nahm aber das<lb/>
schön gebundene Testamentlein, das ich ihr auch beschert hatte. So hatten<lb/>
wir unser Spiel eine Zeitlang, wie die jungen Leute pflegen.</p><lb/><pxml:id="ID_869"next="#ID_870"> Nach der Baselmesse fing mein zukünftiger Schwiegervater, da er nicht<lb/>
mehr aufschieben konnte, an, sich auf die Zusammengebung vorzubereiten, und<lb/>
sie ward auf acht Tage nach Martini festgesetzt. Da erschien man um vier<lb/>
Uhr in seinem Hause, und es waren auf seiner Seite Herr Caspar Krug,<lb/>
der hernach Bürgermeister war, Martin Fickler, Meister Gregorius Schölin<lb/>
und Bald Hug, seine Freunde, und sein Sohn Franz Jeckelmann; auf unserer<lb/>
Seite v. Haus Huber, Mathias Bornhart, Henricus Petri. Man verhan¬<lb/>
delte über das zugebrachte Gut, und mein künftiger Schwiegervater vermeldete,<lb/>
seine Tochter werde mir mehr als 300 Pfund an Werth mitbringen, darunter<lb/>
4 00 Floren in baarem Gelde, das andere in Kleidern. Als man meinen<lb/>
Vater fragte, was er mir geben würde, sagte er, er könnte nichts nennen, er<lb/>
hätte kein Kind, als ich, und Alles wäre mein. Als man ihn aber ermahnte,<lb/>
er sollte etwas namhaft machen, denn eS könnte Aenderungen geben (wie auch<lb/>
nachher geschah"), antwortete er, er hätte sich daS nicht überlegt, er wollte<lb/>
wol iOO Gulden nennen, könnte sie mir aber nicht geben, wir sollten dafür<lb/>
bei ihm den Tisch haben, denn er hätte kein Geld, das er mir geben könnte,<lb/>
er wäre anderweit viel schuldig. Darüber gab es etliche Streitigkeiten, so<lb/>
daß mein Schwiegervater ausbrach, er wolle seine Tochter nicht so in die<lb/>
Unruhe der Tischgänger stecken, lieber wollte er uns bei sich im Hause haben,<lb/>
und verwies meinem Vater, daß er Geld schuldig wäre, so daß mein Vater<lb/>
sehr bekümmert war, und wenn die Ehrenleute nicht gewehrt hätten, so wären<lb/>
sie vielleicht unverrichteter Sache auseinander gekommen. Das war der erste<lb/>
Anstoß, der mir begegnete, und eine Bekümmerniß, wie auch meiner' Zutunf-</p><lb/><notexml:id="FID_13"place="foot"> Thomas Plater, der Vater, heirathete später noch einmal, und erhielt von seiner<lb/>
zweiten Fran noch sechs Kinder.</note><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[0242]
in ihr Haus, das stets daselbst offen war, und als ich niemand sah, da alle
in der untern Stube waren, schlich ich die Stiege hinauf bis auf den Estrich,
und lugte zum Tageloch hinaus, um zu hören, wann man um Zwölfe die Messe
einläutet. So wartete ich drei Stunden, mich verlangte und fror. Sobald
man anfing zu läuten, schlich ich still herab und that die Stube auf mit dem
Geschrei: Mir die Bescherung, vermeinte sie daselbst zu erwischen. Da war
Niemand da, und die Magd sagte, sie wäre ausgegangen, wie sie ihr gesagt
hätte. Sie aber hatte sich heimlich unter die Stiege verborgen und gewartet.
Bald darauf eilte sie mit dem Ruf in die Stube und gewann mir die Be¬
scherung ab. Diese schenkte ich ihr reichlich, wie sie denn auch mir eine Be¬
scherung gab. Ich wollte ihr daS Kettlein, das ich von Paris gebracht, ver¬
ehren, da bat sie mich, ich möchte es behalten, es möchte ihr ein Gerede ver¬
ursachen und könne ihr wohl noch einmal werden. Sie nahm aber das
schön gebundene Testamentlein, das ich ihr auch beschert hatte. So hatten
wir unser Spiel eine Zeitlang, wie die jungen Leute pflegen.
Nach der Baselmesse fing mein zukünftiger Schwiegervater, da er nicht
mehr aufschieben konnte, an, sich auf die Zusammengebung vorzubereiten, und
sie ward auf acht Tage nach Martini festgesetzt. Da erschien man um vier
Uhr in seinem Hause, und es waren auf seiner Seite Herr Caspar Krug,
der hernach Bürgermeister war, Martin Fickler, Meister Gregorius Schölin
und Bald Hug, seine Freunde, und sein Sohn Franz Jeckelmann; auf unserer
Seite v. Haus Huber, Mathias Bornhart, Henricus Petri. Man verhan¬
delte über das zugebrachte Gut, und mein künftiger Schwiegervater vermeldete,
seine Tochter werde mir mehr als 300 Pfund an Werth mitbringen, darunter
4 00 Floren in baarem Gelde, das andere in Kleidern. Als man meinen
Vater fragte, was er mir geben würde, sagte er, er könnte nichts nennen, er
hätte kein Kind, als ich, und Alles wäre mein. Als man ihn aber ermahnte,
er sollte etwas namhaft machen, denn eS könnte Aenderungen geben (wie auch
nachher geschah"), antwortete er, er hätte sich daS nicht überlegt, er wollte
wol iOO Gulden nennen, könnte sie mir aber nicht geben, wir sollten dafür
bei ihm den Tisch haben, denn er hätte kein Geld, das er mir geben könnte,
er wäre anderweit viel schuldig. Darüber gab es etliche Streitigkeiten, so
daß mein Schwiegervater ausbrach, er wolle seine Tochter nicht so in die
Unruhe der Tischgänger stecken, lieber wollte er uns bei sich im Hause haben,
und verwies meinem Vater, daß er Geld schuldig wäre, so daß mein Vater
sehr bekümmert war, und wenn die Ehrenleute nicht gewehrt hätten, so wären
sie vielleicht unverrichteter Sache auseinander gekommen. Das war der erste
Anstoß, der mir begegnete, und eine Bekümmerniß, wie auch meiner' Zutunf-
Thomas Plater, der Vater, heirathete später noch einmal, und erhielt von seiner
zweiten Fran noch sechs Kinder.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/242>, abgerufen am 04.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.