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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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hin, weil er die Tochter, die ihm so gut Haus hielt, wie er rühmte, nicht
gern aus dem Haus gab.

Zu dieser Zeit wurde dem Thomas Guerin die Jungfrau Elisabeth zum
Falken versprochen. Er kam mit dem Pempelfort oft zu mir, und bat mich
jetzt einmal eine Musik anzustellen, um seiner Geliebten zum Falken zu hul¬
digen. Ich verhieß ihm das, doch unter der Bedingung, daß solche Musik
auch an dem Ort gebracht würde, der mir gefiele. Wir rüsteten uns also und
zogen spät nach dem Nachtessen vor meiner Zukünftigen Haus. Wir hatten
Zwei Lauten, ich und Thiebold Schönauer schlugen zusammen, darnach nahm
ich die Harfe, der Pempelfort zog die Viola. Als er sie auf ein Faß stellen
wollte, fiel dies um, machte einen Rumor. Der Goldschmidt Hagenbach pfiff
dazu, es war gar eine zierliche Musik. Man gab uns keine Anzeige, denn
mein künftiger Schwiegervater war zu Haus. Wir zogen also von da zum
Falken, wo wir, nachdem wir den Hof gemacht, eingelassen wurden, und hiel¬
ten dort einen stattlichen Schlaftrunk mit allerlei Confect und zogen alsdann
wieder nach Haus, wobei die Wächter am grünen Ring mit uns zusammen¬
kamen. Sie ließen uns aber ziehen, nachdem wir guten Bescheid gegeben
hatten. Ich ging von da ab oft spazieren nach meiner Zukünftigen Haus,
doch so viel als möglich heimlich, begann und redete viel närrisches Zeug, wie
die Leute thun, wenn sie bei ihren Liebsten sind, worauf sie mir sinnig ant¬
worten konnte. Ich kleidete mich auch anders, nach unserm damaligen Brauch,
wo man nur bunte Kleider trug, keine schwarzen, außer in Trauer. Es fingen
Einige an, auf mich Acht zu geben, und als ich einst nach dem Nachtessen
aus dem Hause ging, zogen mir Zweie nach, und hätten mich gern gestäupt,
ich entkam ihnen aber, so daß mir nichts geschah.

-- Bald nachdem ich Doctor geworden, drang mein Vater darauf, daß
auch die Heirath zwischen mir und Jungfer Magdalene geschlossen würde, und
redete zu Ende September ihren Vater darum an. Weil ich nun Alles
mit Lob und Ehre vollbracht hätte, und die Sache nicht geheim geblie¬
ben wäre, so möchte ers nunmehr abmachen helfen. Darauf gab er guten
Bescheid, zog aber doch die Sache allzeit hin, da er seine Tochter, wie
oben gemeldet, ungern aus dem Hause gab. Ich durfte unterdeß ohne
Scheu wohl in sein Haus gehen, was mich verwunderte, daß es ihm nicht
mißfiel, da es noch keine beschlossene Ehe war, und wohl nichts hätte daraus
werden können. Es geschah jedoch in allen Züchten und Ehren, daß ich sie
sprach, wir hielten über allerlei Sachen ehrliches Gespräch und trieben Neckerei,
manchmal half ich ihr Latwerge machen, so vertrieben wir die Zeit. Jnsonder-
heit geschah mir ein guter Possen, als man die Messe einläuten wollte am
Abend von Simon Judä, und ich ihr das Meßgeschenk abgewinnen wollte.
Da ihr Vater abwesend war, zog ich um 9 Uhr am Morgen heimlich hinten


Grenzboten. I. -I8S7. Zg

hin, weil er die Tochter, die ihm so gut Haus hielt, wie er rühmte, nicht
gern aus dem Haus gab.

Zu dieser Zeit wurde dem Thomas Guerin die Jungfrau Elisabeth zum
Falken versprochen. Er kam mit dem Pempelfort oft zu mir, und bat mich
jetzt einmal eine Musik anzustellen, um seiner Geliebten zum Falken zu hul¬
digen. Ich verhieß ihm das, doch unter der Bedingung, daß solche Musik
auch an dem Ort gebracht würde, der mir gefiele. Wir rüsteten uns also und
zogen spät nach dem Nachtessen vor meiner Zukünftigen Haus. Wir hatten
Zwei Lauten, ich und Thiebold Schönauer schlugen zusammen, darnach nahm
ich die Harfe, der Pempelfort zog die Viola. Als er sie auf ein Faß stellen
wollte, fiel dies um, machte einen Rumor. Der Goldschmidt Hagenbach pfiff
dazu, es war gar eine zierliche Musik. Man gab uns keine Anzeige, denn
mein künftiger Schwiegervater war zu Haus. Wir zogen also von da zum
Falken, wo wir, nachdem wir den Hof gemacht, eingelassen wurden, und hiel¬
ten dort einen stattlichen Schlaftrunk mit allerlei Confect und zogen alsdann
wieder nach Haus, wobei die Wächter am grünen Ring mit uns zusammen¬
kamen. Sie ließen uns aber ziehen, nachdem wir guten Bescheid gegeben
hatten. Ich ging von da ab oft spazieren nach meiner Zukünftigen Haus,
doch so viel als möglich heimlich, begann und redete viel närrisches Zeug, wie
die Leute thun, wenn sie bei ihren Liebsten sind, worauf sie mir sinnig ant¬
worten konnte. Ich kleidete mich auch anders, nach unserm damaligen Brauch,
wo man nur bunte Kleider trug, keine schwarzen, außer in Trauer. Es fingen
Einige an, auf mich Acht zu geben, und als ich einst nach dem Nachtessen
aus dem Hause ging, zogen mir Zweie nach, und hätten mich gern gestäupt,
ich entkam ihnen aber, so daß mir nichts geschah.

— Bald nachdem ich Doctor geworden, drang mein Vater darauf, daß
auch die Heirath zwischen mir und Jungfer Magdalene geschlossen würde, und
redete zu Ende September ihren Vater darum an. Weil ich nun Alles
mit Lob und Ehre vollbracht hätte, und die Sache nicht geheim geblie¬
ben wäre, so möchte ers nunmehr abmachen helfen. Darauf gab er guten
Bescheid, zog aber doch die Sache allzeit hin, da er seine Tochter, wie
oben gemeldet, ungern aus dem Hause gab. Ich durfte unterdeß ohne
Scheu wohl in sein Haus gehen, was mich verwunderte, daß es ihm nicht
mißfiel, da es noch keine beschlossene Ehe war, und wohl nichts hätte daraus
werden können. Es geschah jedoch in allen Züchten und Ehren, daß ich sie
sprach, wir hielten über allerlei Sachen ehrliches Gespräch und trieben Neckerei,
manchmal half ich ihr Latwerge machen, so vertrieben wir die Zeit. Jnsonder-
heit geschah mir ein guter Possen, als man die Messe einläuten wollte am
Abend von Simon Judä, und ich ihr das Meßgeschenk abgewinnen wollte.
Da ihr Vater abwesend war, zog ich um 9 Uhr am Morgen heimlich hinten


Grenzboten. I. -I8S7. Zg
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/241>, abgerufen am 23.07.2024.