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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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bestimmen," erwiederte ich. --- "Ihre Anstalten zur Badereise müssen Sie
doch schon im Winter beginnen," antwortete er.

"Seien Sie froh, daß Ihre Frau schon im Herbst angefangen hat zu
kränkeln."

Ich konnte nicht gleich klug werden aus den Worten .des Arztes; er hatte
aber ganz recht: will man in dem Badeort Starik ein Unterkommen finden,
so muß man, der Beschränktheit des Raumes wegen, schon im Winter dafür
Sorge tragen. Ich machte sogleich die nöthigen Schritte, und war so glück¬
lich, eine Wohnung zu finden.

ES war ein böser Winter, der von 35 auf 36, Tag für Tag wehte ein
schneidender Nordwind, und die Sonne kam immer nur auf wenige Stunden
zum Vorschein, als wollte sie uns aufziehn, daß wir unser Klima für ein süd¬
liches halten. Der Gesunde hatte Mühe gesund zu bleiben, der Leidende aber
litt gewaltig dabei, und als endlich die Störche und Schwalben erschienen,
ergab es sich, daß die Badereise nöthiger war als je.

Nun begann eine heillose Plackerei! Es mußten zwei Ochsenfüh¬
rer gemiethet werden; die Bauern fürchteten den Weg ins Gebirge, und
konnten sich lange nicht entschließen, einen Transport nach Starik zu über¬
nehmen; endlich, nach langem Hin- und Herreden, waren die Fuhren zur
Stelle. Jetzt ging es ans Ausladen; Matratzen, Kissen, Decken, Kasserole,
Tafelgeschirr, Teppiche, mit einem Wort, alles was zu nothdürftigen Cam¬
piren nothwendig ist, lag auf dem Nasen umher -- dann kamen Kisten und
Säcke mit Mehl, Zucker, Kaffee und was man an Specereien in der Küche
braucht -- und allmälig stiegen zwei Pyramiden aus den Körben der Karren
hervor und erhoben sich zu einer märchenhaften Höhe; der einen diente ein
Waschkübel als Schlußstein, der seine drei Beine wie ein telegraphisches Zei¬
chen in die Lust streckte, -- Schilfmatten und Wollendecken wurden über das
Ganze gespannt; die Wäscherin und ein Zigeunermädchen klammerten sich an
den Waschkübel; der Koch und der Küchenjunge erklimmten den Gipfel der
. zweiten Pyramide -- und gleichgiltig schauten die vier dienenden Geister von
ihren luftigen Sitzen herab, während die Karrenführer ihre Ochsen ins Joch
zwängten, und das Knarren und Quieken der ungeschmierten Räder verkündete,
der Zug habe sich in Bewegung gesetzt.

Nun, das war abgemacht -- aber der Koch war fort, und die Matratzen
ebenso, und wir mußten den Fuhren mit ihrem bedächtigen Ochftnschritt einen
Vorsprung von wenigstens vierundzwanzig Stunden geben. Die nothwendige
Folge davon war: ein unbequemes Nachtlager un'd magere Kost. Aber je
heiterer wir selbst über unser Zigeunerleben lachten, desto trüber färbte sich
der Himmel, desto schwärzer und schwerer wurden die Wolken. Die erste"
Tropfen fielen und eine halbe Stunde drauf hatte sich ein Landregen etablirt.


bestimmen," erwiederte ich. -— „Ihre Anstalten zur Badereise müssen Sie
doch schon im Winter beginnen," antwortete er.

„Seien Sie froh, daß Ihre Frau schon im Herbst angefangen hat zu
kränkeln."

Ich konnte nicht gleich klug werden aus den Worten .des Arztes; er hatte
aber ganz recht: will man in dem Badeort Starik ein Unterkommen finden,
so muß man, der Beschränktheit des Raumes wegen, schon im Winter dafür
Sorge tragen. Ich machte sogleich die nöthigen Schritte, und war so glück¬
lich, eine Wohnung zu finden.

ES war ein böser Winter, der von 35 auf 36, Tag für Tag wehte ein
schneidender Nordwind, und die Sonne kam immer nur auf wenige Stunden
zum Vorschein, als wollte sie uns aufziehn, daß wir unser Klima für ein süd¬
liches halten. Der Gesunde hatte Mühe gesund zu bleiben, der Leidende aber
litt gewaltig dabei, und als endlich die Störche und Schwalben erschienen,
ergab es sich, daß die Badereise nöthiger war als je.

Nun begann eine heillose Plackerei! Es mußten zwei Ochsenfüh¬
rer gemiethet werden; die Bauern fürchteten den Weg ins Gebirge, und
konnten sich lange nicht entschließen, einen Transport nach Starik zu über¬
nehmen; endlich, nach langem Hin- und Herreden, waren die Fuhren zur
Stelle. Jetzt ging es ans Ausladen; Matratzen, Kissen, Decken, Kasserole,
Tafelgeschirr, Teppiche, mit einem Wort, alles was zu nothdürftigen Cam¬
piren nothwendig ist, lag auf dem Nasen umher — dann kamen Kisten und
Säcke mit Mehl, Zucker, Kaffee und was man an Specereien in der Küche
braucht — und allmälig stiegen zwei Pyramiden aus den Körben der Karren
hervor und erhoben sich zu einer märchenhaften Höhe; der einen diente ein
Waschkübel als Schlußstein, der seine drei Beine wie ein telegraphisches Zei¬
chen in die Lust streckte, — Schilfmatten und Wollendecken wurden über das
Ganze gespannt; die Wäscherin und ein Zigeunermädchen klammerten sich an
den Waschkübel; der Koch und der Küchenjunge erklimmten den Gipfel der
. zweiten Pyramide — und gleichgiltig schauten die vier dienenden Geister von
ihren luftigen Sitzen herab, während die Karrenführer ihre Ochsen ins Joch
zwängten, und das Knarren und Quieken der ungeschmierten Räder verkündete,
der Zug habe sich in Bewegung gesetzt.

Nun, das war abgemacht — aber der Koch war fort, und die Matratzen
ebenso, und wir mußten den Fuhren mit ihrem bedächtigen Ochftnschritt einen
Vorsprung von wenigstens vierundzwanzig Stunden geben. Die nothwendige
Folge davon war: ein unbequemes Nachtlager un'd magere Kost. Aber je
heiterer wir selbst über unser Zigeunerleben lachten, desto trüber färbte sich
der Himmel, desto schwärzer und schwerer wurden die Wolken. Die erste«
Tropfen fielen und eine halbe Stunde drauf hatte sich ein Landregen etablirt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/146>, abgerufen am 22.12.2024.