Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.London führt, sucht sie gleich am ersten Tage seines Hierseins,auf, in der Erwar¬ Was findet er? Ein Winkelgäßchcn, das sich an seinem blinden Ende retorten¬ Sie soll niedergerissen werden, wenn nicht ein guter Nordostwind früher die London führt, sucht sie gleich am ersten Tage seines Hierseins,auf, in der Erwar¬ Was findet er? Ein Winkelgäßchcn, das sich an seinem blinden Ende retorten¬ Sie soll niedergerissen werden, wenn nicht ein guter Nordostwind früher die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103255"/> <p xml:id="ID_365" prev="#ID_364"> London führt, sucht sie gleich am ersten Tage seines Hierseins,auf, in der Erwar¬<lb/> tung, daß sie die schönste und bedeutendste aller londoner Straßen sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_366"> Was findet er? Ein Winkelgäßchcn, das sich an seinem blinden Ende retorten¬<lb/> mäßig erweitert, rechts die schmale Seitenfront«! des gegen Whitehall zu immerhin<lb/> imposanten Schatzkammergebäüdes, dann ein altes Eisengitter, das die Einsicht in<lb/> einen melancholischen Hof gestattet, aus dem ein dunkler, kasemattenarliger, Tag<lb/> und Nacht mit Gas beleuchteter Gang nach dem freundlichen Se. Jamespark führt,<lb/> und hart an jenem Gitter einige alte ans rohen Ziegeln aufgeworfene kleine Häus¬<lb/> chen mit engen hohen Fenstern, deren Angeln verrostet sein müssen, — denn auch<lb/> an den schönsten Sommertagen bleiben sie fest verschlossen, — mit kleinen Eingangs-<lb/> thüren, wie sie meilenweit in den ärmlicheren Vorstadtanartierem zu finden sind,<lb/> daran kleine Täfelchen ans Messing, worauf geschrieben, daß hier das Bureau des<lb/> Schatzes oder die Kanzlei des Ministeriums des Innern sei. — Die linke Fronte<lb/> von Dowuing-street wird zusammengesetzt ans einem großen Kehrichthaufen, der posi<lb/> alten Latten eingehegt ist; zwei schwarze Tafeln auf schwarzen morschen Stangen<lb/> verkünden seit Jahren, daß dieser Platz zu verkaufen ist, und sagen dem Einge¬<lb/> weihten, daß der Besitzer dieses Flecks wol eine fabelhafte Summe gefordert haben<lb/> müsse, denn wie wäre es sonst zu erklären, daß sich noch kein Käufer gefunden<lb/> hat? An den Kehrichthaufen lehnt sich eine alterschwache Mauer, ans der sich ge-<lb/> legentlich ein Ziegel loslöst, um auf den weichen Kehricht zu fallen, und an diese<lb/> Mauer lehnt sich ein kleines rnßgcschwärztes Hans, dem sich ein anderes von gleicher<lb/> Physiognomie in der erwähnten rctortcnförmigen Erweiterung des Sackgcißchcns an¬<lb/> schließt. Beide sind durch Balken gestützt, damit sie nicht zusammenbrechen. Vor<lb/> beiden stehen rothe .Grenadiere, die wahrscheinlich keine Ahnung davon haben, wes¬<lb/> halb sie ans der warmen Wachtstube heraus müssen, um diese Ruinen zu bewachen.<lb/> Vor beiden stehen den ganzen Tag über ein paar Wagen, deren Kutscher schlafen,<lb/> und aus beiden sieht man mindestens einmal in jeder Minute einen wichtigen<lb/> Menschen mit einem Actenbündel unter dem Arm herauskommen, und um die Ecke<lb/> verschwinden. Das siud die Ministerien des Auswärtigen nud der Colonien. Das<lb/> ist Downing-street, die unansehnlichste, schwärzeste, vcrsallendstc aller Straßen, aus<lb/> der je ein großes Reich mit seinen die Erde umspannenden Kolonien regiert wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_367" next="#ID_368"> Sie soll niedergerissen werden, wenn nicht ein guter Nordostwind früher die<lb/> Arbeit übernimmt. Nicht Dowuing-street allein, ihre ganze Umgebung, bis ans<lb/> Parlament, bis an die Themse, etwa 8W Klafter im Gevierte, ist bestimmt, den<lb/> Bauplatz sür eine Reihe von Gebänden, Höfen und Kartenanlagen abzugeben,<lb/> die zusammen das gouvernementale Quartier Londons bilden sollen. Es werden"<lb/> Jahre darüber vergehen, und wünschenswerth ist es in der That, daß hier nichts<lb/> übereilt wird. Es reißt sich gar rasch ein, wenn nur Geld genug vorhanden ist,<lb/> Bauplätze zu bezahlen. Es baut sich auch gar schnell in unserer Zeit, namentlich<lb/> hier i.n England, wo Maschinen die schwierigsten Steinmetzarbeiten verrichten. Aber<lb/> ein guter Bauplan ist eine seltene Sache geworden, wie man am besten -in Paris<lb/> sehen kann, über dessen Neubauten gar wunderbare Geschichten erzählr worden sind,<lb/> und an denen eben nichts Merkwürdiges ist, als die Hast, mit der man niederriß,<lb/> die Masse Häuser, die eingerissen wurde und die strategischen Linien, die der jungen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
London führt, sucht sie gleich am ersten Tage seines Hierseins,auf, in der Erwar¬
tung, daß sie die schönste und bedeutendste aller londoner Straßen sei.
Was findet er? Ein Winkelgäßchcn, das sich an seinem blinden Ende retorten¬
mäßig erweitert, rechts die schmale Seitenfront«! des gegen Whitehall zu immerhin
imposanten Schatzkammergebäüdes, dann ein altes Eisengitter, das die Einsicht in
einen melancholischen Hof gestattet, aus dem ein dunkler, kasemattenarliger, Tag
und Nacht mit Gas beleuchteter Gang nach dem freundlichen Se. Jamespark führt,
und hart an jenem Gitter einige alte ans rohen Ziegeln aufgeworfene kleine Häus¬
chen mit engen hohen Fenstern, deren Angeln verrostet sein müssen, — denn auch
an den schönsten Sommertagen bleiben sie fest verschlossen, — mit kleinen Eingangs-
thüren, wie sie meilenweit in den ärmlicheren Vorstadtanartierem zu finden sind,
daran kleine Täfelchen ans Messing, worauf geschrieben, daß hier das Bureau des
Schatzes oder die Kanzlei des Ministeriums des Innern sei. — Die linke Fronte
von Dowuing-street wird zusammengesetzt ans einem großen Kehrichthaufen, der posi
alten Latten eingehegt ist; zwei schwarze Tafeln auf schwarzen morschen Stangen
verkünden seit Jahren, daß dieser Platz zu verkaufen ist, und sagen dem Einge¬
weihten, daß der Besitzer dieses Flecks wol eine fabelhafte Summe gefordert haben
müsse, denn wie wäre es sonst zu erklären, daß sich noch kein Käufer gefunden
hat? An den Kehrichthaufen lehnt sich eine alterschwache Mauer, ans der sich ge-
legentlich ein Ziegel loslöst, um auf den weichen Kehricht zu fallen, und an diese
Mauer lehnt sich ein kleines rnßgcschwärztes Hans, dem sich ein anderes von gleicher
Physiognomie in der erwähnten rctortcnförmigen Erweiterung des Sackgcißchcns an¬
schließt. Beide sind durch Balken gestützt, damit sie nicht zusammenbrechen. Vor
beiden stehen rothe .Grenadiere, die wahrscheinlich keine Ahnung davon haben, wes¬
halb sie ans der warmen Wachtstube heraus müssen, um diese Ruinen zu bewachen.
Vor beiden stehen den ganzen Tag über ein paar Wagen, deren Kutscher schlafen,
und aus beiden sieht man mindestens einmal in jeder Minute einen wichtigen
Menschen mit einem Actenbündel unter dem Arm herauskommen, und um die Ecke
verschwinden. Das siud die Ministerien des Auswärtigen nud der Colonien. Das
ist Downing-street, die unansehnlichste, schwärzeste, vcrsallendstc aller Straßen, aus
der je ein großes Reich mit seinen die Erde umspannenden Kolonien regiert wurde.
Sie soll niedergerissen werden, wenn nicht ein guter Nordostwind früher die
Arbeit übernimmt. Nicht Dowuing-street allein, ihre ganze Umgebung, bis ans
Parlament, bis an die Themse, etwa 8W Klafter im Gevierte, ist bestimmt, den
Bauplatz sür eine Reihe von Gebänden, Höfen und Kartenanlagen abzugeben,
die zusammen das gouvernementale Quartier Londons bilden sollen. Es werden"
Jahre darüber vergehen, und wünschenswerth ist es in der That, daß hier nichts
übereilt wird. Es reißt sich gar rasch ein, wenn nur Geld genug vorhanden ist,
Bauplätze zu bezahlen. Es baut sich auch gar schnell in unserer Zeit, namentlich
hier i.n England, wo Maschinen die schwierigsten Steinmetzarbeiten verrichten. Aber
ein guter Bauplan ist eine seltene Sache geworden, wie man am besten -in Paris
sehen kann, über dessen Neubauten gar wunderbare Geschichten erzählr worden sind,
und an denen eben nichts Merkwürdiges ist, als die Hast, mit der man niederriß,
die Masse Häuser, die eingerissen wurde und die strategischen Linien, die der jungen
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