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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Gustavs III, gehörend zu verleugnen. Gegen das Eigenthum des Kronprinzen
war man ebenso circonspect, weniger gegen die arme Königin, die man plün¬
derte, wo es nur möglich war. Sie hatte einen sehr schönen Brautschmuck
vom König bekommen, außerdem Diamanten und Perlen bei jedesmaliger
Geburt eines der Königlichen Kinder. Bei diesen Gelegenheiten schenkte die
verwitwete Königin Ihrer Frau Schwiegertochter ebenfalls Schmuck und
mehre Male einen Ring mit einem Solitair. Von diesen Sachen erhielt die
Königin nur einen Theil zurück. Die Commission behauptete, das Neblige
gehöre der Krone; jedoch konnten sie Ihrer Majestät eine sehr schöne und
vollständige Parure, in sibirischem Amethyst mit Diamanten gefaßt, nicht streitig
machen, da eS zu bekannt war, daß der König diese der Königin geschenkt,
die Amethysten hatte aus Rußland kommen und in Stockholm fassen lassen.

Die Commissäre zankten sich in Gegenwart der Majestäten um das Eigen¬
thum derselben, als seien Sie gar nicht zugegen. Der eine war sür, der
andere gegen die rechtmäßigen Ansprüche der hohen Gesangenen. Es war
ein höchst unangenehmer Auftritt, einer der kränkendsten für die Majestäten.

Es war eine kalte, grausige Winternacht, die Königliche Familie, ganz
reisefertig, war versammelt, die begleitenden Offiziere befanden sich im näm¬
lichen Zimmer, das Gefolge in dem daran stoßenden. Ein mit Pistolen wohl
bewaffneter Gardeoberst trat vor und zeigte einen Gouvernementsbefehl, der
ihn zum alleinigen Reisebegleiter des Kronprinzen ernannte. Er sollte diesen
auf einer andern Route als der der Majestäten nach Carlskrona führen.

Die Königin bot alles auf, was Mutterliebe vermag, um Ihren Sohn
bei Sich zu behalten, aber vergebens; die geschärften Befehle des Herzogs
von Südermanland durften nicht überschritten werden. Da umarmte die
Königin Ihren Sohn, segnete Ihn und führte Ihn zu Seinem Reisebegleiter
mit den Worten:

"Herr Oberst, ich vertraue Ihnen das Leben meines Sohnes, schützen
Sie Ihn und vergessen Sie nicht, daß einst eine Mutter und Gott Ihnen
Rechenschaft von dem Leben dieses Kindes abfordern werden. Leben Sie wohl!"

Der Offizier führte den Kronprinzen fort, der noch einen tröstenden Blick
auf Seine Eltern warf und zwischen der Wache verschwand, die Ihn begleitete.
Bald hörte man den Wagen über die Zugbrücke dahin rollen. Die Majestäten
wollten, daß vor Ihnen die drei Prinzessinnen in die Ihnen bestimmten
Wagen eingerichtet werden und diese dem Ihrigen vorausfahrcn sollten,
da notificirte der Gouverneur, daß der König allein reisen würde und
die Königin mit mehrer Bequemlichkeit mit den Prinzessinnen. Diesem
widersetzte sich Ihre Majestät entschieden und erklärte, Sie würde nicht
dem König von der Seite gehen. Vergebens stellte man Ihr vor, daß
Höchstderselbe die Reise bis Stralsund ohne auszuruhen machen würde, daß


Gustavs III, gehörend zu verleugnen. Gegen das Eigenthum des Kronprinzen
war man ebenso circonspect, weniger gegen die arme Königin, die man plün¬
derte, wo es nur möglich war. Sie hatte einen sehr schönen Brautschmuck
vom König bekommen, außerdem Diamanten und Perlen bei jedesmaliger
Geburt eines der Königlichen Kinder. Bei diesen Gelegenheiten schenkte die
verwitwete Königin Ihrer Frau Schwiegertochter ebenfalls Schmuck und
mehre Male einen Ring mit einem Solitair. Von diesen Sachen erhielt die
Königin nur einen Theil zurück. Die Commission behauptete, das Neblige
gehöre der Krone; jedoch konnten sie Ihrer Majestät eine sehr schöne und
vollständige Parure, in sibirischem Amethyst mit Diamanten gefaßt, nicht streitig
machen, da eS zu bekannt war, daß der König diese der Königin geschenkt,
die Amethysten hatte aus Rußland kommen und in Stockholm fassen lassen.

Die Commissäre zankten sich in Gegenwart der Majestäten um das Eigen¬
thum derselben, als seien Sie gar nicht zugegen. Der eine war sür, der
andere gegen die rechtmäßigen Ansprüche der hohen Gesangenen. Es war
ein höchst unangenehmer Auftritt, einer der kränkendsten für die Majestäten.

Es war eine kalte, grausige Winternacht, die Königliche Familie, ganz
reisefertig, war versammelt, die begleitenden Offiziere befanden sich im näm¬
lichen Zimmer, das Gefolge in dem daran stoßenden. Ein mit Pistolen wohl
bewaffneter Gardeoberst trat vor und zeigte einen Gouvernementsbefehl, der
ihn zum alleinigen Reisebegleiter des Kronprinzen ernannte. Er sollte diesen
auf einer andern Route als der der Majestäten nach Carlskrona führen.

Die Königin bot alles auf, was Mutterliebe vermag, um Ihren Sohn
bei Sich zu behalten, aber vergebens; die geschärften Befehle des Herzogs
von Südermanland durften nicht überschritten werden. Da umarmte die
Königin Ihren Sohn, segnete Ihn und führte Ihn zu Seinem Reisebegleiter
mit den Worten:

„Herr Oberst, ich vertraue Ihnen das Leben meines Sohnes, schützen
Sie Ihn und vergessen Sie nicht, daß einst eine Mutter und Gott Ihnen
Rechenschaft von dem Leben dieses Kindes abfordern werden. Leben Sie wohl!"

Der Offizier führte den Kronprinzen fort, der noch einen tröstenden Blick
auf Seine Eltern warf und zwischen der Wache verschwand, die Ihn begleitete.
Bald hörte man den Wagen über die Zugbrücke dahin rollen. Die Majestäten
wollten, daß vor Ihnen die drei Prinzessinnen in die Ihnen bestimmten
Wagen eingerichtet werden und diese dem Ihrigen vorausfahrcn sollten,
da notificirte der Gouverneur, daß der König allein reisen würde und
die Königin mit mehrer Bequemlichkeit mit den Prinzessinnen. Diesem
widersetzte sich Ihre Majestät entschieden und erklärte, Sie würde nicht
dem König von der Seite gehen. Vergebens stellte man Ihr vor, daß
Höchstderselbe die Reise bis Stralsund ohne auszuruhen machen würde, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/119>, abgerufen am 25.08.2024.