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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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stäten konnten den gestörten Schlaf nicht wiederfinden, und unterhielten Sich
lange von dem Unglück/welches Sie und Ihre Familie in diese schonungslose
und empörende Haft brachte. -- Dieser Vorfall war, als die hellen Nächte
aufgehört hatten.

Es war der Königlichen Familie erlaubt, Sich in einem von hohen Mauern
umgebenen Blumengarten zu ergehen, doch "nicht ohne Militärbegleitung, auch
ward der Garten von einer Seite von der Schildwache übersehen, die aus
diesem Theile des Walles ihren Posten hatte. Man kann also entnehmen,
wie ungenügend ein solcher Spaziergang war, der kaum frische Lust zuließ.

Am liebsten hielten Sich die Majestäten in einem Zimmer auf, dessen
Fenster nach dem schönen Mälarsee hinausgingen. Der Anblick des klaren
Sees und seiner grünen Ufer, die weißen Segel, die aus der Flut auftauchten,
und die Fischernachen, die auf den Wellen schaukelten, gaben ein freundliches
Bild; Sie sahen die Schiffchen gerne und hatten bemerkt, daß diese täglich
näher kamen. Eines Abends sahen Sie deren eine größere Anzahl, schön
mit Blumengewinden geschmückt, fröhlicher Gesang tönte weit über den See'/
endlich langten die Nachen unter den Fenstern an, und ein freudiges Hurrah
tönte aus denselben dem gefangenen Königspaare entgegen, das ans Fenster
getreten war. Aber in dem nämlichen Moment feuerte die Schildwache ihr
Gewehr ab, nicht auf die Fischer gerichtet, sondern auf die Majestäten. Die
Kugel pfiff über ihre Köpfe hinweg. Die Königin, einer Ohnmacht nahe,
mußte weggeführt werden; die ganze Garnison kam in Alarm; der Gouverneur
erschien bei den Majestäten, und suchte mit der Entschuldigung, daß die Schild¬
wache ihre Pflicht sehr unvorsichtig erfüllt, die hohen Gefangenen zugleich zu
unterrichten, daß jede Annäherung unberufener Personen einen solchen Em¬
pfang zu gewärtigen habe. Er fügte hinzu, es sei seine Pflicht, das Ereigniß
sogleich nach Stockholm zu berichten. Der König erwiederte nur, Er beauftrage
ihn, in den Bericht zu setzen, daß Er, der König, wünsche, der Vorfall möge
keinen Nachtheil den Fischern bringen. Die Antwort von Stockholm lautete:
"Den Majestäten sei es Ihrer eignen Sicherheit wegen hinfüro untersagt, Sich
an den nach dem See gelegenen Fenstern zü zeigen." ES erschienen von jenem
Tage an keine Schiffe mehr, als nur in der Ferne.

Der Kronprinz ward ebenso scharf als Sein Herr Vater bewacht. Wenn
Höchstderselbe Seine Eltern am Tage besuchte, was mehre Male geschah,
war es nur in Begleitung zweier wachthabenden Offiziere. Die Prinzessinnen
dagegen standen gar nicht unter Controle, nur durften Sie nicht über den ge¬
wissen Blumengarten hinaus. Die Königlichen Kinder wohnten eine Treppe
höher als die Eltern. Eine Wendeltreppe führte aus einer Etage in die
andere und hinunter in den Schloßhof.. Die älteste Princeß, damals neun
Jahre alt, des Zwanges überdrüssig, worunter Sie Ihren Bruder leiden sah,


stäten konnten den gestörten Schlaf nicht wiederfinden, und unterhielten Sich
lange von dem Unglück/welches Sie und Ihre Familie in diese schonungslose
und empörende Haft brachte. — Dieser Vorfall war, als die hellen Nächte
aufgehört hatten.

Es war der Königlichen Familie erlaubt, Sich in einem von hohen Mauern
umgebenen Blumengarten zu ergehen, doch «nicht ohne Militärbegleitung, auch
ward der Garten von einer Seite von der Schildwache übersehen, die aus
diesem Theile des Walles ihren Posten hatte. Man kann also entnehmen,
wie ungenügend ein solcher Spaziergang war, der kaum frische Lust zuließ.

Am liebsten hielten Sich die Majestäten in einem Zimmer auf, dessen
Fenster nach dem schönen Mälarsee hinausgingen. Der Anblick des klaren
Sees und seiner grünen Ufer, die weißen Segel, die aus der Flut auftauchten,
und die Fischernachen, die auf den Wellen schaukelten, gaben ein freundliches
Bild; Sie sahen die Schiffchen gerne und hatten bemerkt, daß diese täglich
näher kamen. Eines Abends sahen Sie deren eine größere Anzahl, schön
mit Blumengewinden geschmückt, fröhlicher Gesang tönte weit über den See'/
endlich langten die Nachen unter den Fenstern an, und ein freudiges Hurrah
tönte aus denselben dem gefangenen Königspaare entgegen, das ans Fenster
getreten war. Aber in dem nämlichen Moment feuerte die Schildwache ihr
Gewehr ab, nicht auf die Fischer gerichtet, sondern auf die Majestäten. Die
Kugel pfiff über ihre Köpfe hinweg. Die Königin, einer Ohnmacht nahe,
mußte weggeführt werden; die ganze Garnison kam in Alarm; der Gouverneur
erschien bei den Majestäten, und suchte mit der Entschuldigung, daß die Schild¬
wache ihre Pflicht sehr unvorsichtig erfüllt, die hohen Gefangenen zugleich zu
unterrichten, daß jede Annäherung unberufener Personen einen solchen Em¬
pfang zu gewärtigen habe. Er fügte hinzu, es sei seine Pflicht, das Ereigniß
sogleich nach Stockholm zu berichten. Der König erwiederte nur, Er beauftrage
ihn, in den Bericht zu setzen, daß Er, der König, wünsche, der Vorfall möge
keinen Nachtheil den Fischern bringen. Die Antwort von Stockholm lautete:
„Den Majestäten sei es Ihrer eignen Sicherheit wegen hinfüro untersagt, Sich
an den nach dem See gelegenen Fenstern zü zeigen." ES erschienen von jenem
Tage an keine Schiffe mehr, als nur in der Ferne.

Der Kronprinz ward ebenso scharf als Sein Herr Vater bewacht. Wenn
Höchstderselbe Seine Eltern am Tage besuchte, was mehre Male geschah,
war es nur in Begleitung zweier wachthabenden Offiziere. Die Prinzessinnen
dagegen standen gar nicht unter Controle, nur durften Sie nicht über den ge¬
wissen Blumengarten hinaus. Die Königlichen Kinder wohnten eine Treppe
höher als die Eltern. Eine Wendeltreppe führte aus einer Etage in die
andere und hinunter in den Schloßhof.. Die älteste Princeß, damals neun
Jahre alt, des Zwanges überdrüssig, worunter Sie Ihren Bruder leiden sah,


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[0117] stäten konnten den gestörten Schlaf nicht wiederfinden, und unterhielten Sich lange von dem Unglück/welches Sie und Ihre Familie in diese schonungslose und empörende Haft brachte. — Dieser Vorfall war, als die hellen Nächte aufgehört hatten. Es war der Königlichen Familie erlaubt, Sich in einem von hohen Mauern umgebenen Blumengarten zu ergehen, doch «nicht ohne Militärbegleitung, auch ward der Garten von einer Seite von der Schildwache übersehen, die aus diesem Theile des Walles ihren Posten hatte. Man kann also entnehmen, wie ungenügend ein solcher Spaziergang war, der kaum frische Lust zuließ. Am liebsten hielten Sich die Majestäten in einem Zimmer auf, dessen Fenster nach dem schönen Mälarsee hinausgingen. Der Anblick des klaren Sees und seiner grünen Ufer, die weißen Segel, die aus der Flut auftauchten, und die Fischernachen, die auf den Wellen schaukelten, gaben ein freundliches Bild; Sie sahen die Schiffchen gerne und hatten bemerkt, daß diese täglich näher kamen. Eines Abends sahen Sie deren eine größere Anzahl, schön mit Blumengewinden geschmückt, fröhlicher Gesang tönte weit über den See'/ endlich langten die Nachen unter den Fenstern an, und ein freudiges Hurrah tönte aus denselben dem gefangenen Königspaare entgegen, das ans Fenster getreten war. Aber in dem nämlichen Moment feuerte die Schildwache ihr Gewehr ab, nicht auf die Fischer gerichtet, sondern auf die Majestäten. Die Kugel pfiff über ihre Köpfe hinweg. Die Königin, einer Ohnmacht nahe, mußte weggeführt werden; die ganze Garnison kam in Alarm; der Gouverneur erschien bei den Majestäten, und suchte mit der Entschuldigung, daß die Schild¬ wache ihre Pflicht sehr unvorsichtig erfüllt, die hohen Gefangenen zugleich zu unterrichten, daß jede Annäherung unberufener Personen einen solchen Em¬ pfang zu gewärtigen habe. Er fügte hinzu, es sei seine Pflicht, das Ereigniß sogleich nach Stockholm zu berichten. Der König erwiederte nur, Er beauftrage ihn, in den Bericht zu setzen, daß Er, der König, wünsche, der Vorfall möge keinen Nachtheil den Fischern bringen. Die Antwort von Stockholm lautete: „Den Majestäten sei es Ihrer eignen Sicherheit wegen hinfüro untersagt, Sich an den nach dem See gelegenen Fenstern zü zeigen." ES erschienen von jenem Tage an keine Schiffe mehr, als nur in der Ferne. Der Kronprinz ward ebenso scharf als Sein Herr Vater bewacht. Wenn Höchstderselbe Seine Eltern am Tage besuchte, was mehre Male geschah, war es nur in Begleitung zweier wachthabenden Offiziere. Die Prinzessinnen dagegen standen gar nicht unter Controle, nur durften Sie nicht über den ge¬ wissen Blumengarten hinaus. Die Königlichen Kinder wohnten eine Treppe höher als die Eltern. Eine Wendeltreppe führte aus einer Etage in die andere und hinunter in den Schloßhof.. Die älteste Princeß, damals neun Jahre alt, des Zwanges überdrüssig, worunter Sie Ihren Bruder leiden sah,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/117>, abgerufen am 23.07.2024.