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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Wir zweifeln übrigens nicht, daß Amerikaner eS den Jrländern und
Engländern in der Liebhaberei für diese Absonderlichkeit bald nachmachen werden,
und daß Madame Tussauds berühmtes Wachsfigurcncabinet bald olympische
Concurrenten bekommt. Daß ein deutscher Künstler (Wolf) bereits denselben
Modeartikel zu verfertigen für rathsam hielt, haben wir schon erwähnt.

Gibson ist übrigens ein so tüchtiger Künstler, daß es zu wünschen wäre,
die unüberwindlichen Schwierigkeiten, Steinbilder befriedigend zu coloriren,
möchten ihm bald einen Vorwand geben, sich mit Anstand seiner polychromen
Grille zu entschlagen.

Gegenwärtig beschäftigt ihn wieder das farbige Steinbild einer Pandora.

Zu seiner Charakteristik erzählt Fama, daß kürzlich, als ein Engländer
an seinem Narcissus die fein ausgeführte Blume über alles bewunderte, er
diese, in einer Anwandlung von antikem Künstlerzorn herabschlagen ließ. Sprache
nicht sein ernstes, etwas reizbares Gesicht dafür, daß es ihm bei solchen Aus¬
brüchen wirklich Bedürfniß sei sich Lust zu machen, man wäre versucht, einen
pfiffigen Kopf und speculative Absichten dahinter zu wittern. Nicht nur muß
ja ein großer Mann auch etwas für die Anckdotenjäger sorge"; es verkauft
sich in Rom auch bekanntlich nichts besser, als was solchem Ereignis, seine
Verstümmlung verdankt. Es ist noch nicht vergessen, wie sich englische Lieb¬
haber um die Trümmer der Statue bemühten, mit welcher Thorwaldsen durch
den Fußboden seiner Werkstatt ins Untergeschoß hinabgestürzt war.

Unter Thorwaldsens Schülern verdient Pietro Tenerani (in des alten
Meisters früheren Atelier) besondere Erwähnung. Er folgt mit Liebe und großer
Begabung der Richtung seines Lehrers, und der Adel seiner persönlichen Er¬
scheinung steht im schönen Einklang mit den Kunstwerken, die er schafft. Wir
sahen in seiner Werkstatt das Modell eines Standbildes für den lebenden König
von Neapel, im Ordensgewande mit Mantel, die Rechte segnend erhoben, die
Linke das Scepter haltend. Er soll in München in Bronze gegossen und
dann in Messina aufgestellt werden. Man erinnert sich vielleicht, daß die
frühere Statue dieses nicht eben beliebten Fürsten beim Ausbruch der sicilia-
nischen Revolution -1847 zu Kanonen umgeschmolzen wurde.

Die Statue des Empörers Bolivar steht den Bourbonen friedlich gegen¬
über. Der ermordete Graf Rossi sitzt nicht weit davon im modernen Costüm;
ein feiner, denkender Kops. Unter den mythischen Darstellungen verdient die
Flora Beachtung, auch die zusammensinkende Psyche; unter den Heiligen der
Engel der Auferstehung, für das Grab des Grafen Stefan Karolyi in Pesth,'
so wie das Hautrelief der Kreuzabnahme für die ?orloniakapelle im Lateran.
Sie ist der großen Gruppe von Achtermann in einigen Zügen ähnlich. Die
Madonna steht auch hier und deckt mit einem Tuche die Wundenmale deS
Gekreuzigten. Dieser ruht ebenfalls auf einem Knie des Joseph von Arima-


Wir zweifeln übrigens nicht, daß Amerikaner eS den Jrländern und
Engländern in der Liebhaberei für diese Absonderlichkeit bald nachmachen werden,
und daß Madame Tussauds berühmtes Wachsfigurcncabinet bald olympische
Concurrenten bekommt. Daß ein deutscher Künstler (Wolf) bereits denselben
Modeartikel zu verfertigen für rathsam hielt, haben wir schon erwähnt.

Gibson ist übrigens ein so tüchtiger Künstler, daß es zu wünschen wäre,
die unüberwindlichen Schwierigkeiten, Steinbilder befriedigend zu coloriren,
möchten ihm bald einen Vorwand geben, sich mit Anstand seiner polychromen
Grille zu entschlagen.

Gegenwärtig beschäftigt ihn wieder das farbige Steinbild einer Pandora.

Zu seiner Charakteristik erzählt Fama, daß kürzlich, als ein Engländer
an seinem Narcissus die fein ausgeführte Blume über alles bewunderte, er
diese, in einer Anwandlung von antikem Künstlerzorn herabschlagen ließ. Sprache
nicht sein ernstes, etwas reizbares Gesicht dafür, daß es ihm bei solchen Aus¬
brüchen wirklich Bedürfniß sei sich Lust zu machen, man wäre versucht, einen
pfiffigen Kopf und speculative Absichten dahinter zu wittern. Nicht nur muß
ja ein großer Mann auch etwas für die Anckdotenjäger sorge»; es verkauft
sich in Rom auch bekanntlich nichts besser, als was solchem Ereignis, seine
Verstümmlung verdankt. Es ist noch nicht vergessen, wie sich englische Lieb¬
haber um die Trümmer der Statue bemühten, mit welcher Thorwaldsen durch
den Fußboden seiner Werkstatt ins Untergeschoß hinabgestürzt war.

Unter Thorwaldsens Schülern verdient Pietro Tenerani (in des alten
Meisters früheren Atelier) besondere Erwähnung. Er folgt mit Liebe und großer
Begabung der Richtung seines Lehrers, und der Adel seiner persönlichen Er¬
scheinung steht im schönen Einklang mit den Kunstwerken, die er schafft. Wir
sahen in seiner Werkstatt das Modell eines Standbildes für den lebenden König
von Neapel, im Ordensgewande mit Mantel, die Rechte segnend erhoben, die
Linke das Scepter haltend. Er soll in München in Bronze gegossen und
dann in Messina aufgestellt werden. Man erinnert sich vielleicht, daß die
frühere Statue dieses nicht eben beliebten Fürsten beim Ausbruch der sicilia-
nischen Revolution -1847 zu Kanonen umgeschmolzen wurde.

Die Statue des Empörers Bolivar steht den Bourbonen friedlich gegen¬
über. Der ermordete Graf Rossi sitzt nicht weit davon im modernen Costüm;
ein feiner, denkender Kops. Unter den mythischen Darstellungen verdient die
Flora Beachtung, auch die zusammensinkende Psyche; unter den Heiligen der
Engel der Auferstehung, für das Grab des Grafen Stefan Karolyi in Pesth,'
so wie das Hautrelief der Kreuzabnahme für die ?orloniakapelle im Lateran.
Sie ist der großen Gruppe von Achtermann in einigen Zügen ähnlich. Die
Madonna steht auch hier und deckt mit einem Tuche die Wundenmale deS
Gekreuzigten. Dieser ruht ebenfalls auf einem Knie des Joseph von Arima-


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[0076] Wir zweifeln übrigens nicht, daß Amerikaner eS den Jrländern und Engländern in der Liebhaberei für diese Absonderlichkeit bald nachmachen werden, und daß Madame Tussauds berühmtes Wachsfigurcncabinet bald olympische Concurrenten bekommt. Daß ein deutscher Künstler (Wolf) bereits denselben Modeartikel zu verfertigen für rathsam hielt, haben wir schon erwähnt. Gibson ist übrigens ein so tüchtiger Künstler, daß es zu wünschen wäre, die unüberwindlichen Schwierigkeiten, Steinbilder befriedigend zu coloriren, möchten ihm bald einen Vorwand geben, sich mit Anstand seiner polychromen Grille zu entschlagen. Gegenwärtig beschäftigt ihn wieder das farbige Steinbild einer Pandora. Zu seiner Charakteristik erzählt Fama, daß kürzlich, als ein Engländer an seinem Narcissus die fein ausgeführte Blume über alles bewunderte, er diese, in einer Anwandlung von antikem Künstlerzorn herabschlagen ließ. Sprache nicht sein ernstes, etwas reizbares Gesicht dafür, daß es ihm bei solchen Aus¬ brüchen wirklich Bedürfniß sei sich Lust zu machen, man wäre versucht, einen pfiffigen Kopf und speculative Absichten dahinter zu wittern. Nicht nur muß ja ein großer Mann auch etwas für die Anckdotenjäger sorge»; es verkauft sich in Rom auch bekanntlich nichts besser, als was solchem Ereignis, seine Verstümmlung verdankt. Es ist noch nicht vergessen, wie sich englische Lieb¬ haber um die Trümmer der Statue bemühten, mit welcher Thorwaldsen durch den Fußboden seiner Werkstatt ins Untergeschoß hinabgestürzt war. Unter Thorwaldsens Schülern verdient Pietro Tenerani (in des alten Meisters früheren Atelier) besondere Erwähnung. Er folgt mit Liebe und großer Begabung der Richtung seines Lehrers, und der Adel seiner persönlichen Er¬ scheinung steht im schönen Einklang mit den Kunstwerken, die er schafft. Wir sahen in seiner Werkstatt das Modell eines Standbildes für den lebenden König von Neapel, im Ordensgewande mit Mantel, die Rechte segnend erhoben, die Linke das Scepter haltend. Er soll in München in Bronze gegossen und dann in Messina aufgestellt werden. Man erinnert sich vielleicht, daß die frühere Statue dieses nicht eben beliebten Fürsten beim Ausbruch der sicilia- nischen Revolution -1847 zu Kanonen umgeschmolzen wurde. Die Statue des Empörers Bolivar steht den Bourbonen friedlich gegen¬ über. Der ermordete Graf Rossi sitzt nicht weit davon im modernen Costüm; ein feiner, denkender Kops. Unter den mythischen Darstellungen verdient die Flora Beachtung, auch die zusammensinkende Psyche; unter den Heiligen der Engel der Auferstehung, für das Grab des Grafen Stefan Karolyi in Pesth,' so wie das Hautrelief der Kreuzabnahme für die ?orloniakapelle im Lateran. Sie ist der großen Gruppe von Achtermann in einigen Zügen ähnlich. Die Madonna steht auch hier und deckt mit einem Tuche die Wundenmale deS Gekreuzigten. Dieser ruht ebenfalls auf einem Knie des Joseph von Arima-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/76>, abgerufen am 23.07.2024.