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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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immer gut verkäuflich sind. Dahin gehört namentlich eine ganze Reihe von
Kindern, theils als Jahreszeiten, theils als Cupidos, als Hirtenknaben, Fi¬
scherinnen, Faunen, Blumenmädchen :c. Sie sind mit vielem Geschmack er¬
funden und füllen immer ihren Platz aus; weiter läßt sich nicht viel darüber
sagen. Für die berliner Schloßbrücke führte er die erste der dort aufgestellten
Gruppen aus; außerdem arbeitete er sür den König von Preußen: einen Hir¬
ten mit der Tibia, einen Jäger, eine Hebe und Ganymed, einen Fischer, einen
kolossalen Prometheus. Wolf war oder ist noch preußischer Pensionär. Auch
eine bemalte Skulptur, eine Kanevhore mit vergoldeter Tunica und fleischfar¬
benem Gesicht, finden wir unter seinen Arbeiten. Sie ging nach Genf.

Wir können hier von den deutschen Künstlern Abschied nehmen, da es
zusweit führen würde, sich in allen Kunstwerkstätten umzusehen.

Die Erwähnung der bemalten Figur bietet uns Veranlassung zu dem
Wiederbeleber dieser Methode zweifelhaften Alters überzugehen, zu dem Eng¬
länder Gibson nämlich, Mitglied der königl. Akademie, wie auch der römi¬
schen Akademie von Se. Lucas.

Wir finden ihn in seinem gartenartigen Atelier der Via pella Fontana,
beschäftigt, das kolossale Monument der Königin Victoria durch die zweite
Seitensigur, die Gnade, zu vervollständigen. Sie trägt die Attribute der an¬
tiken Herolde, Schwert und Oelzweig. Ihr Blick ist ernst, fast trübe. Die
Gerechtigkeit kommt bei der Aufstellung auf die andere Seite der Königin;
diese hält in der Linken das Scepter, in der herabhängenden Rechten den
Lorbeerkranz. Das ganze Denkmal ist sür das neue Parlamenthaus bestimmt.
Die beiden beschriebenen Figuren (die Justitia fehlte noch) sind einfach und,
so weit sie allein stehend zu beurtheilen sind, von guter Wirkung. Die Köni¬
gin war im Gypsabguß zu sehen, die Gnade noch im Thon. Beide sitzen.
Außerdem sahen wir die Abgüsse der Portalstatuen von Stephenson in Liver¬
pool, Robert Peel in ver Westminsterabtei, Huskisson in Liverpool, der Kö¬
nigin in Buckinghampalast und Osborne und manche andere, minder bekannte.
Die übrigen Sculpturen sind größtentheils dem Gebiete der Mythe entnommen;
wir erwähnen Mars und Cupido, Psyche von Zephyren getragen, sehr gewagt,
Cupido mit Pfeil, Cupido mit Schmetterling, badende Nymphe, Hylas und
zwei Nymphen, Narcissus, Proserpina, Aurora :c. Unter den Basreliefs
zeichnet sich Phaöton aus.

Ernst, guter Geschmack und frische Erfindung sprechen sich in den meisten
der Arbeiten Gibsons aus. Um so wunderbarer ist eS, wie dieser Künstler,
in dem Bestreben, der Antike noch näher zu kommen, auf den geschmacklosen
Einfall verfiel, einzelne seiner Figuren zu bemalen.

Bekanntlich ist an vielen Statuen früherer Zeiten der Beweis zu führen,
daß einzelne Theile farbigen Schmuck trugen; namentlich scheint man das


immer gut verkäuflich sind. Dahin gehört namentlich eine ganze Reihe von
Kindern, theils als Jahreszeiten, theils als Cupidos, als Hirtenknaben, Fi¬
scherinnen, Faunen, Blumenmädchen :c. Sie sind mit vielem Geschmack er¬
funden und füllen immer ihren Platz aus; weiter läßt sich nicht viel darüber
sagen. Für die berliner Schloßbrücke führte er die erste der dort aufgestellten
Gruppen aus; außerdem arbeitete er sür den König von Preußen: einen Hir¬
ten mit der Tibia, einen Jäger, eine Hebe und Ganymed, einen Fischer, einen
kolossalen Prometheus. Wolf war oder ist noch preußischer Pensionär. Auch
eine bemalte Skulptur, eine Kanevhore mit vergoldeter Tunica und fleischfar¬
benem Gesicht, finden wir unter seinen Arbeiten. Sie ging nach Genf.

Wir können hier von den deutschen Künstlern Abschied nehmen, da es
zusweit führen würde, sich in allen Kunstwerkstätten umzusehen.

Die Erwähnung der bemalten Figur bietet uns Veranlassung zu dem
Wiederbeleber dieser Methode zweifelhaften Alters überzugehen, zu dem Eng¬
länder Gibson nämlich, Mitglied der königl. Akademie, wie auch der römi¬
schen Akademie von Se. Lucas.

Wir finden ihn in seinem gartenartigen Atelier der Via pella Fontana,
beschäftigt, das kolossale Monument der Königin Victoria durch die zweite
Seitensigur, die Gnade, zu vervollständigen. Sie trägt die Attribute der an¬
tiken Herolde, Schwert und Oelzweig. Ihr Blick ist ernst, fast trübe. Die
Gerechtigkeit kommt bei der Aufstellung auf die andere Seite der Königin;
diese hält in der Linken das Scepter, in der herabhängenden Rechten den
Lorbeerkranz. Das ganze Denkmal ist sür das neue Parlamenthaus bestimmt.
Die beiden beschriebenen Figuren (die Justitia fehlte noch) sind einfach und,
so weit sie allein stehend zu beurtheilen sind, von guter Wirkung. Die Köni¬
gin war im Gypsabguß zu sehen, die Gnade noch im Thon. Beide sitzen.
Außerdem sahen wir die Abgüsse der Portalstatuen von Stephenson in Liver¬
pool, Robert Peel in ver Westminsterabtei, Huskisson in Liverpool, der Kö¬
nigin in Buckinghampalast und Osborne und manche andere, minder bekannte.
Die übrigen Sculpturen sind größtentheils dem Gebiete der Mythe entnommen;
wir erwähnen Mars und Cupido, Psyche von Zephyren getragen, sehr gewagt,
Cupido mit Pfeil, Cupido mit Schmetterling, badende Nymphe, Hylas und
zwei Nymphen, Narcissus, Proserpina, Aurora :c. Unter den Basreliefs
zeichnet sich Phaöton aus.

Ernst, guter Geschmack und frische Erfindung sprechen sich in den meisten
der Arbeiten Gibsons aus. Um so wunderbarer ist eS, wie dieser Künstler,
in dem Bestreben, der Antike noch näher zu kommen, auf den geschmacklosen
Einfall verfiel, einzelne seiner Figuren zu bemalen.

Bekanntlich ist an vielen Statuen früherer Zeiten der Beweis zu führen,
daß einzelne Theile farbigen Schmuck trugen; namentlich scheint man das


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[0074] immer gut verkäuflich sind. Dahin gehört namentlich eine ganze Reihe von Kindern, theils als Jahreszeiten, theils als Cupidos, als Hirtenknaben, Fi¬ scherinnen, Faunen, Blumenmädchen :c. Sie sind mit vielem Geschmack er¬ funden und füllen immer ihren Platz aus; weiter läßt sich nicht viel darüber sagen. Für die berliner Schloßbrücke führte er die erste der dort aufgestellten Gruppen aus; außerdem arbeitete er sür den König von Preußen: einen Hir¬ ten mit der Tibia, einen Jäger, eine Hebe und Ganymed, einen Fischer, einen kolossalen Prometheus. Wolf war oder ist noch preußischer Pensionär. Auch eine bemalte Skulptur, eine Kanevhore mit vergoldeter Tunica und fleischfar¬ benem Gesicht, finden wir unter seinen Arbeiten. Sie ging nach Genf. Wir können hier von den deutschen Künstlern Abschied nehmen, da es zusweit führen würde, sich in allen Kunstwerkstätten umzusehen. Die Erwähnung der bemalten Figur bietet uns Veranlassung zu dem Wiederbeleber dieser Methode zweifelhaften Alters überzugehen, zu dem Eng¬ länder Gibson nämlich, Mitglied der königl. Akademie, wie auch der römi¬ schen Akademie von Se. Lucas. Wir finden ihn in seinem gartenartigen Atelier der Via pella Fontana, beschäftigt, das kolossale Monument der Königin Victoria durch die zweite Seitensigur, die Gnade, zu vervollständigen. Sie trägt die Attribute der an¬ tiken Herolde, Schwert und Oelzweig. Ihr Blick ist ernst, fast trübe. Die Gerechtigkeit kommt bei der Aufstellung auf die andere Seite der Königin; diese hält in der Linken das Scepter, in der herabhängenden Rechten den Lorbeerkranz. Das ganze Denkmal ist sür das neue Parlamenthaus bestimmt. Die beiden beschriebenen Figuren (die Justitia fehlte noch) sind einfach und, so weit sie allein stehend zu beurtheilen sind, von guter Wirkung. Die Köni¬ gin war im Gypsabguß zu sehen, die Gnade noch im Thon. Beide sitzen. Außerdem sahen wir die Abgüsse der Portalstatuen von Stephenson in Liver¬ pool, Robert Peel in ver Westminsterabtei, Huskisson in Liverpool, der Kö¬ nigin in Buckinghampalast und Osborne und manche andere, minder bekannte. Die übrigen Sculpturen sind größtentheils dem Gebiete der Mythe entnommen; wir erwähnen Mars und Cupido, Psyche von Zephyren getragen, sehr gewagt, Cupido mit Pfeil, Cupido mit Schmetterling, badende Nymphe, Hylas und zwei Nymphen, Narcissus, Proserpina, Aurora :c. Unter den Basreliefs zeichnet sich Phaöton aus. Ernst, guter Geschmack und frische Erfindung sprechen sich in den meisten der Arbeiten Gibsons aus. Um so wunderbarer ist eS, wie dieser Künstler, in dem Bestreben, der Antike noch näher zu kommen, auf den geschmacklosen Einfall verfiel, einzelne seiner Figuren zu bemalen. Bekanntlich ist an vielen Statuen früherer Zeiten der Beweis zu führen, daß einzelne Theile farbigen Schmuck trugen; namentlich scheint man das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/74>, abgerufen am 23.07.2024.