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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Haus der Piaster Familienverbindungen, Einfluß und Ansetzn durch ganz
Deutschland. Die Herzöge suchen bei ihren Verwandten im Westen die Um¬
gürtung mit dem Nitterschwert nach und kleiden aus Courtoisie ihr Gesinde
in die Farben ihrer Schwertpathen; sie selbst schlagen ihre Adeligen mit dem
geraden deutschen Schwert und nicht mit dem krummen Slawensäbel zu Rit¬
tern, und gewöhnen sie, sich in Malvasier und Rheinfall, statt in altem Meth
zu berauschen; die Fräulein am Hofe fordern von dem fahrenden Spielmann
deutsche Tanzreigen, ja auch die zierlichen Maße der deutschen Minnelieder
werden bewundert, und wir können entscheiden, wie einer der edelsten Piaster
mit den Schwierigkeiten der Stollen und Abgesänge fertig wurde.

So zog sich ein zahlreicher deutscher Adel in das Land, feine Herren
und abenteuernde Gesellen. Aus den deutschen Höflingen und ihren Vettern
wurden schnell schlesische Grundbesitzer, und an die Stelle der slawischen
Castellanci trat das deutsche Lehngut zu großem Aerger des einheimischen
Adels. Mehr aber noch als die fremden Grundherrn beförderte die Geistlich¬
keit deutsche Sitten. Priester und Mönche zogen unablässig von Westen her
in das halbwilde Land, und das Bisthum Breslau, im Jahr 1000 gegründet,
erwarb schon im Jahr 1200 durch Erbschaft die fürstliche Gewalt über daS
schlesische Herzogthum Reiße. Bis aus der Grafschaft Artois waren Augustiner¬
chorherren an die Oder gepilgert; auf einer Sandinsel der Oder, gegenüber
dem großen slawischen Markt, aus welchem 100 Jahr später die deutsche
Stadt Breslau wurde, hatten sie sich festgesetzt. Aus Pforte an der Saale
kamen noch vor dem 13. Jahrhundert arbeitsame Cisterzienser, gründeten daS
reiche Kloster Leubus, und verbreiteten sich schnell im Lande. Schwestern desselben
Ordens riefen aus Bamberg die heilige Hedwig, Gräfin von Meran, Ge¬
mahlin Herzogs Heinrich im Bart, und das prachtvolle Gebäude, welches der
Herzog den Nonnen in den Waldhügeln von Trebnitz errichten ließ, die starken
Steinmauern und das Dach von Blei, unter welchem mehr als 1-00 Dominas
für das Land beteten, erregte noch nach Jahrhunderten die Bewunderung
gereifter Männer. Merkwürdig schnell wurde die Landschaft mit Klöstern und
frommen Stiftungen besetzt. Und ein Bote des Polenkönigs, der von Krakau
her das Land durchzog bis an seine damalige Nordgrenze hinter Müncheberg,
der sah wol mit Verwunderung in Entfernungen von nur wenigen Meilen
am einsamen Waldstrich oder am fischreichen Fluß die neuen Gebäude eines
heiligen Hauses durch die Bäume schimmern, und hörte den Klang der Glocke
dort, wo sonst nur der Schrei der Raben und das Geheul des Wolfes
die Stille des Waldes unterbrochen hatte. Und jedes Kloster stand als ein
Festungswerk für deutsches Wesen. Denn jedem waren die ersten und vor¬
nehmsten der Brüder von Westen Hergekommen, alle holten von dort Belehrung;
Bücher und geistliche Stärkung. Schnell erkannten jetzt die Fürsten, Edelleute


Haus der Piaster Familienverbindungen, Einfluß und Ansetzn durch ganz
Deutschland. Die Herzöge suchen bei ihren Verwandten im Westen die Um¬
gürtung mit dem Nitterschwert nach und kleiden aus Courtoisie ihr Gesinde
in die Farben ihrer Schwertpathen; sie selbst schlagen ihre Adeligen mit dem
geraden deutschen Schwert und nicht mit dem krummen Slawensäbel zu Rit¬
tern, und gewöhnen sie, sich in Malvasier und Rheinfall, statt in altem Meth
zu berauschen; die Fräulein am Hofe fordern von dem fahrenden Spielmann
deutsche Tanzreigen, ja auch die zierlichen Maße der deutschen Minnelieder
werden bewundert, und wir können entscheiden, wie einer der edelsten Piaster
mit den Schwierigkeiten der Stollen und Abgesänge fertig wurde.

So zog sich ein zahlreicher deutscher Adel in das Land, feine Herren
und abenteuernde Gesellen. Aus den deutschen Höflingen und ihren Vettern
wurden schnell schlesische Grundbesitzer, und an die Stelle der slawischen
Castellanci trat das deutsche Lehngut zu großem Aerger des einheimischen
Adels. Mehr aber noch als die fremden Grundherrn beförderte die Geistlich¬
keit deutsche Sitten. Priester und Mönche zogen unablässig von Westen her
in das halbwilde Land, und das Bisthum Breslau, im Jahr 1000 gegründet,
erwarb schon im Jahr 1200 durch Erbschaft die fürstliche Gewalt über daS
schlesische Herzogthum Reiße. Bis aus der Grafschaft Artois waren Augustiner¬
chorherren an die Oder gepilgert; auf einer Sandinsel der Oder, gegenüber
dem großen slawischen Markt, aus welchem 100 Jahr später die deutsche
Stadt Breslau wurde, hatten sie sich festgesetzt. Aus Pforte an der Saale
kamen noch vor dem 13. Jahrhundert arbeitsame Cisterzienser, gründeten daS
reiche Kloster Leubus, und verbreiteten sich schnell im Lande. Schwestern desselben
Ordens riefen aus Bamberg die heilige Hedwig, Gräfin von Meran, Ge¬
mahlin Herzogs Heinrich im Bart, und das prachtvolle Gebäude, welches der
Herzog den Nonnen in den Waldhügeln von Trebnitz errichten ließ, die starken
Steinmauern und das Dach von Blei, unter welchem mehr als 1-00 Dominas
für das Land beteten, erregte noch nach Jahrhunderten die Bewunderung
gereifter Männer. Merkwürdig schnell wurde die Landschaft mit Klöstern und
frommen Stiftungen besetzt. Und ein Bote des Polenkönigs, der von Krakau
her das Land durchzog bis an seine damalige Nordgrenze hinter Müncheberg,
der sah wol mit Verwunderung in Entfernungen von nur wenigen Meilen
am einsamen Waldstrich oder am fischreichen Fluß die neuen Gebäude eines
heiligen Hauses durch die Bäume schimmern, und hörte den Klang der Glocke
dort, wo sonst nur der Schrei der Raben und das Geheul des Wolfes
die Stille des Waldes unterbrochen hatte. Und jedes Kloster stand als ein
Festungswerk für deutsches Wesen. Denn jedem waren die ersten und vor¬
nehmsten der Brüder von Westen Hergekommen, alle holten von dort Belehrung;
Bücher und geistliche Stärkung. Schnell erkannten jetzt die Fürsten, Edelleute


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[0052] Haus der Piaster Familienverbindungen, Einfluß und Ansetzn durch ganz Deutschland. Die Herzöge suchen bei ihren Verwandten im Westen die Um¬ gürtung mit dem Nitterschwert nach und kleiden aus Courtoisie ihr Gesinde in die Farben ihrer Schwertpathen; sie selbst schlagen ihre Adeligen mit dem geraden deutschen Schwert und nicht mit dem krummen Slawensäbel zu Rit¬ tern, und gewöhnen sie, sich in Malvasier und Rheinfall, statt in altem Meth zu berauschen; die Fräulein am Hofe fordern von dem fahrenden Spielmann deutsche Tanzreigen, ja auch die zierlichen Maße der deutschen Minnelieder werden bewundert, und wir können entscheiden, wie einer der edelsten Piaster mit den Schwierigkeiten der Stollen und Abgesänge fertig wurde. So zog sich ein zahlreicher deutscher Adel in das Land, feine Herren und abenteuernde Gesellen. Aus den deutschen Höflingen und ihren Vettern wurden schnell schlesische Grundbesitzer, und an die Stelle der slawischen Castellanci trat das deutsche Lehngut zu großem Aerger des einheimischen Adels. Mehr aber noch als die fremden Grundherrn beförderte die Geistlich¬ keit deutsche Sitten. Priester und Mönche zogen unablässig von Westen her in das halbwilde Land, und das Bisthum Breslau, im Jahr 1000 gegründet, erwarb schon im Jahr 1200 durch Erbschaft die fürstliche Gewalt über daS schlesische Herzogthum Reiße. Bis aus der Grafschaft Artois waren Augustiner¬ chorherren an die Oder gepilgert; auf einer Sandinsel der Oder, gegenüber dem großen slawischen Markt, aus welchem 100 Jahr später die deutsche Stadt Breslau wurde, hatten sie sich festgesetzt. Aus Pforte an der Saale kamen noch vor dem 13. Jahrhundert arbeitsame Cisterzienser, gründeten daS reiche Kloster Leubus, und verbreiteten sich schnell im Lande. Schwestern desselben Ordens riefen aus Bamberg die heilige Hedwig, Gräfin von Meran, Ge¬ mahlin Herzogs Heinrich im Bart, und das prachtvolle Gebäude, welches der Herzog den Nonnen in den Waldhügeln von Trebnitz errichten ließ, die starken Steinmauern und das Dach von Blei, unter welchem mehr als 1-00 Dominas für das Land beteten, erregte noch nach Jahrhunderten die Bewunderung gereifter Männer. Merkwürdig schnell wurde die Landschaft mit Klöstern und frommen Stiftungen besetzt. Und ein Bote des Polenkönigs, der von Krakau her das Land durchzog bis an seine damalige Nordgrenze hinter Müncheberg, der sah wol mit Verwunderung in Entfernungen von nur wenigen Meilen am einsamen Waldstrich oder am fischreichen Fluß die neuen Gebäude eines heiligen Hauses durch die Bäume schimmern, und hörte den Klang der Glocke dort, wo sonst nur der Schrei der Raben und das Geheul des Wolfes die Stille des Waldes unterbrochen hatte. Und jedes Kloster stand als ein Festungswerk für deutsches Wesen. Denn jedem waren die ersten und vor¬ nehmsten der Brüder von Westen Hergekommen, alle holten von dort Belehrung; Bücher und geistliche Stärkung. Schnell erkannten jetzt die Fürsten, Edelleute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/52>, abgerufen am 23.07.2024.