Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Nordbahn durch seine Gegenwart verherrlichen. Die Moderados beschuldigten
Espartero der gefährlichsten Pläne, und behaupteten, er wolle von Saragossa
ans, das er auch zu berühren gedachte, eine Demonstration machen, um die
Königin zur Entlassung O'Dönnels und einer Neubildung des Ccibinets im
Sinne der Puros zu zwingen. Die Folge bewies den Ungrund dieser Ge¬
rüchte. Daß es Esparteros Hauptzweck war, durch die Ovationen, die
in den Provinzen seiner harrten, seine Popularität mit einem neuen Nimbus
zu umgeben, ist wol nicht zu bezweifeln. Nachdem er vorher noch eine große
Revue über die Garnison und über die von Ferraz leider viel zu sehr an
Zahl vergrößerte Nationalmiliz der Stadt und Provinz Madrid gehalten hatte,
trat er in den letzten Tagen des April seine Reise an. Ueberall empfingen.
ihn Ehrenpforten, Adressen, Festbankete, die Huldigungen der Behörden und
Corporationen, der überströmende Enthusiasmus der Menge. Er schien mehr
als jemals der Mann der Nation, der unentbehrliche Vermittler zwischen-
Volk und Krone zu sein. Man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen,
daß seine Reden einen loyalen und gemäßigten Geist athmeten. Er ermahnte
mit ernsten Worten die Bevölkerungen zur Gesetzlichkeit und zur Treue gegen
die Königin, deren Person er stets gebührend voranstellte. Auch seine getreue
Stadt Saragossa, die im Lauf des Winters einige Aufstandsvelleitäten gezeigt
hatte, infolge deren Gurren im Amte des Generalcapitäns durch Falcon --
gleich jenem ein Esparterist -- ersetzt war, ließ er ähnliche Wahrheiten hören.
Nachdem er so die Runde durch Altcastilien und Aragonien gemacht, kehrte er
nach einer Abwesenheit von einigen Wochen von seinem Triumphzuge nach der
Hauptstadt zurück, die er nicht lange darauf, aller Macht wie aller Volksgunst
baar, unbeachtet und^ unbedanert verlassen sollte, zum zweiten Male ein warnen¬
des Beispiel des jähen Wechsels menschlicher Größe.

Allmälig stellte sich die Gewißheit heraus, daß die Cortes eine zweite
Vertagung ohne vorherige Proclamirung der Verfassung und die Verlängerung
ihrer Existenz um eine dritte Session beabsichtigten. Die Indifferenz, mit der
ihre bittersten Gegner das Kundwerden dieses Vorhabens aufnahmen, das
Schweigen O'Donnels, der ein Jahr vorher so leidenschaftlich die Vertagung
bekämpft hatte, hätte die Majorität, die sich mehr und mehr den Puros zu¬
neigte, warnen können. Die progressistische Partei war aber in einer unheil¬
baren Selbsttäuschung über ihre Macht befangen. Ein Neactionsversuch gegen
sie, die Ich auf Hunderttausende von Nationalmilizen und auf die Bevölke¬
rungen der großen Städte stützte,' mit einer wenig zahlreichen Armee, in welche
trotz allem Sträuben, O'Dommel nicht hatte umhin können, progressistischen
Generalen und Offizieren Eintritt zu gestatten, schien ihr jeder Aussicht des
Gelingens zu entbehren. Im Uebrigen hofften die Puros von der Fort¬
dauer der constituirenden Versammlung die völlige Oberhand ihrer Fraction


Grenzboten.-IV. 18S6. 64

Nordbahn durch seine Gegenwart verherrlichen. Die Moderados beschuldigten
Espartero der gefährlichsten Pläne, und behaupteten, er wolle von Saragossa
ans, das er auch zu berühren gedachte, eine Demonstration machen, um die
Königin zur Entlassung O'Dönnels und einer Neubildung des Ccibinets im
Sinne der Puros zu zwingen. Die Folge bewies den Ungrund dieser Ge¬
rüchte. Daß es Esparteros Hauptzweck war, durch die Ovationen, die
in den Provinzen seiner harrten, seine Popularität mit einem neuen Nimbus
zu umgeben, ist wol nicht zu bezweifeln. Nachdem er vorher noch eine große
Revue über die Garnison und über die von Ferraz leider viel zu sehr an
Zahl vergrößerte Nationalmiliz der Stadt und Provinz Madrid gehalten hatte,
trat er in den letzten Tagen des April seine Reise an. Ueberall empfingen.
ihn Ehrenpforten, Adressen, Festbankete, die Huldigungen der Behörden und
Corporationen, der überströmende Enthusiasmus der Menge. Er schien mehr
als jemals der Mann der Nation, der unentbehrliche Vermittler zwischen-
Volk und Krone zu sein. Man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen,
daß seine Reden einen loyalen und gemäßigten Geist athmeten. Er ermahnte
mit ernsten Worten die Bevölkerungen zur Gesetzlichkeit und zur Treue gegen
die Königin, deren Person er stets gebührend voranstellte. Auch seine getreue
Stadt Saragossa, die im Lauf des Winters einige Aufstandsvelleitäten gezeigt
hatte, infolge deren Gurren im Amte des Generalcapitäns durch Falcon —
gleich jenem ein Esparterist — ersetzt war, ließ er ähnliche Wahrheiten hören.
Nachdem er so die Runde durch Altcastilien und Aragonien gemacht, kehrte er
nach einer Abwesenheit von einigen Wochen von seinem Triumphzuge nach der
Hauptstadt zurück, die er nicht lange darauf, aller Macht wie aller Volksgunst
baar, unbeachtet und^ unbedanert verlassen sollte, zum zweiten Male ein warnen¬
des Beispiel des jähen Wechsels menschlicher Größe.

Allmälig stellte sich die Gewißheit heraus, daß die Cortes eine zweite
Vertagung ohne vorherige Proclamirung der Verfassung und die Verlängerung
ihrer Existenz um eine dritte Session beabsichtigten. Die Indifferenz, mit der
ihre bittersten Gegner das Kundwerden dieses Vorhabens aufnahmen, das
Schweigen O'Donnels, der ein Jahr vorher so leidenschaftlich die Vertagung
bekämpft hatte, hätte die Majorität, die sich mehr und mehr den Puros zu¬
neigte, warnen können. Die progressistische Partei war aber in einer unheil¬
baren Selbsttäuschung über ihre Macht befangen. Ein Neactionsversuch gegen
sie, die Ich auf Hunderttausende von Nationalmilizen und auf die Bevölke¬
rungen der großen Städte stützte,' mit einer wenig zahlreichen Armee, in welche
trotz allem Sträuben, O'Dommel nicht hatte umhin können, progressistischen
Generalen und Offizieren Eintritt zu gestatten, schien ihr jeder Aussicht des
Gelingens zu entbehren. Im Uebrigen hofften die Puros von der Fort¬
dauer der constituirenden Versammlung die völlige Oberhand ihrer Fraction


Grenzboten.-IV. 18S6. 64
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0513" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103108"/>
            <p xml:id="ID_1646" prev="#ID_1645"> Nordbahn durch seine Gegenwart verherrlichen. Die Moderados beschuldigten<lb/>
Espartero der gefährlichsten Pläne, und behaupteten, er wolle von Saragossa<lb/>
ans, das er auch zu berühren gedachte, eine Demonstration machen, um die<lb/>
Königin zur Entlassung O'Dönnels und einer Neubildung des Ccibinets im<lb/>
Sinne der Puros zu zwingen. Die Folge bewies den Ungrund dieser Ge¬<lb/>
rüchte. Daß es Esparteros Hauptzweck war, durch die Ovationen, die<lb/>
in den Provinzen seiner harrten, seine Popularität mit einem neuen Nimbus<lb/>
zu umgeben, ist wol nicht zu bezweifeln. Nachdem er vorher noch eine große<lb/>
Revue über die Garnison und über die von Ferraz leider viel zu sehr an<lb/>
Zahl vergrößerte Nationalmiliz der Stadt und Provinz Madrid gehalten hatte,<lb/>
trat er in den letzten Tagen des April seine Reise an. Ueberall empfingen.<lb/>
ihn Ehrenpforten, Adressen, Festbankete, die Huldigungen der Behörden und<lb/>
Corporationen, der überströmende Enthusiasmus der Menge. Er schien mehr<lb/>
als jemals der Mann der Nation, der unentbehrliche Vermittler zwischen-<lb/>
Volk und Krone zu sein. Man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen,<lb/>
daß seine Reden einen loyalen und gemäßigten Geist athmeten. Er ermahnte<lb/>
mit ernsten Worten die Bevölkerungen zur Gesetzlichkeit und zur Treue gegen<lb/>
die Königin, deren Person er stets gebührend voranstellte. Auch seine getreue<lb/>
Stadt Saragossa, die im Lauf des Winters einige Aufstandsvelleitäten gezeigt<lb/>
hatte, infolge deren Gurren im Amte des Generalcapitäns durch Falcon &#x2014;<lb/>
gleich jenem ein Esparterist &#x2014; ersetzt war, ließ er ähnliche Wahrheiten hören.<lb/>
Nachdem er so die Runde durch Altcastilien und Aragonien gemacht, kehrte er<lb/>
nach einer Abwesenheit von einigen Wochen von seinem Triumphzuge nach der<lb/>
Hauptstadt zurück, die er nicht lange darauf, aller Macht wie aller Volksgunst<lb/>
baar, unbeachtet und^ unbedanert verlassen sollte, zum zweiten Male ein warnen¬<lb/>
des Beispiel des jähen Wechsels menschlicher Größe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1647" next="#ID_1648"> Allmälig stellte sich die Gewißheit heraus, daß die Cortes eine zweite<lb/>
Vertagung ohne vorherige Proclamirung der Verfassung und die Verlängerung<lb/>
ihrer Existenz um eine dritte Session beabsichtigten. Die Indifferenz, mit der<lb/>
ihre bittersten Gegner das Kundwerden dieses Vorhabens aufnahmen, das<lb/>
Schweigen O'Donnels, der ein Jahr vorher so leidenschaftlich die Vertagung<lb/>
bekämpft hatte, hätte die Majorität, die sich mehr und mehr den Puros zu¬<lb/>
neigte, warnen können. Die progressistische Partei war aber in einer unheil¬<lb/>
baren Selbsttäuschung über ihre Macht befangen. Ein Neactionsversuch gegen<lb/>
sie, die Ich auf Hunderttausende von Nationalmilizen und auf die Bevölke¬<lb/>
rungen der großen Städte stützte,' mit einer wenig zahlreichen Armee, in welche<lb/>
trotz allem Sträuben, O'Dommel nicht hatte umhin können, progressistischen<lb/>
Generalen und Offizieren Eintritt zu gestatten, schien ihr jeder Aussicht des<lb/>
Gelingens zu entbehren. Im Uebrigen hofften die Puros von der Fort¬<lb/>
dauer der constituirenden Versammlung die völlige Oberhand ihrer Fraction</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten.-IV. 18S6. 64</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0513] Nordbahn durch seine Gegenwart verherrlichen. Die Moderados beschuldigten Espartero der gefährlichsten Pläne, und behaupteten, er wolle von Saragossa ans, das er auch zu berühren gedachte, eine Demonstration machen, um die Königin zur Entlassung O'Dönnels und einer Neubildung des Ccibinets im Sinne der Puros zu zwingen. Die Folge bewies den Ungrund dieser Ge¬ rüchte. Daß es Esparteros Hauptzweck war, durch die Ovationen, die in den Provinzen seiner harrten, seine Popularität mit einem neuen Nimbus zu umgeben, ist wol nicht zu bezweifeln. Nachdem er vorher noch eine große Revue über die Garnison und über die von Ferraz leider viel zu sehr an Zahl vergrößerte Nationalmiliz der Stadt und Provinz Madrid gehalten hatte, trat er in den letzten Tagen des April seine Reise an. Ueberall empfingen. ihn Ehrenpforten, Adressen, Festbankete, die Huldigungen der Behörden und Corporationen, der überströmende Enthusiasmus der Menge. Er schien mehr als jemals der Mann der Nation, der unentbehrliche Vermittler zwischen- Volk und Krone zu sein. Man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß seine Reden einen loyalen und gemäßigten Geist athmeten. Er ermahnte mit ernsten Worten die Bevölkerungen zur Gesetzlichkeit und zur Treue gegen die Königin, deren Person er stets gebührend voranstellte. Auch seine getreue Stadt Saragossa, die im Lauf des Winters einige Aufstandsvelleitäten gezeigt hatte, infolge deren Gurren im Amte des Generalcapitäns durch Falcon — gleich jenem ein Esparterist — ersetzt war, ließ er ähnliche Wahrheiten hören. Nachdem er so die Runde durch Altcastilien und Aragonien gemacht, kehrte er nach einer Abwesenheit von einigen Wochen von seinem Triumphzuge nach der Hauptstadt zurück, die er nicht lange darauf, aller Macht wie aller Volksgunst baar, unbeachtet und^ unbedanert verlassen sollte, zum zweiten Male ein warnen¬ des Beispiel des jähen Wechsels menschlicher Größe. Allmälig stellte sich die Gewißheit heraus, daß die Cortes eine zweite Vertagung ohne vorherige Proclamirung der Verfassung und die Verlängerung ihrer Existenz um eine dritte Session beabsichtigten. Die Indifferenz, mit der ihre bittersten Gegner das Kundwerden dieses Vorhabens aufnahmen, das Schweigen O'Donnels, der ein Jahr vorher so leidenschaftlich die Vertagung bekämpft hatte, hätte die Majorität, die sich mehr und mehr den Puros zu¬ neigte, warnen können. Die progressistische Partei war aber in einer unheil¬ baren Selbsttäuschung über ihre Macht befangen. Ein Neactionsversuch gegen sie, die Ich auf Hunderttausende von Nationalmilizen und auf die Bevölke¬ rungen der großen Städte stützte,' mit einer wenig zahlreichen Armee, in welche trotz allem Sträuben, O'Dommel nicht hatte umhin können, progressistischen Generalen und Offizieren Eintritt zu gestatten, schien ihr jeder Aussicht des Gelingens zu entbehren. Im Uebrigen hofften die Puros von der Fort¬ dauer der constituirenden Versammlung die völlige Oberhand ihrer Fraction Grenzboten.-IV. 18S6. 64

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/513
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/513>, abgerufen am 23.07.2024.