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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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gründete Macht der Geistlichkeit, das eigentliche Hinderniß jedes Fortschritts
in Spanien, gebrochen werden. Das Auftreten Pereires und der mit ihm
verbündeten Speculanten regte alsbald unter den spanischen Geldmännern eine
Concurrenz auf. Sie sahen durch die ihm gebotene Beihilfe den Staat im
Begriff, sich von ihren gewinnsüchtigen Händen zu emancipiren'und befürchteten
mit Recht, durch die dem auswärtigen Capital bewilligten Vortheile von den
neuen Bahnen, die sich dem Gewinn eröffneten, ausgeschlossen zu werden.
Diese doppelte Bewerbung konnte der Regierung nur erwünscht sein und schmei¬
chelte im Publicum und in den Cortes dem Nationalstolz. sowol die fran¬
zösische, als die spanische Creditgesellschaft wurden concesstonirt, ohne daß das
Cabinet rücksichtlich der Eisenbahnen und der Anleihe einer von beiden im
voraus sich verpflichtet hätte. Die Eisenbahngesetzentwürfe nahmen bald so
die Aufmerksamkeit der Cortes und der öffentlichen Meinung in Anspruch, daß
sie eine Zeitlang selbst die politischen Fragen und die sich daran knüpfenden
Besorgnisse in den Hintergrund zu drängen schienen.

Ernste Ereignisse ließen aber bald die letzteren wieder hervortreten. In
den ersten Tagen des April brach in Valencia, einem der Centralpunkte der
demokratischen Partei, aus Anlaß der Losung für die Conscription ein Auf¬
stand aus, bedeutender als alle, die Spanien seit dem Juli 18Si- gesehen
hatte. Der Generalcapitän, Villalonga, ein Moderado und von oft erprobter
Entschlossenheit, konnte mit der geringfügigen ihm zu Gebot stehenden Trup¬
penmacht die Empörung, der sich ein großer Theil der Nationalmiliz anschloß,
nicht bewältigen. Nach blutigem Kampfe fand er sich bewogen, den Insurgen¬
ten einen Vertrag zuzugestehen, der die Stadt größtentheils in ihrer Gewalt
ließ. In Madrid machten the darüber einlaufenden Nachrichten im Cabinet wie
in den Cortes den tiefsten Eindruck. Die ganze progressistische Partei, d. h.
fast die ganze Versammlung, trug dem Ministerium ihre Unterstützung an.
Letzteres suspendirte sofort Villalonga im Commando -- wie sich später heraus¬
stellte, war diese Maßregel unbillig -- und sendete den Minister des Aeußern
General Zabala als Commissarius mit außerordentlichen Vollmachten nach
Valencia, wohin Truppenverstärkungen schleunigst aufbrachen. Die Aufstän¬
dischen capitulirten jetzt ohne Widerstand, Zabala löste die Nationalmiliz auf,
setzte Kriegsgerichte ein, welche Tod über einige und Deportation über viele
Insurgenten verhängten und schaltete überhaupt mit solcher Strenge, daß
die demokratischen Abgeordneten der Cortes, die anfangs sich, sehr kleinlaut
gezeigt hatten, bald ein lautes Geschrei über Willkür erhoben.

Der Aufstand von Valencia halte eine seit einiger Zeit projectirte Reise
Esparteros in die Provinzen verzögert. Der ostensible Zweck war, den Ein¬
ladungen zu entsprechen, die Valladolid und Burgos an den Siegesherzog
gerichtet hatten, er möge die Feier der Grundsteinlegung der zu erbauenden


gründete Macht der Geistlichkeit, das eigentliche Hinderniß jedes Fortschritts
in Spanien, gebrochen werden. Das Auftreten Pereires und der mit ihm
verbündeten Speculanten regte alsbald unter den spanischen Geldmännern eine
Concurrenz auf. Sie sahen durch die ihm gebotene Beihilfe den Staat im
Begriff, sich von ihren gewinnsüchtigen Händen zu emancipiren'und befürchteten
mit Recht, durch die dem auswärtigen Capital bewilligten Vortheile von den
neuen Bahnen, die sich dem Gewinn eröffneten, ausgeschlossen zu werden.
Diese doppelte Bewerbung konnte der Regierung nur erwünscht sein und schmei¬
chelte im Publicum und in den Cortes dem Nationalstolz. sowol die fran¬
zösische, als die spanische Creditgesellschaft wurden concesstonirt, ohne daß das
Cabinet rücksichtlich der Eisenbahnen und der Anleihe einer von beiden im
voraus sich verpflichtet hätte. Die Eisenbahngesetzentwürfe nahmen bald so
die Aufmerksamkeit der Cortes und der öffentlichen Meinung in Anspruch, daß
sie eine Zeitlang selbst die politischen Fragen und die sich daran knüpfenden
Besorgnisse in den Hintergrund zu drängen schienen.

Ernste Ereignisse ließen aber bald die letzteren wieder hervortreten. In
den ersten Tagen des April brach in Valencia, einem der Centralpunkte der
demokratischen Partei, aus Anlaß der Losung für die Conscription ein Auf¬
stand aus, bedeutender als alle, die Spanien seit dem Juli 18Si- gesehen
hatte. Der Generalcapitän, Villalonga, ein Moderado und von oft erprobter
Entschlossenheit, konnte mit der geringfügigen ihm zu Gebot stehenden Trup¬
penmacht die Empörung, der sich ein großer Theil der Nationalmiliz anschloß,
nicht bewältigen. Nach blutigem Kampfe fand er sich bewogen, den Insurgen¬
ten einen Vertrag zuzugestehen, der die Stadt größtentheils in ihrer Gewalt
ließ. In Madrid machten the darüber einlaufenden Nachrichten im Cabinet wie
in den Cortes den tiefsten Eindruck. Die ganze progressistische Partei, d. h.
fast die ganze Versammlung, trug dem Ministerium ihre Unterstützung an.
Letzteres suspendirte sofort Villalonga im Commando — wie sich später heraus¬
stellte, war diese Maßregel unbillig — und sendete den Minister des Aeußern
General Zabala als Commissarius mit außerordentlichen Vollmachten nach
Valencia, wohin Truppenverstärkungen schleunigst aufbrachen. Die Aufstän¬
dischen capitulirten jetzt ohne Widerstand, Zabala löste die Nationalmiliz auf,
setzte Kriegsgerichte ein, welche Tod über einige und Deportation über viele
Insurgenten verhängten und schaltete überhaupt mit solcher Strenge, daß
die demokratischen Abgeordneten der Cortes, die anfangs sich, sehr kleinlaut
gezeigt hatten, bald ein lautes Geschrei über Willkür erhoben.

Der Aufstand von Valencia halte eine seit einiger Zeit projectirte Reise
Esparteros in die Provinzen verzögert. Der ostensible Zweck war, den Ein¬
ladungen zu entsprechen, die Valladolid und Burgos an den Siegesherzog
gerichtet hatten, er möge die Feier der Grundsteinlegung der zu erbauenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/512>, abgerufen am 23.07.2024.