Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stießen, stand eine Reihe von Eisbergen. Wir hatten keine Macht, ihnen
auszuweichen, und die einzige Frage war, ob wir an ihnen in Stücke zer¬
trümmert, oder in irgend einem Winkel dazwischen einen Zufluchtsort finden
winden. Wie wir ihnen jedoch näher kamen, bemerkten wir, daß sie sich in
einiger Entfernung von dem Findels befanden, und von demselben durch einen
Zwischenraum offnen Wassers getrennt waren. Unsere Hoffnung stieg, als
der Sturm uns nach dieser Oeffnung, und allmälig in dieselbe hineintrieb,
und wir waren schon bereit, auszujauchzen, als infolge einer unerklärten Ur¬
sache-- vielleicht durch einen Wirbelwind, der an den hohen Eiswänden
zurückprallte -- wir unser Fahrwasser verloren. Fast zu gleicher Zeit sahen
wir, daß die Eisberge nicht fest standen, daß sie mit ihrer eignen Schwerkraft
gegen das andere Eis andrangen, und daß unser Schicksal sei, zwischen beiven
zertrümmert zu werden."

"Schon trieb ein breites Schanzstück, ein nach unten ausgewaschener Eis¬
berg von Süden her gegen uns. Der Gedanke an eins unserer Rettungs¬
mittel in 'der Melvillebai durchzuckte mich: und während die Schanze schnell
an uns herankam, gelang es M. Hary, einen Anker in seine Seite "zu be¬
festigen, und mittelst einer Segelleine festzuhalten. Es war ein ängstlicher
Augenblick. Unser edles Schlepproß, weißer als das bleiche Flußpferd, das
uns zu verfolgen schien, zog uns tapfer an sich, während die Brandung an
seiner Windseite aufschlug, und sein Bordertheil die Masse des niederen Eises
wie in Verachtung aufpflügte. Die Berge umthürmter uns, wie wir vor¬
rückten. Der Kanalweg verengerte sich zu einer Weite von vielleicht i0 Fuß,
und wir streckten unsere Eisenstangen aus, um die herandrängenden Eiswände
fern zu halten."

"Wir kamen durch, aber es war eine starke Reibung -- so stark, daß
unser kleines Hafenboot in Stücke gegangen wäre, hätten wir es nicht aus
seinen Hängen gebracht. Wir befanden uns an dem Rande eines Eisbergs
in einer vergleichsweise offnen Bucht. Niemals haben muthgeprüste Männer
ihre Rettung von einem nahen Tod mit mehr Dankbarkeit begrüßt."

"Dieser Tag hatte der Gefahren genug; aber neue waren zu überstehen.
Ein Windstoß riß uns von unserm Schutzpatron, und der Sturm trieb uns
bald aus unserm Schlupfwinkel heraus. Wir standen wieder im Eis, zuweilen
seinem Druck durch Steuern entfliehend, zuweilen uns auf die Stärke der
Brigg, ihm Widerstand zu leisten, verlassend, manchmal von dem Orkan durch
die Eisfelder gejagt. Die Spitze unsers Bugsprietbaums war hinweggerissen;
wir nahmen unsere Cchutzwehren hinweg, und waren genöthigt, unsern kleinen'
Erie den Fluten hinter uns zu überlassen."

"Endlich nahm uns ein kleiner Winkel auf. Es war grade hinter einem
hohen Borsprung, der wie eine Mauer aufstieg und neben einem Eisberg, der


stießen, stand eine Reihe von Eisbergen. Wir hatten keine Macht, ihnen
auszuweichen, und die einzige Frage war, ob wir an ihnen in Stücke zer¬
trümmert, oder in irgend einem Winkel dazwischen einen Zufluchtsort finden
winden. Wie wir ihnen jedoch näher kamen, bemerkten wir, daß sie sich in
einiger Entfernung von dem Findels befanden, und von demselben durch einen
Zwischenraum offnen Wassers getrennt waren. Unsere Hoffnung stieg, als
der Sturm uns nach dieser Oeffnung, und allmälig in dieselbe hineintrieb,
und wir waren schon bereit, auszujauchzen, als infolge einer unerklärten Ur¬
sache— vielleicht durch einen Wirbelwind, der an den hohen Eiswänden
zurückprallte — wir unser Fahrwasser verloren. Fast zu gleicher Zeit sahen
wir, daß die Eisberge nicht fest standen, daß sie mit ihrer eignen Schwerkraft
gegen das andere Eis andrangen, und daß unser Schicksal sei, zwischen beiven
zertrümmert zu werden."

„Schon trieb ein breites Schanzstück, ein nach unten ausgewaschener Eis¬
berg von Süden her gegen uns. Der Gedanke an eins unserer Rettungs¬
mittel in 'der Melvillebai durchzuckte mich: und während die Schanze schnell
an uns herankam, gelang es M. Hary, einen Anker in seine Seite »zu be¬
festigen, und mittelst einer Segelleine festzuhalten. Es war ein ängstlicher
Augenblick. Unser edles Schlepproß, weißer als das bleiche Flußpferd, das
uns zu verfolgen schien, zog uns tapfer an sich, während die Brandung an
seiner Windseite aufschlug, und sein Bordertheil die Masse des niederen Eises
wie in Verachtung aufpflügte. Die Berge umthürmter uns, wie wir vor¬
rückten. Der Kanalweg verengerte sich zu einer Weite von vielleicht i0 Fuß,
und wir streckten unsere Eisenstangen aus, um die herandrängenden Eiswände
fern zu halten."

„Wir kamen durch, aber es war eine starke Reibung — so stark, daß
unser kleines Hafenboot in Stücke gegangen wäre, hätten wir es nicht aus
seinen Hängen gebracht. Wir befanden uns an dem Rande eines Eisbergs
in einer vergleichsweise offnen Bucht. Niemals haben muthgeprüste Männer
ihre Rettung von einem nahen Tod mit mehr Dankbarkeit begrüßt."

„Dieser Tag hatte der Gefahren genug; aber neue waren zu überstehen.
Ein Windstoß riß uns von unserm Schutzpatron, und der Sturm trieb uns
bald aus unserm Schlupfwinkel heraus. Wir standen wieder im Eis, zuweilen
seinem Druck durch Steuern entfliehend, zuweilen uns auf die Stärke der
Brigg, ihm Widerstand zu leisten, verlassend, manchmal von dem Orkan durch
die Eisfelder gejagt. Die Spitze unsers Bugsprietbaums war hinweggerissen;
wir nahmen unsere Cchutzwehren hinweg, und waren genöthigt, unsern kleinen'
Erie den Fluten hinter uns zu überlassen."

„Endlich nahm uns ein kleiner Winkel auf. Es war grade hinter einem
hohen Borsprung, der wie eine Mauer aufstieg und neben einem Eisberg, der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103088"/>
          <p xml:id="ID_1586" prev="#ID_1585"> stießen, stand eine Reihe von Eisbergen. Wir hatten keine Macht, ihnen<lb/>
auszuweichen, und die einzige Frage war, ob wir an ihnen in Stücke zer¬<lb/>
trümmert, oder in irgend einem Winkel dazwischen einen Zufluchtsort finden<lb/>
winden. Wie wir ihnen jedoch näher kamen, bemerkten wir, daß sie sich in<lb/>
einiger Entfernung von dem Findels befanden, und von demselben durch einen<lb/>
Zwischenraum offnen Wassers getrennt waren. Unsere Hoffnung stieg, als<lb/>
der Sturm uns nach dieser Oeffnung, und allmälig in dieselbe hineintrieb,<lb/>
und wir waren schon bereit, auszujauchzen, als infolge einer unerklärten Ur¬<lb/>
sache&#x2014; vielleicht durch einen Wirbelwind, der an den hohen Eiswänden<lb/>
zurückprallte &#x2014; wir unser Fahrwasser verloren. Fast zu gleicher Zeit sahen<lb/>
wir, daß die Eisberge nicht fest standen, daß sie mit ihrer eignen Schwerkraft<lb/>
gegen das andere Eis andrangen, und daß unser Schicksal sei, zwischen beiven<lb/>
zertrümmert zu werden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1587"> &#x201E;Schon trieb ein breites Schanzstück, ein nach unten ausgewaschener Eis¬<lb/>
berg von Süden her gegen uns. Der Gedanke an eins unserer Rettungs¬<lb/>
mittel in 'der Melvillebai durchzuckte mich: und während die Schanze schnell<lb/>
an uns herankam, gelang es M. Hary, einen Anker in seine Seite »zu be¬<lb/>
festigen, und mittelst einer Segelleine festzuhalten. Es war ein ängstlicher<lb/>
Augenblick. Unser edles Schlepproß, weißer als das bleiche Flußpferd, das<lb/>
uns zu verfolgen schien, zog uns tapfer an sich, während die Brandung an<lb/>
seiner Windseite aufschlug, und sein Bordertheil die Masse des niederen Eises<lb/>
wie in Verachtung aufpflügte. Die Berge umthürmter uns, wie wir vor¬<lb/>
rückten. Der Kanalweg verengerte sich zu einer Weite von vielleicht i0 Fuß,<lb/>
und wir streckten unsere Eisenstangen aus, um die herandrängenden Eiswände<lb/>
fern zu halten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1588"> &#x201E;Wir kamen durch, aber es war eine starke Reibung &#x2014; so stark, daß<lb/>
unser kleines Hafenboot in Stücke gegangen wäre, hätten wir es nicht aus<lb/>
seinen Hängen gebracht. Wir befanden uns an dem Rande eines Eisbergs<lb/>
in einer vergleichsweise offnen Bucht. Niemals haben muthgeprüste Männer<lb/>
ihre Rettung von einem nahen Tod mit mehr Dankbarkeit begrüßt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1589"> &#x201E;Dieser Tag hatte der Gefahren genug; aber neue waren zu überstehen.<lb/>
Ein Windstoß riß uns von unserm Schutzpatron, und der Sturm trieb uns<lb/>
bald aus unserm Schlupfwinkel heraus. Wir standen wieder im Eis, zuweilen<lb/>
seinem Druck durch Steuern entfliehend, zuweilen uns auf die Stärke der<lb/>
Brigg, ihm Widerstand zu leisten, verlassend, manchmal von dem Orkan durch<lb/>
die Eisfelder gejagt. Die Spitze unsers Bugsprietbaums war hinweggerissen;<lb/>
wir nahmen unsere Cchutzwehren hinweg, und waren genöthigt, unsern kleinen'<lb/>
Erie den Fluten hinter uns zu überlassen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1590" next="#ID_1591"> &#x201E;Endlich nahm uns ein kleiner Winkel auf. Es war grade hinter einem<lb/>
hohen Borsprung, der wie eine Mauer aufstieg und neben einem Eisberg, der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0493] stießen, stand eine Reihe von Eisbergen. Wir hatten keine Macht, ihnen auszuweichen, und die einzige Frage war, ob wir an ihnen in Stücke zer¬ trümmert, oder in irgend einem Winkel dazwischen einen Zufluchtsort finden winden. Wie wir ihnen jedoch näher kamen, bemerkten wir, daß sie sich in einiger Entfernung von dem Findels befanden, und von demselben durch einen Zwischenraum offnen Wassers getrennt waren. Unsere Hoffnung stieg, als der Sturm uns nach dieser Oeffnung, und allmälig in dieselbe hineintrieb, und wir waren schon bereit, auszujauchzen, als infolge einer unerklärten Ur¬ sache— vielleicht durch einen Wirbelwind, der an den hohen Eiswänden zurückprallte — wir unser Fahrwasser verloren. Fast zu gleicher Zeit sahen wir, daß die Eisberge nicht fest standen, daß sie mit ihrer eignen Schwerkraft gegen das andere Eis andrangen, und daß unser Schicksal sei, zwischen beiven zertrümmert zu werden." „Schon trieb ein breites Schanzstück, ein nach unten ausgewaschener Eis¬ berg von Süden her gegen uns. Der Gedanke an eins unserer Rettungs¬ mittel in 'der Melvillebai durchzuckte mich: und während die Schanze schnell an uns herankam, gelang es M. Hary, einen Anker in seine Seite »zu be¬ festigen, und mittelst einer Segelleine festzuhalten. Es war ein ängstlicher Augenblick. Unser edles Schlepproß, weißer als das bleiche Flußpferd, das uns zu verfolgen schien, zog uns tapfer an sich, während die Brandung an seiner Windseite aufschlug, und sein Bordertheil die Masse des niederen Eises wie in Verachtung aufpflügte. Die Berge umthürmter uns, wie wir vor¬ rückten. Der Kanalweg verengerte sich zu einer Weite von vielleicht i0 Fuß, und wir streckten unsere Eisenstangen aus, um die herandrängenden Eiswände fern zu halten." „Wir kamen durch, aber es war eine starke Reibung — so stark, daß unser kleines Hafenboot in Stücke gegangen wäre, hätten wir es nicht aus seinen Hängen gebracht. Wir befanden uns an dem Rande eines Eisbergs in einer vergleichsweise offnen Bucht. Niemals haben muthgeprüste Männer ihre Rettung von einem nahen Tod mit mehr Dankbarkeit begrüßt." „Dieser Tag hatte der Gefahren genug; aber neue waren zu überstehen. Ein Windstoß riß uns von unserm Schutzpatron, und der Sturm trieb uns bald aus unserm Schlupfwinkel heraus. Wir standen wieder im Eis, zuweilen seinem Druck durch Steuern entfliehend, zuweilen uns auf die Stärke der Brigg, ihm Widerstand zu leisten, verlassend, manchmal von dem Orkan durch die Eisfelder gejagt. Die Spitze unsers Bugsprietbaums war hinweggerissen; wir nahmen unsere Cchutzwehren hinweg, und waren genöthigt, unsern kleinen' Erie den Fluten hinter uns zu überlassen." „Endlich nahm uns ein kleiner Winkel auf. Es war grade hinter einem hohen Borsprung, der wie eine Mauer aufstieg und neben einem Eisberg, der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/493
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/493>, abgerufen am 23.07.2024.