Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dung sämmtlich durch die Flucht entzogen hatten, in Anklagezustand zu ver¬
setzen, sie blieb nicht einmal dabei stehen, die drei ihm vorangegangenen
Camarillaministerien mit in den Proceß zu ziehn, sondern sie setzte eine Com¬
mission mit dem Auftrage nieder, die Acte sämmtlicher Verwaltungen seit 18i3,
d. i. seit dem Sturz der Regentschaft Esparteros, zu untersuchen, alle pro-
gressistischen Aufstände und Militciremeuten seit dieser Zeit wurden nachträg¬
lich verherrlicht. Die dabei Gefallenen oder durch Kriegsrecht mit dem Tode
Bestraften wurden in ihrem Andenken rehabilitirt, die Ueberlebenden mit Me¬
daillen und Pensionen belohnt.. sämmtlichen seit jener Zeit ohne Pension
entlassenen progressistischen Beamten wurden ihre 11jährigen Rückstände zuer¬
kannt, eine Maßregel, die mit der Noth des Schatzes eben nicht harmonirte.
Selbst unter den liberalen Moderados erregte dies Verfahren, dem ein Theil
der gemäßigten Progressiven vergeblich entgegenarbeitete, Erbitterung und Un¬
willen. Sie fühlten sich mit beleidigt durch die Schmach, die man auf die Ver¬
gangenheit ihrer ganzen Partei zu werfen suchte. Männer, wie der Marschall
Concha, die anfangs lebhaft die Bildung der liberalen Union befördert hatten,
geriethen in die feindseligsten Controversen mit den Progresststen. O'Dommel
war genöthigt, in seiner amtlichen Stellung dem Strome nachzugeben und
wurde bald auch von der äußersten moderirten Rechten, die im Beginn der
Revolution noch auf ihn, alö eine Stütze geblickt hatte, mit nicht minder ge¬
hässiger Leidenschaft angegriffen, als von den Demokraten. Der Graf von
Lucera setzte allen diesen Anfeindungen eine stolze, unbeugsame Stirn entgegen.
Der Rede in nicht gewöhnlichem Grade mächtig, antwortete er seinen Geg¬
nern in der ihm eigenthümlichen kernigen, gedrungenen Weise. Obwol er
sich nie als "Progresststen" bekannte, sondern zum großen Aergerniß der eral-
tirten Mitglieder dieser Partei sich, seinem politischen Grundgedanken getreu,
stets nur einen "Liberalen" nannte, so hatte er doch thatsächlich den Principien
der gemäßigten Progresststen sich angeschlossen und, man darf glauben, daß er
damals noch die Hoffnung und den Wunsch hegte, mittelst der constituirenden
Cortes zu einer definitiven Ordnung der Verfassungsverhältnisse zu kommen
und aus dem Wege des Gesetzes gegen die zu breiten Grundlagen zu reagiren,
die nach seiner Ansicht die Julitage den Zuständen gegeben hatten.. Doch
hielt er fest an einer Verbindung, die nur sehr wenig progresststische Elemente
in sich schloß, und deren Ursprung aus seine eigne erste Schilderhebung vom
28. Juni zurückführt. Ihr Kern waren die Generale und höhern Offiziere,
die zu jener Zeit mit ihm gemeinschaftliche Sache gemacht, und die zum Theil
eine schnelle Beförderung erfahren hatten. Er wachte eifersüchtig darauf, gegen
alle Versuche Esparteros, sie in den einflußreichsten Posten, hauptsächlich an
der Spitze der Direktionen der drei Waffengattungen zu erhalten. Dieser Ver¬
ein, der in O'Dommel sein Haupt erkannte, und dem nur wenige nichtmilitäri-


dung sämmtlich durch die Flucht entzogen hatten, in Anklagezustand zu ver¬
setzen, sie blieb nicht einmal dabei stehen, die drei ihm vorangegangenen
Camarillaministerien mit in den Proceß zu ziehn, sondern sie setzte eine Com¬
mission mit dem Auftrage nieder, die Acte sämmtlicher Verwaltungen seit 18i3,
d. i. seit dem Sturz der Regentschaft Esparteros, zu untersuchen, alle pro-
gressistischen Aufstände und Militciremeuten seit dieser Zeit wurden nachträg¬
lich verherrlicht. Die dabei Gefallenen oder durch Kriegsrecht mit dem Tode
Bestraften wurden in ihrem Andenken rehabilitirt, die Ueberlebenden mit Me¬
daillen und Pensionen belohnt.. sämmtlichen seit jener Zeit ohne Pension
entlassenen progressistischen Beamten wurden ihre 11jährigen Rückstände zuer¬
kannt, eine Maßregel, die mit der Noth des Schatzes eben nicht harmonirte.
Selbst unter den liberalen Moderados erregte dies Verfahren, dem ein Theil
der gemäßigten Progressiven vergeblich entgegenarbeitete, Erbitterung und Un¬
willen. Sie fühlten sich mit beleidigt durch die Schmach, die man auf die Ver¬
gangenheit ihrer ganzen Partei zu werfen suchte. Männer, wie der Marschall
Concha, die anfangs lebhaft die Bildung der liberalen Union befördert hatten,
geriethen in die feindseligsten Controversen mit den Progresststen. O'Dommel
war genöthigt, in seiner amtlichen Stellung dem Strome nachzugeben und
wurde bald auch von der äußersten moderirten Rechten, die im Beginn der
Revolution noch auf ihn, alö eine Stütze geblickt hatte, mit nicht minder ge¬
hässiger Leidenschaft angegriffen, als von den Demokraten. Der Graf von
Lucera setzte allen diesen Anfeindungen eine stolze, unbeugsame Stirn entgegen.
Der Rede in nicht gewöhnlichem Grade mächtig, antwortete er seinen Geg¬
nern in der ihm eigenthümlichen kernigen, gedrungenen Weise. Obwol er
sich nie als „Progresststen" bekannte, sondern zum großen Aergerniß der eral-
tirten Mitglieder dieser Partei sich, seinem politischen Grundgedanken getreu,
stets nur einen „Liberalen" nannte, so hatte er doch thatsächlich den Principien
der gemäßigten Progresststen sich angeschlossen und, man darf glauben, daß er
damals noch die Hoffnung und den Wunsch hegte, mittelst der constituirenden
Cortes zu einer definitiven Ordnung der Verfassungsverhältnisse zu kommen
und aus dem Wege des Gesetzes gegen die zu breiten Grundlagen zu reagiren,
die nach seiner Ansicht die Julitage den Zuständen gegeben hatten.. Doch
hielt er fest an einer Verbindung, die nur sehr wenig progresststische Elemente
in sich schloß, und deren Ursprung aus seine eigne erste Schilderhebung vom
28. Juni zurückführt. Ihr Kern waren die Generale und höhern Offiziere,
die zu jener Zeit mit ihm gemeinschaftliche Sache gemacht, und die zum Theil
eine schnelle Beförderung erfahren hatten. Er wachte eifersüchtig darauf, gegen
alle Versuche Esparteros, sie in den einflußreichsten Posten, hauptsächlich an
der Spitze der Direktionen der drei Waffengattungen zu erhalten. Dieser Ver¬
ein, der in O'Dommel sein Haupt erkannte, und dem nur wenige nichtmilitäri-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103064"/>
            <p xml:id="ID_1500" prev="#ID_1499" next="#ID_1501"> dung sämmtlich durch die Flucht entzogen hatten, in Anklagezustand zu ver¬<lb/>
setzen, sie blieb nicht einmal dabei stehen, die drei ihm vorangegangenen<lb/>
Camarillaministerien mit in den Proceß zu ziehn, sondern sie setzte eine Com¬<lb/>
mission mit dem Auftrage nieder, die Acte sämmtlicher Verwaltungen seit 18i3,<lb/>
d. i. seit dem Sturz der Regentschaft Esparteros, zu untersuchen, alle pro-<lb/>
gressistischen Aufstände und Militciremeuten seit dieser Zeit wurden nachträg¬<lb/>
lich verherrlicht.  Die dabei Gefallenen oder durch Kriegsrecht mit dem Tode<lb/>
Bestraften wurden in ihrem Andenken rehabilitirt, die Ueberlebenden mit Me¬<lb/>
daillen und Pensionen belohnt.. sämmtlichen seit jener Zeit ohne Pension<lb/>
entlassenen progressistischen Beamten wurden ihre 11jährigen Rückstände zuer¬<lb/>
kannt, eine Maßregel, die mit der Noth des Schatzes eben nicht harmonirte.<lb/>
Selbst unter den liberalen Moderados erregte dies Verfahren, dem ein Theil<lb/>
der gemäßigten Progressiven vergeblich entgegenarbeitete, Erbitterung und Un¬<lb/>
willen. Sie fühlten sich mit beleidigt durch die Schmach, die man auf die Ver¬<lb/>
gangenheit ihrer ganzen Partei zu werfen suchte.  Männer, wie der Marschall<lb/>
Concha, die anfangs lebhaft die Bildung der liberalen Union befördert hatten,<lb/>
geriethen in die feindseligsten Controversen mit den Progresststen. O'Dommel<lb/>
war genöthigt, in seiner amtlichen Stellung dem Strome nachzugeben und<lb/>
wurde bald auch von der äußersten moderirten Rechten, die im Beginn der<lb/>
Revolution noch auf ihn, alö eine Stütze geblickt hatte, mit nicht minder ge¬<lb/>
hässiger Leidenschaft angegriffen, als von den Demokraten.  Der Graf von<lb/>
Lucera setzte allen diesen Anfeindungen eine stolze, unbeugsame Stirn entgegen.<lb/>
Der Rede in nicht gewöhnlichem Grade mächtig, antwortete er seinen Geg¬<lb/>
nern in der ihm eigenthümlichen kernigen, gedrungenen Weise.  Obwol er<lb/>
sich nie als &#x201E;Progresststen" bekannte, sondern zum großen Aergerniß der eral-<lb/>
tirten Mitglieder dieser Partei sich, seinem politischen Grundgedanken getreu,<lb/>
stets nur einen &#x201E;Liberalen" nannte, so hatte er doch thatsächlich den Principien<lb/>
der gemäßigten Progresststen sich angeschlossen und, man darf glauben, daß er<lb/>
damals noch die Hoffnung und den Wunsch hegte, mittelst der constituirenden<lb/>
Cortes zu einer definitiven Ordnung der Verfassungsverhältnisse zu kommen<lb/>
und aus dem Wege des Gesetzes gegen die zu breiten Grundlagen zu reagiren,<lb/>
die nach seiner Ansicht die Julitage den Zuständen gegeben hatten.. Doch<lb/>
hielt er fest an einer Verbindung, die nur sehr wenig progresststische Elemente<lb/>
in sich schloß, und deren Ursprung aus seine eigne erste Schilderhebung vom<lb/>
28. Juni zurückführt.  Ihr Kern waren die Generale und höhern Offiziere,<lb/>
die zu jener Zeit mit ihm gemeinschaftliche Sache gemacht, und die zum Theil<lb/>
eine schnelle Beförderung erfahren hatten. Er wachte eifersüchtig darauf, gegen<lb/>
alle Versuche Esparteros, sie in den einflußreichsten Posten, hauptsächlich an<lb/>
der Spitze der Direktionen der drei Waffengattungen zu erhalten. Dieser Ver¬<lb/>
ein, der in O'Dommel sein Haupt erkannte, und dem nur wenige nichtmilitäri-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] dung sämmtlich durch die Flucht entzogen hatten, in Anklagezustand zu ver¬ setzen, sie blieb nicht einmal dabei stehen, die drei ihm vorangegangenen Camarillaministerien mit in den Proceß zu ziehn, sondern sie setzte eine Com¬ mission mit dem Auftrage nieder, die Acte sämmtlicher Verwaltungen seit 18i3, d. i. seit dem Sturz der Regentschaft Esparteros, zu untersuchen, alle pro- gressistischen Aufstände und Militciremeuten seit dieser Zeit wurden nachträg¬ lich verherrlicht. Die dabei Gefallenen oder durch Kriegsrecht mit dem Tode Bestraften wurden in ihrem Andenken rehabilitirt, die Ueberlebenden mit Me¬ daillen und Pensionen belohnt.. sämmtlichen seit jener Zeit ohne Pension entlassenen progressistischen Beamten wurden ihre 11jährigen Rückstände zuer¬ kannt, eine Maßregel, die mit der Noth des Schatzes eben nicht harmonirte. Selbst unter den liberalen Moderados erregte dies Verfahren, dem ein Theil der gemäßigten Progressiven vergeblich entgegenarbeitete, Erbitterung und Un¬ willen. Sie fühlten sich mit beleidigt durch die Schmach, die man auf die Ver¬ gangenheit ihrer ganzen Partei zu werfen suchte. Männer, wie der Marschall Concha, die anfangs lebhaft die Bildung der liberalen Union befördert hatten, geriethen in die feindseligsten Controversen mit den Progresststen. O'Dommel war genöthigt, in seiner amtlichen Stellung dem Strome nachzugeben und wurde bald auch von der äußersten moderirten Rechten, die im Beginn der Revolution noch auf ihn, alö eine Stütze geblickt hatte, mit nicht minder ge¬ hässiger Leidenschaft angegriffen, als von den Demokraten. Der Graf von Lucera setzte allen diesen Anfeindungen eine stolze, unbeugsame Stirn entgegen. Der Rede in nicht gewöhnlichem Grade mächtig, antwortete er seinen Geg¬ nern in der ihm eigenthümlichen kernigen, gedrungenen Weise. Obwol er sich nie als „Progresststen" bekannte, sondern zum großen Aergerniß der eral- tirten Mitglieder dieser Partei sich, seinem politischen Grundgedanken getreu, stets nur einen „Liberalen" nannte, so hatte er doch thatsächlich den Principien der gemäßigten Progresststen sich angeschlossen und, man darf glauben, daß er damals noch die Hoffnung und den Wunsch hegte, mittelst der constituirenden Cortes zu einer definitiven Ordnung der Verfassungsverhältnisse zu kommen und aus dem Wege des Gesetzes gegen die zu breiten Grundlagen zu reagiren, die nach seiner Ansicht die Julitage den Zuständen gegeben hatten.. Doch hielt er fest an einer Verbindung, die nur sehr wenig progresststische Elemente in sich schloß, und deren Ursprung aus seine eigne erste Schilderhebung vom 28. Juni zurückführt. Ihr Kern waren die Generale und höhern Offiziere, die zu jener Zeit mit ihm gemeinschaftliche Sache gemacht, und die zum Theil eine schnelle Beförderung erfahren hatten. Er wachte eifersüchtig darauf, gegen alle Versuche Esparteros, sie in den einflußreichsten Posten, hauptsächlich an der Spitze der Direktionen der drei Waffengattungen zu erhalten. Dieser Ver¬ ein, der in O'Dommel sein Haupt erkannte, und dem nur wenige nichtmilitäri-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/469>, abgerufen am 26.08.2024.