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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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gen Dienstzeit, greifen müssen. Diese Wohlthat ward aber später auch auf
die dem Cabinet Sartorius treugeblicbenen Truppen ausgedehnt, theils weil
man ihre Zahl aus Vcsorgniß, die Reaction könne sich ihrer bemächtigen, nicht
ungern verringerte, theils weil man durch die alleinige Bevorzugung der Auf¬
ständischen den Geist des Heeres ganz zu verderben befürchtete. Außerdem
trat im December die gewöhnliche Entlassung der nach dem regelmäßige" Ver¬
laufe Ausgedienten ein. Somit wurde die Armee um diese Zeit so geschwächt,
daß die schlimmsten Folgen daraus erwachsen konnten. Auf der einen Seite
waren die Versuche der Revolutionäre zu befürchten, denen man mit der
Nationalmiliz um so weniger allein begegnen konnte, als ihre Zusammen¬
setzung ihnen sogar Aussichten gab, Beistand in ihren Reihen zu finden. Auf
der andern mußte man sich gefaßt machen, daß die Anhänger des Grafen voll
Montemolin mit nächstem das Banner des Aufstandes in verschiedenen Pro¬
vinzen des Reichs, wenn auch vorerst nur im Guerillakriege, erheben würden.
Denn seit der Revolution offenbarte sich unter der karlistischen Emigration eine
rastlose Thätigkeit. Die demokratische Partei agitirte eifrig für eine übermäßige
Beschränkung der Armee und für gänzliche Aufhebung der Conscription, einer
in Spanien von jeher höchst unpopulären Einrichtung. Ein mir angewor¬
benes Heer mußte schon in Betracht der Lage des Schatzes auf eine kleine
Zahl reducirt werden. Die Demokraten hofften damit dem gefürchtetsten ihrer
Gegner, O'Dommel, die Waffe aus der Hand zu winden, und rechneten auf
den Beistand Esparteros, der sich seiner Einflußlosigkeit über . die Truppen
bewußt war und dem es genehm sein mußte, die Macht seines Nebenbuhlers
zu schwächen. Der Siegesherzog zeigte sich auch längere Zeit diesen Bestre¬
bungen nicht unzugänglich. Wenigstens schien er geneigt, sich die Festsetzung
des stehenden Heeres auf nur SO,000 Mann gefallen zu lassen. Doch
O'Donnels Energie wußte diese Projecte zu vereiteln. Er stimmte Espartero
um, und hielt den Cork.es beredt die Seitens der Karlisten drohenden Gefahren
vor, an das Jahr 1833 erinnernd, wo der Mangel an militärischen Mitteln
aus dem Aufstand einen siebenjährigen Bürgerkrieg sich entwickeln ließ. Er
erhielt die von ihm geforderte Zahl von 70,000 Mann, die er als daS
Minimum bezeichnete, mit welchem er die Verantwortlichkeit für die Ruhe des
Landes übernehmen könne. Die Cousenption wurde auf 16,000 Mann fest¬
gestellt, statt der frühern 25,000 Mann jährlich, und dem Kriegsminister die
Befugniß ertheilt, den fehlenden Rest durch Anwerbungen zu ergänzen, was
derselbe für ausführbar erklärte. Den Finanzen erwuchs aus dieser immerhin
starken Reducnon eine wesentliche Erleichterung, und wenn die Armee auch
verhältnißmäßig schwach genannt werden mußte, so war sie doch nicht absolut
ungenügend. O'Dommel suchte den Abgang an Zahl durch bessere Organi¬
sation zu ersetzen, und ging sofort an die Bildung der ihm von den Cortes


gen Dienstzeit, greifen müssen. Diese Wohlthat ward aber später auch auf
die dem Cabinet Sartorius treugeblicbenen Truppen ausgedehnt, theils weil
man ihre Zahl aus Vcsorgniß, die Reaction könne sich ihrer bemächtigen, nicht
ungern verringerte, theils weil man durch die alleinige Bevorzugung der Auf¬
ständischen den Geist des Heeres ganz zu verderben befürchtete. Außerdem
trat im December die gewöhnliche Entlassung der nach dem regelmäßige» Ver¬
laufe Ausgedienten ein. Somit wurde die Armee um diese Zeit so geschwächt,
daß die schlimmsten Folgen daraus erwachsen konnten. Auf der einen Seite
waren die Versuche der Revolutionäre zu befürchten, denen man mit der
Nationalmiliz um so weniger allein begegnen konnte, als ihre Zusammen¬
setzung ihnen sogar Aussichten gab, Beistand in ihren Reihen zu finden. Auf
der andern mußte man sich gefaßt machen, daß die Anhänger des Grafen voll
Montemolin mit nächstem das Banner des Aufstandes in verschiedenen Pro¬
vinzen des Reichs, wenn auch vorerst nur im Guerillakriege, erheben würden.
Denn seit der Revolution offenbarte sich unter der karlistischen Emigration eine
rastlose Thätigkeit. Die demokratische Partei agitirte eifrig für eine übermäßige
Beschränkung der Armee und für gänzliche Aufhebung der Conscription, einer
in Spanien von jeher höchst unpopulären Einrichtung. Ein mir angewor¬
benes Heer mußte schon in Betracht der Lage des Schatzes auf eine kleine
Zahl reducirt werden. Die Demokraten hofften damit dem gefürchtetsten ihrer
Gegner, O'Dommel, die Waffe aus der Hand zu winden, und rechneten auf
den Beistand Esparteros, der sich seiner Einflußlosigkeit über . die Truppen
bewußt war und dem es genehm sein mußte, die Macht seines Nebenbuhlers
zu schwächen. Der Siegesherzog zeigte sich auch längere Zeit diesen Bestre¬
bungen nicht unzugänglich. Wenigstens schien er geneigt, sich die Festsetzung
des stehenden Heeres auf nur SO,000 Mann gefallen zu lassen. Doch
O'Donnels Energie wußte diese Projecte zu vereiteln. Er stimmte Espartero
um, und hielt den Cork.es beredt die Seitens der Karlisten drohenden Gefahren
vor, an das Jahr 1833 erinnernd, wo der Mangel an militärischen Mitteln
aus dem Aufstand einen siebenjährigen Bürgerkrieg sich entwickeln ließ. Er
erhielt die von ihm geforderte Zahl von 70,000 Mann, die er als daS
Minimum bezeichnete, mit welchem er die Verantwortlichkeit für die Ruhe des
Landes übernehmen könne. Die Cousenption wurde auf 16,000 Mann fest¬
gestellt, statt der frühern 25,000 Mann jährlich, und dem Kriegsminister die
Befugniß ertheilt, den fehlenden Rest durch Anwerbungen zu ergänzen, was
derselbe für ausführbar erklärte. Den Finanzen erwuchs aus dieser immerhin
starken Reducnon eine wesentliche Erleichterung, und wenn die Armee auch
verhältnißmäßig schwach genannt werden mußte, so war sie doch nicht absolut
ungenügend. O'Dommel suchte den Abgang an Zahl durch bessere Organi¬
sation zu ersetzen, und ging sofort an die Bildung der ihm von den Cortes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/462>, abgerufen am 23.07.2024.