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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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derungen gestattete. Die meisten der s bisherigen Minister blieben. Nur in
den Portefeuilles ver Justiz und des Aeußern fand ein Wechsel statt. In
Stelle Alonsos übernahm das erstere Aguirre, ein etwas schärferer Progressist,
als jener, und Pacheco, der als Gesandter nach Rom ging, wurde im aus¬
wärtigen Departement durch Luzuriaga ersetzt, eins der gemäßigsten und hoch¬
geachtetsten Mitglieder der progressistischeu Partei, der Person Esparteros,
nicht aber seinen ehrgeizigen Velleitäten befreundet, und trefflich geeignet, die
Einigkeit zwischen ihm Und O'Dommel aufrecht zu erhalten. Seine Ernennung
konnte der liberalen Union nur willkommen sein. Mehr noch mußte zu ihrer
Befriedigung der einige Zeit darauf erfolgende Rücktritt Salazars, des Marine-
mittisters, gereichen, der unter dem Vorwand eines Augenleidens, thatsächlich
aber aus Grund seiner nach allen Seiten hin compromittirten Stellung ausschied,
denn um den Unwillen der liberalen Union über sein schon erwähntes Wahl¬
manifest zu besänftigen, hatte er in den Cortes ein monarchisches Glaubens¬
bekenntniß abgelegt, dessen nicht geschickte Fassung bei seinen Freunden auf der
linken Seite nicht wenig anstieß. In seine Stelle trat Santa-Cruz, ein alter
Esparterist und Namensvetter, aber nicht Verwandter des Ministers des
Innern. An Espartero machte sich der Austritt SalazarS, der vorläufig auch
Madrid verließ, in vortheilhafter Weise fühlbar. Er näherte sich mehr der
liberalen Union und seinen gemäßigten College", trat den äußersten Parteien
entschiedener entgegen, und schien seine ehrgeizigen Projecte, wenn nicht auf¬
gegeben, so doch mindestens vertagt zu haben.

Zum Präsidenten der Cortes wurde nunmehr Madoz erwählt, dessen Per¬
son sowol der liberalen Union, als den Purvs zusagte. Obwol den entschie¬
denen Progressiven angehörig, stand er den Extremen der Linken fern und
Espartero gegenüber unabhängig da. Sein unbeugsamer, wenn auch herber
und von Parteigeist nicht freier Charakter, sein Rednertalent und seine staats¬
männische Bildung wiesen ihm, obwol er noch nie Minister gewesen, eine der
ersten Stellen unter den Leitern der Progressiven an. Sobald die Cortes sich
constituirt hatten, erkannten sie mit einer Majorität, der zur Einhelligkeit nur
19 Stimmen der äußersten Linken fehlten, das Thronrecht Jsabellaö und ihrer
Dynastie an. Der von der Regierung im Einberusungsdecret gemachte Vor¬
behalt stellte eigentlich dieses Recht über eine solche Anerkennung. Der Be¬
schluß der Cortes war indessen nothwendig, um jeden Versuch der demokrati¬
schen Partei, die Frage der Aufrechthaltung des Königthums in die Discussion
der Verfässuiig mit hinein zu verflechten, von vornherein abzuschneiden. Im
Uebrigen legten sich die Cortes für die Beschlußnahme über die Verfassung,
somit für alle der Krone zu bewilligenden Rechte, die volle und alleinige Sou¬
veränität bei. Ebenso in Betreff der organischen Gesetze und nur indem daS
Ministerium eine Cabinctsfrage daraus machte, gelang es ihm, einen Beschluß


derungen gestattete. Die meisten der s bisherigen Minister blieben. Nur in
den Portefeuilles ver Justiz und des Aeußern fand ein Wechsel statt. In
Stelle Alonsos übernahm das erstere Aguirre, ein etwas schärferer Progressist,
als jener, und Pacheco, der als Gesandter nach Rom ging, wurde im aus¬
wärtigen Departement durch Luzuriaga ersetzt, eins der gemäßigsten und hoch¬
geachtetsten Mitglieder der progressistischeu Partei, der Person Esparteros,
nicht aber seinen ehrgeizigen Velleitäten befreundet, und trefflich geeignet, die
Einigkeit zwischen ihm Und O'Dommel aufrecht zu erhalten. Seine Ernennung
konnte der liberalen Union nur willkommen sein. Mehr noch mußte zu ihrer
Befriedigung der einige Zeit darauf erfolgende Rücktritt Salazars, des Marine-
mittisters, gereichen, der unter dem Vorwand eines Augenleidens, thatsächlich
aber aus Grund seiner nach allen Seiten hin compromittirten Stellung ausschied,
denn um den Unwillen der liberalen Union über sein schon erwähntes Wahl¬
manifest zu besänftigen, hatte er in den Cortes ein monarchisches Glaubens¬
bekenntniß abgelegt, dessen nicht geschickte Fassung bei seinen Freunden auf der
linken Seite nicht wenig anstieß. In seine Stelle trat Santa-Cruz, ein alter
Esparterist und Namensvetter, aber nicht Verwandter des Ministers des
Innern. An Espartero machte sich der Austritt SalazarS, der vorläufig auch
Madrid verließ, in vortheilhafter Weise fühlbar. Er näherte sich mehr der
liberalen Union und seinen gemäßigten College», trat den äußersten Parteien
entschiedener entgegen, und schien seine ehrgeizigen Projecte, wenn nicht auf¬
gegeben, so doch mindestens vertagt zu haben.

Zum Präsidenten der Cortes wurde nunmehr Madoz erwählt, dessen Per¬
son sowol der liberalen Union, als den Purvs zusagte. Obwol den entschie¬
denen Progressiven angehörig, stand er den Extremen der Linken fern und
Espartero gegenüber unabhängig da. Sein unbeugsamer, wenn auch herber
und von Parteigeist nicht freier Charakter, sein Rednertalent und seine staats¬
männische Bildung wiesen ihm, obwol er noch nie Minister gewesen, eine der
ersten Stellen unter den Leitern der Progressiven an. Sobald die Cortes sich
constituirt hatten, erkannten sie mit einer Majorität, der zur Einhelligkeit nur
19 Stimmen der äußersten Linken fehlten, das Thronrecht Jsabellaö und ihrer
Dynastie an. Der von der Regierung im Einberusungsdecret gemachte Vor¬
behalt stellte eigentlich dieses Recht über eine solche Anerkennung. Der Be¬
schluß der Cortes war indessen nothwendig, um jeden Versuch der demokrati¬
schen Partei, die Frage der Aufrechthaltung des Königthums in die Discussion
der Verfässuiig mit hinein zu verflechten, von vornherein abzuschneiden. Im
Uebrigen legten sich die Cortes für die Beschlußnahme über die Verfassung,
somit für alle der Krone zu bewilligenden Rechte, die volle und alleinige Sou¬
veränität bei. Ebenso in Betreff der organischen Gesetze und nur indem daS
Ministerium eine Cabinctsfrage daraus machte, gelang es ihm, einen Beschluß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/458>, abgerufen am 23.07.2024.