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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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zu bekämpfen. Man suchte daher eine Mehrheit zu bilden, die unter den:
Schein der Unterstützung seinen Absichten entgegenarbeite. Unter den Auspi-
cien O'Donnels und San Miguels, deren Popularität man der Popularität
Esparteros gegenüberstellte, bildete sich die liberale Union, ein parlamen¬
tarischer Verein, der die gemäßigten Bestandtheile der Moderados und Pro-
gresststen verschmelzen, die Ausschreitungen der Revolution hemmen und ihre
Früchte consolidiren sollte. Die Wahl des provisorischen Präsidenten der
Cortes -- die definitive Wahl konnte erst nach Beendigung der Wahlprüfungen
stattfinden -- gab Gelegenheit zu einer ernsten Demonstration gegen den
Siegesherzog. Die liberale Union stellte San Miguel als ihren Kandidaten
auf, dessen warme, fast väterliche Zuneigung für die Königin und loyaler
Eifer für ihre Erhaltung auf dem Throne ihn bereits in ein gespanntes Ver¬
hältniß zu Espartero gebracht hatten. Er siegte über den von letzterem be¬
günstigten Bewerber, Martin de los Heros, den nach den Julitagen ernannten
Intendanten des Palastes, mit einer geringen Mehrheit. Espartero empfand
den seinem Ansetzn beigebrachten Schlag und dachte sofort darauf, das Spiel
seiner Gegner zu vereitel,n- Sobald die Wahlprüfungen vollendet waren, kün¬
digte er in der Sitzung der Cortes seinen Rücktritt an. Er sei im Juli in
der Noth des Augenblicks dem Ruf der Königin gefolgt, jetzt hätten die Cortes
die Männer ihres Vertrauens der Krone zu bezeichnen. Natürlich zwang er
die andern Minister, seinem Beispiel zu folgen. Gleichzeitig ließ er bekannt
werden, daß er als Candidat für die Präsidentur der Cortes auftrete, deren
definitive Wahl jetzt erfolgen sollte. Seine Erwählung konnte nur die Be¬
deutung haben, ihn der Königin als den Mann des Vertrauens der Nalio-
nalvertretung zu designiren; durch diese Sanction wurde seine Macht vermehrt
und befestigt, und außerdem gab ihm die Neubildung des Cabinets das Mit¬
tel, seinen Anhang darin zu verstärken. Der Schritt war um so richtiger be¬
rechnet, als seine Unentbehrlichkeit, die in dem Zauber seines Namens auf die
Masse der liberalen Bevölkerung lag, selbst die liberale Union nöthigte, ihm
ihre Stimme zu geben. Seine Wahl erfolgte auch in der That einstimmig. Aber
der Triumph des Siegesherzogs wurde sehr geschmälert, wenn nicht gänzlich
aufgewogen durch die Wahl der vier Vicepräsidenten. Sie sielen mit ähnlichen
Mehrheiten, wie früher die San Miguels, auf die Candidaten der liberalen
Union, unter denen O'Dommel und Dulce voranstanden. Die Majorität gab Es¬
partero damit kund, daß sie ihn zwar als den nothwendigen Mann an der Spitze
des Cabinets betrachte, einem Versuch zur Erhöhung seiner Stellung aber
entschiedenen Widerstand leisten werde. Er nahm übrigens den Stuhl des
Vorsitzenden nur ein, um ihn sofort wieder zu verlassen; denn natürlich über¬
trug ihm die Königin von neuem die Bildung des Ministeriums, in dessen
Zusammensetzung der Ausfall der Vicepräsidentenwahl keine wesentlichen Aen-


Grenzboten. IV. 1866. 57

zu bekämpfen. Man suchte daher eine Mehrheit zu bilden, die unter den:
Schein der Unterstützung seinen Absichten entgegenarbeite. Unter den Auspi-
cien O'Donnels und San Miguels, deren Popularität man der Popularität
Esparteros gegenüberstellte, bildete sich die liberale Union, ein parlamen¬
tarischer Verein, der die gemäßigten Bestandtheile der Moderados und Pro-
gresststen verschmelzen, die Ausschreitungen der Revolution hemmen und ihre
Früchte consolidiren sollte. Die Wahl des provisorischen Präsidenten der
Cortes — die definitive Wahl konnte erst nach Beendigung der Wahlprüfungen
stattfinden — gab Gelegenheit zu einer ernsten Demonstration gegen den
Siegesherzog. Die liberale Union stellte San Miguel als ihren Kandidaten
auf, dessen warme, fast väterliche Zuneigung für die Königin und loyaler
Eifer für ihre Erhaltung auf dem Throne ihn bereits in ein gespanntes Ver¬
hältniß zu Espartero gebracht hatten. Er siegte über den von letzterem be¬
günstigten Bewerber, Martin de los Heros, den nach den Julitagen ernannten
Intendanten des Palastes, mit einer geringen Mehrheit. Espartero empfand
den seinem Ansetzn beigebrachten Schlag und dachte sofort darauf, das Spiel
seiner Gegner zu vereitel,n- Sobald die Wahlprüfungen vollendet waren, kün¬
digte er in der Sitzung der Cortes seinen Rücktritt an. Er sei im Juli in
der Noth des Augenblicks dem Ruf der Königin gefolgt, jetzt hätten die Cortes
die Männer ihres Vertrauens der Krone zu bezeichnen. Natürlich zwang er
die andern Minister, seinem Beispiel zu folgen. Gleichzeitig ließ er bekannt
werden, daß er als Candidat für die Präsidentur der Cortes auftrete, deren
definitive Wahl jetzt erfolgen sollte. Seine Erwählung konnte nur die Be¬
deutung haben, ihn der Königin als den Mann des Vertrauens der Nalio-
nalvertretung zu designiren; durch diese Sanction wurde seine Macht vermehrt
und befestigt, und außerdem gab ihm die Neubildung des Cabinets das Mit¬
tel, seinen Anhang darin zu verstärken. Der Schritt war um so richtiger be¬
rechnet, als seine Unentbehrlichkeit, die in dem Zauber seines Namens auf die
Masse der liberalen Bevölkerung lag, selbst die liberale Union nöthigte, ihm
ihre Stimme zu geben. Seine Wahl erfolgte auch in der That einstimmig. Aber
der Triumph des Siegesherzogs wurde sehr geschmälert, wenn nicht gänzlich
aufgewogen durch die Wahl der vier Vicepräsidenten. Sie sielen mit ähnlichen
Mehrheiten, wie früher die San Miguels, auf die Candidaten der liberalen
Union, unter denen O'Dommel und Dulce voranstanden. Die Majorität gab Es¬
partero damit kund, daß sie ihn zwar als den nothwendigen Mann an der Spitze
des Cabinets betrachte, einem Versuch zur Erhöhung seiner Stellung aber
entschiedenen Widerstand leisten werde. Er nahm übrigens den Stuhl des
Vorsitzenden nur ein, um ihn sofort wieder zu verlassen; denn natürlich über¬
trug ihm die Königin von neuem die Bildung des Ministeriums, in dessen
Zusammensetzung der Ausfall der Vicepräsidentenwahl keine wesentlichen Aen-


Grenzboten. IV. 1866. 57
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[0457] zu bekämpfen. Man suchte daher eine Mehrheit zu bilden, die unter den: Schein der Unterstützung seinen Absichten entgegenarbeite. Unter den Auspi- cien O'Donnels und San Miguels, deren Popularität man der Popularität Esparteros gegenüberstellte, bildete sich die liberale Union, ein parlamen¬ tarischer Verein, der die gemäßigten Bestandtheile der Moderados und Pro- gresststen verschmelzen, die Ausschreitungen der Revolution hemmen und ihre Früchte consolidiren sollte. Die Wahl des provisorischen Präsidenten der Cortes — die definitive Wahl konnte erst nach Beendigung der Wahlprüfungen stattfinden — gab Gelegenheit zu einer ernsten Demonstration gegen den Siegesherzog. Die liberale Union stellte San Miguel als ihren Kandidaten auf, dessen warme, fast väterliche Zuneigung für die Königin und loyaler Eifer für ihre Erhaltung auf dem Throne ihn bereits in ein gespanntes Ver¬ hältniß zu Espartero gebracht hatten. Er siegte über den von letzterem be¬ günstigten Bewerber, Martin de los Heros, den nach den Julitagen ernannten Intendanten des Palastes, mit einer geringen Mehrheit. Espartero empfand den seinem Ansetzn beigebrachten Schlag und dachte sofort darauf, das Spiel seiner Gegner zu vereitel,n- Sobald die Wahlprüfungen vollendet waren, kün¬ digte er in der Sitzung der Cortes seinen Rücktritt an. Er sei im Juli in der Noth des Augenblicks dem Ruf der Königin gefolgt, jetzt hätten die Cortes die Männer ihres Vertrauens der Krone zu bezeichnen. Natürlich zwang er die andern Minister, seinem Beispiel zu folgen. Gleichzeitig ließ er bekannt werden, daß er als Candidat für die Präsidentur der Cortes auftrete, deren definitive Wahl jetzt erfolgen sollte. Seine Erwählung konnte nur die Be¬ deutung haben, ihn der Königin als den Mann des Vertrauens der Nalio- nalvertretung zu designiren; durch diese Sanction wurde seine Macht vermehrt und befestigt, und außerdem gab ihm die Neubildung des Cabinets das Mit¬ tel, seinen Anhang darin zu verstärken. Der Schritt war um so richtiger be¬ rechnet, als seine Unentbehrlichkeit, die in dem Zauber seines Namens auf die Masse der liberalen Bevölkerung lag, selbst die liberale Union nöthigte, ihm ihre Stimme zu geben. Seine Wahl erfolgte auch in der That einstimmig. Aber der Triumph des Siegesherzogs wurde sehr geschmälert, wenn nicht gänzlich aufgewogen durch die Wahl der vier Vicepräsidenten. Sie sielen mit ähnlichen Mehrheiten, wie früher die San Miguels, auf die Candidaten der liberalen Union, unter denen O'Dommel und Dulce voranstanden. Die Majorität gab Es¬ partero damit kund, daß sie ihn zwar als den nothwendigen Mann an der Spitze des Cabinets betrachte, einem Versuch zur Erhöhung seiner Stellung aber entschiedenen Widerstand leisten werde. Er nahm übrigens den Stuhl des Vorsitzenden nur ein, um ihn sofort wieder zu verlassen; denn natürlich über¬ trug ihm die Königin von neuem die Bildung des Ministeriums, in dessen Zusammensetzung der Ausfall der Vicepräsidentenwahl keine wesentlichen Aen- Grenzboten. IV. 1866. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/457>, abgerufen am 23.07.2024.