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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Und nun vergleiche man damit die politische Laufbahn Sir Robert Peels.
Als ein ganz junger Mann, der in allen hergebrachten Disciplinen aus der
Universität die größten Preise davon getragen, und sonst die Proben eines
großen und allseitigen Talents gegeben hatte, schickte ihn sein Vater ins Par¬
lament, nicht um sich eine beliebige Partei zu suchen, sondern um in der
bereits bestehenden Partei, an die er durch vielfältige Lebensbeziehungen ge¬
knüpft war, sofort eine hervorragende Stellung einzunehmen. Es zeigte sich
bald, daß er nicht blos im parlamentarischen Kampf, sondern auch in den
Geschäften der Fähigste der Partei war; es kam dazu seine persönliche Ne-
spectabilität, und so war er in. nicht länger Zeit der Führer, aber wohlgemerkt,
nicht der Führer, der seiner Partei den Inhalt zu geben, sondern ihn von
ihr zu empfangen hatte. Freilich wurde seine Stellung von Jahr zu Jahr
unabhängiger. Das Vertrauen auf seine Geschäftskenntniß und auf seinen
praktischen Blick war so groß, daß man in Einzelheiten auch da ihm nachgab,
wo er die liebsten Sympathien der Partei verletzte. Von den Nebensachen
ging dies allmälig auf Hauptfragen über, und hier unterstützte ihn das mili¬
tärische Ansehn des Herzogs von Wellington, der sich der staatsmännischen
Einsicht seines jüngern Freundes schon sehr früh unterordnete. Allmälig ge¬
wöhnte sich Peel seiner Partei gegenüber an einen Despotismus, den der
stolze Engländer nur unwillig ertrug, nur ertrug, weil Peel allgemein als
der Unentbehrliche galt. -- Am günstigsten wurde seine Stellung nach der
Reformbill. .Die Tories wetten im Princip geschlagen, sie mußten die neue
Verfassung als eine vollendete Thatsache hinnehmen und ihre Principien da¬
nach modificiren. In einem mehrjährigen Kampf gegen die herrschenden Whigs
gewöhnte sich die conservative Opposition daran, der höhern Einsicht und dem
Willen ihres Führers unbedingt zu folgen.

Und hier muß man bei der Entwicklung PeelS zwei Umstände in Rech¬
nung bringen. Einmal gingen die Veränderungen in seiner Ueberzeugung
nicht aus äußern Rücksichten hervor, sondern sie waren in der That Fortschritte
seiner Bildung. Will man nur denjenigen einen großen Staatsmann nennen,
der vom Anfang seiner Laufbahn an das Ziel, daS er erreichen will, fest im
Auge behält, so ist Peel entschieden kein großer Staatsmann gewesen, denn
sein Ausgang ist grade das Gegentheil seines Anfangs. Ferner ist eS in
England häufig vorgekommen, daß die untergeordneten Mitglieder der Partei
bei der Veränderung ihrer Ueberzeugung oder ihres Interesses zur entgegen¬
gesetzten Partei übergehen, und es ist niemals viel Aufhebens davon gemacht
worden. Aber Peel war der Führer der Partei, und er war es allmälig
auf eine so souveräne Weise geworden, daß er wie Ludwig XIV. sagen konnte:
Die Partei bin ich. Es fanden sich zwar auch unter den Tories Kritiker, die
ihn schon in den ersten vierziger Jahren als Verräther bezeichneten, aber die


Und nun vergleiche man damit die politische Laufbahn Sir Robert Peels.
Als ein ganz junger Mann, der in allen hergebrachten Disciplinen aus der
Universität die größten Preise davon getragen, und sonst die Proben eines
großen und allseitigen Talents gegeben hatte, schickte ihn sein Vater ins Par¬
lament, nicht um sich eine beliebige Partei zu suchen, sondern um in der
bereits bestehenden Partei, an die er durch vielfältige Lebensbeziehungen ge¬
knüpft war, sofort eine hervorragende Stellung einzunehmen. Es zeigte sich
bald, daß er nicht blos im parlamentarischen Kampf, sondern auch in den
Geschäften der Fähigste der Partei war; es kam dazu seine persönliche Ne-
spectabilität, und so war er in. nicht länger Zeit der Führer, aber wohlgemerkt,
nicht der Führer, der seiner Partei den Inhalt zu geben, sondern ihn von
ihr zu empfangen hatte. Freilich wurde seine Stellung von Jahr zu Jahr
unabhängiger. Das Vertrauen auf seine Geschäftskenntniß und auf seinen
praktischen Blick war so groß, daß man in Einzelheiten auch da ihm nachgab,
wo er die liebsten Sympathien der Partei verletzte. Von den Nebensachen
ging dies allmälig auf Hauptfragen über, und hier unterstützte ihn das mili¬
tärische Ansehn des Herzogs von Wellington, der sich der staatsmännischen
Einsicht seines jüngern Freundes schon sehr früh unterordnete. Allmälig ge¬
wöhnte sich Peel seiner Partei gegenüber an einen Despotismus, den der
stolze Engländer nur unwillig ertrug, nur ertrug, weil Peel allgemein als
der Unentbehrliche galt. — Am günstigsten wurde seine Stellung nach der
Reformbill. .Die Tories wetten im Princip geschlagen, sie mußten die neue
Verfassung als eine vollendete Thatsache hinnehmen und ihre Principien da¬
nach modificiren. In einem mehrjährigen Kampf gegen die herrschenden Whigs
gewöhnte sich die conservative Opposition daran, der höhern Einsicht und dem
Willen ihres Führers unbedingt zu folgen.

Und hier muß man bei der Entwicklung PeelS zwei Umstände in Rech¬
nung bringen. Einmal gingen die Veränderungen in seiner Ueberzeugung
nicht aus äußern Rücksichten hervor, sondern sie waren in der That Fortschritte
seiner Bildung. Will man nur denjenigen einen großen Staatsmann nennen,
der vom Anfang seiner Laufbahn an das Ziel, daS er erreichen will, fest im
Auge behält, so ist Peel entschieden kein großer Staatsmann gewesen, denn
sein Ausgang ist grade das Gegentheil seines Anfangs. Ferner ist eS in
England häufig vorgekommen, daß die untergeordneten Mitglieder der Partei
bei der Veränderung ihrer Ueberzeugung oder ihres Interesses zur entgegen¬
gesetzten Partei übergehen, und es ist niemals viel Aufhebens davon gemacht
worden. Aber Peel war der Führer der Partei, und er war es allmälig
auf eine so souveräne Weise geworden, daß er wie Ludwig XIV. sagen konnte:
Die Partei bin ich. Es fanden sich zwar auch unter den Tories Kritiker, die
ihn schon in den ersten vierziger Jahren als Verräther bezeichneten, aber die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/438>, abgerufen am 23.07.2024.