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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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curriren müssen; aber bei den Hauptschriftstellern war es doch nöthig, sehr
genau mit eignen Augen zu sehen, und das hat der Verfasser nicht in der hin¬
reichenden Maße gethan. So ist uns namentlich aufgefallen, was er über
Pascal sagt. Die Darstellung der Pensöes ist so ungenau, daß wir nur an¬
nehmen können, der Verfasser habe blos aus der Erinnerung geschrieben, und
zwar nach einer sehr ungenauen Erinnerung. So hätte er sich z. B. auf
daS neuentdeckte Manuscript der PensveS beziehen müssen, welches nachweist,
daß Pascal grade das Gegentheil von dem gewollt hat, was Amt von ihm
aussagt. So ist auch die Behauptung S. 269 ganz wunderlich (in Beziehung
auf die I^ödere8 provinoiales). daß Pascal über die Bedeutung seines literarischen
Verdienstes kein Bewußtsein gehabt und namentlich keinen Werth darauf gelegt
haben würde, da es doch allgemein bekannt ist, daß Pascal jeden seiner Briefe
aus rein stilistischen Zwecken auf daS sorgfältigste gefeilt und zu wiederHollen
Malen umgearbeitet hat. Pascal wußte sehr wohl, daß er eine classische
Prosa schrieb, und war ganz der Mann dazu, einen sehr großen Werth darauf
zu legen. Derartige Irrthümer (und es fehlt auch bei den übrigen Charak¬
teristiken nicht daran) machen einen um so unangenehmern Eindruck, wo sich
der Verfasser über seinen Gegenstand ganz ausführlich verbreitet.

Bei dem allgemeinen Anklang, den literarhistorische Arbeiten in diesem
Augenblick zu finden scheinen, wird es dem Verfasser vielleicht verstattet sein,
seine Arbeit noch einmal einer gründlichen Revision zu unterwerfen, und es
wäre sehr wünschenswert!), wenn es ihm dabei gelänge, mit dem populären
Zweck, den er zum Theil bereits erreicht hat, auch den Werth einer wissen¬
schaftlichen Genauigkeit zu verbinden, da diese beiden Vorzüge, weit entfernt,
sich in den Weg zu treten, einander nur fördern.


I. S.


Sir Robert Peel und Guizot.

8ir Ködert ?eel par Lüi?ot. Lerlin. Julius Springer. alö es Ilevuv clef äeux-
Mondes.)

Guizot hat mehre Jahre hindurch als Minister der auswärtigen Ange¬
legenheiten Veranlassung gehabt, theils mittelbar, theils unmittelbar mit Sir
Robert Peel zu verkehren, und diese Beziehungen hörten keineswegs auf, als
der letztere ins Privatleben zurückgetreten war, denn wenn auch nicht mehr
mit der Leitung der Geschäfte betraut, heamo er doch bei der Krone, bei dem
Parlament uno bei der Gesellschaft so hoch in Ansehn, daß er l>el jeder Frage
von größerer Wichtigkeit seine Stimme abzugeben hatte. Der englische Privat-


curriren müssen; aber bei den Hauptschriftstellern war es doch nöthig, sehr
genau mit eignen Augen zu sehen, und das hat der Verfasser nicht in der hin¬
reichenden Maße gethan. So ist uns namentlich aufgefallen, was er über
Pascal sagt. Die Darstellung der Pensöes ist so ungenau, daß wir nur an¬
nehmen können, der Verfasser habe blos aus der Erinnerung geschrieben, und
zwar nach einer sehr ungenauen Erinnerung. So hätte er sich z. B. auf
daS neuentdeckte Manuscript der PensveS beziehen müssen, welches nachweist,
daß Pascal grade das Gegentheil von dem gewollt hat, was Amt von ihm
aussagt. So ist auch die Behauptung S. 269 ganz wunderlich (in Beziehung
auf die I^ödere8 provinoiales). daß Pascal über die Bedeutung seines literarischen
Verdienstes kein Bewußtsein gehabt und namentlich keinen Werth darauf gelegt
haben würde, da es doch allgemein bekannt ist, daß Pascal jeden seiner Briefe
aus rein stilistischen Zwecken auf daS sorgfältigste gefeilt und zu wiederHollen
Malen umgearbeitet hat. Pascal wußte sehr wohl, daß er eine classische
Prosa schrieb, und war ganz der Mann dazu, einen sehr großen Werth darauf
zu legen. Derartige Irrthümer (und es fehlt auch bei den übrigen Charak¬
teristiken nicht daran) machen einen um so unangenehmern Eindruck, wo sich
der Verfasser über seinen Gegenstand ganz ausführlich verbreitet.

Bei dem allgemeinen Anklang, den literarhistorische Arbeiten in diesem
Augenblick zu finden scheinen, wird es dem Verfasser vielleicht verstattet sein,
seine Arbeit noch einmal einer gründlichen Revision zu unterwerfen, und es
wäre sehr wünschenswert!), wenn es ihm dabei gelänge, mit dem populären
Zweck, den er zum Theil bereits erreicht hat, auch den Werth einer wissen¬
schaftlichen Genauigkeit zu verbinden, da diese beiden Vorzüge, weit entfernt,
sich in den Weg zu treten, einander nur fördern.


I. S.


Sir Robert Peel und Guizot.

8ir Ködert ?eel par Lüi?ot. Lerlin. Julius Springer. alö es Ilevuv clef äeux-
Mondes.)

Guizot hat mehre Jahre hindurch als Minister der auswärtigen Ange¬
legenheiten Veranlassung gehabt, theils mittelbar, theils unmittelbar mit Sir
Robert Peel zu verkehren, und diese Beziehungen hörten keineswegs auf, als
der letztere ins Privatleben zurückgetreten war, denn wenn auch nicht mehr
mit der Leitung der Geschäfte betraut, heamo er doch bei der Krone, bei dem
Parlament uno bei der Gesellschaft so hoch in Ansehn, daß er l>el jeder Frage
von größerer Wichtigkeit seine Stimme abzugeben hatte. Der englische Privat-


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[0434] curriren müssen; aber bei den Hauptschriftstellern war es doch nöthig, sehr genau mit eignen Augen zu sehen, und das hat der Verfasser nicht in der hin¬ reichenden Maße gethan. So ist uns namentlich aufgefallen, was er über Pascal sagt. Die Darstellung der Pensöes ist so ungenau, daß wir nur an¬ nehmen können, der Verfasser habe blos aus der Erinnerung geschrieben, und zwar nach einer sehr ungenauen Erinnerung. So hätte er sich z. B. auf daS neuentdeckte Manuscript der PensveS beziehen müssen, welches nachweist, daß Pascal grade das Gegentheil von dem gewollt hat, was Amt von ihm aussagt. So ist auch die Behauptung S. 269 ganz wunderlich (in Beziehung auf die I^ödere8 provinoiales). daß Pascal über die Bedeutung seines literarischen Verdienstes kein Bewußtsein gehabt und namentlich keinen Werth darauf gelegt haben würde, da es doch allgemein bekannt ist, daß Pascal jeden seiner Briefe aus rein stilistischen Zwecken auf daS sorgfältigste gefeilt und zu wiederHollen Malen umgearbeitet hat. Pascal wußte sehr wohl, daß er eine classische Prosa schrieb, und war ganz der Mann dazu, einen sehr großen Werth darauf zu legen. Derartige Irrthümer (und es fehlt auch bei den übrigen Charak¬ teristiken nicht daran) machen einen um so unangenehmern Eindruck, wo sich der Verfasser über seinen Gegenstand ganz ausführlich verbreitet. Bei dem allgemeinen Anklang, den literarhistorische Arbeiten in diesem Augenblick zu finden scheinen, wird es dem Verfasser vielleicht verstattet sein, seine Arbeit noch einmal einer gründlichen Revision zu unterwerfen, und es wäre sehr wünschenswert!), wenn es ihm dabei gelänge, mit dem populären Zweck, den er zum Theil bereits erreicht hat, auch den Werth einer wissen¬ schaftlichen Genauigkeit zu verbinden, da diese beiden Vorzüge, weit entfernt, sich in den Weg zu treten, einander nur fördern. I. S. Sir Robert Peel und Guizot. 8ir Ködert ?eel par Lüi?ot. Lerlin. Julius Springer. alö es Ilevuv clef äeux- Mondes.) Guizot hat mehre Jahre hindurch als Minister der auswärtigen Ange¬ legenheiten Veranlassung gehabt, theils mittelbar, theils unmittelbar mit Sir Robert Peel zu verkehren, und diese Beziehungen hörten keineswegs auf, als der letztere ins Privatleben zurückgetreten war, denn wenn auch nicht mehr mit der Leitung der Geschäfte betraut, heamo er doch bei der Krone, bei dem Parlament uno bei der Gesellschaft so hoch in Ansehn, daß er l>el jeder Frage von größerer Wichtigkeit seine Stimme abzugeben hatte. Der englische Privat-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/434>, abgerufen am 23.07.2024.