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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Die Federkriege und Wortstürme werden sich jetzt ohne Zweifel beruhigen;
aber dieser Kampf wird nicht ohne gute Früchte bleiben. Es läßt sich mit
Zuversicht hoffen, -- und in diesem Sinne haben sich die bedeutendsten Redner
des Nordens aufs kräftigste ausgesprochen, -- daß die Vorfalle in Kansas
den freien Staaten der Union zur bleibenden Warnung dienen werden, -- daß
diese künftig dem' Sklavenintcresse gegenüber eine festere Haltung annehmen,
ihren Widerstand gegen dasselbe mit mehr Einheit organisiren, ihre frühere
Nachgiebigkeit verbannen und ihr numerisches Uebergewicht im Congresse mit
mehr Entschiedenheit geltend machen werden, um wenigstens die weitere Ver¬
breitung deS eiternden Uebels zu verhindern, wenn es auch nicht in ihrer
Macht liegt, dasselbe sofort in den Sklavenstaaten selbst zu vertilgen.




Französische Liternturgeschichte.

Geschichte der französischen Nationalliteratur von der Renaissance
bis zu der Revolution. --Zwei Bände. Berlin,
Duncker und Humblot.

Bei dem Eifer, mit welchem man seit Gervinus die deutsche Literatur¬
geschichte in ihrem innern Zusammenhang, so wie in ihrer Beziehung zum
öffentlichen Leben zu erörtern und darzustellen sucht, ist es natürlich, daß man
auch das Ausland ins Auge faßt, dessen Einfluß sich in> hundertfältiger Be¬
ziehung auf uns geltend gemacht hat, und das seinerseits sich der Einwirkung
des deutschen Geistes nicht mehr entziehen kann. Den größten Reiz muß es
für uns haben, die Entwicklung der Franzosen ins Auge zu fassen, gegen die
unsere Schriftsteller bis dahin, wenn auch aus sehr guten Gründen, durchweg
ungerecht gewesen sind. Als die deutsche Poesie wieder aufblühte, war ihre
erste Aufgabe, sich dem lähmenden Einfluß des französischen Geschmacks zu
entziehen, dessen nüchterne Lebensanschauung und dessen einseitige Regel¬
mäßigkeit jedes sreie Schaffen erstickten. Mit der poetischen Kraft war auch
die Kritik erwacht, und da diese vorläufig in Deutschland keinen Gegenstand
fand, blieb ihr nichts Anderes übrig, als die gefeierten Muster aus der Zeit
Ludwigs XIV. und die Philosophen des vorigen Jahrhunderts ins Auge zu
fassen. Seitdem Lessing einmal den Ton angegeben, wetteiferten die verschie¬
densten Richtungen, die Nichtigkeit dessen an den Tag zu legen, was man
in Versailles Poesie nannte. Später kam noch das zweite Interesse dazu, die
Väter der Revolution und deS militärischen Schreckensregiments, die Erbfeinde
Deutschlands, auch geistig zu brandmarken. Die Kritiker der romantischen


Die Federkriege und Wortstürme werden sich jetzt ohne Zweifel beruhigen;
aber dieser Kampf wird nicht ohne gute Früchte bleiben. Es läßt sich mit
Zuversicht hoffen, — und in diesem Sinne haben sich die bedeutendsten Redner
des Nordens aufs kräftigste ausgesprochen, — daß die Vorfalle in Kansas
den freien Staaten der Union zur bleibenden Warnung dienen werden, — daß
diese künftig dem' Sklavenintcresse gegenüber eine festere Haltung annehmen,
ihren Widerstand gegen dasselbe mit mehr Einheit organisiren, ihre frühere
Nachgiebigkeit verbannen und ihr numerisches Uebergewicht im Congresse mit
mehr Entschiedenheit geltend machen werden, um wenigstens die weitere Ver¬
breitung deS eiternden Uebels zu verhindern, wenn es auch nicht in ihrer
Macht liegt, dasselbe sofort in den Sklavenstaaten selbst zu vertilgen.




Französische Liternturgeschichte.

Geschichte der französischen Nationalliteratur von der Renaissance
bis zu der Revolution. —Zwei Bände. Berlin,
Duncker und Humblot.

Bei dem Eifer, mit welchem man seit Gervinus die deutsche Literatur¬
geschichte in ihrem innern Zusammenhang, so wie in ihrer Beziehung zum
öffentlichen Leben zu erörtern und darzustellen sucht, ist es natürlich, daß man
auch das Ausland ins Auge faßt, dessen Einfluß sich in> hundertfältiger Be¬
ziehung auf uns geltend gemacht hat, und das seinerseits sich der Einwirkung
des deutschen Geistes nicht mehr entziehen kann. Den größten Reiz muß es
für uns haben, die Entwicklung der Franzosen ins Auge zu fassen, gegen die
unsere Schriftsteller bis dahin, wenn auch aus sehr guten Gründen, durchweg
ungerecht gewesen sind. Als die deutsche Poesie wieder aufblühte, war ihre
erste Aufgabe, sich dem lähmenden Einfluß des französischen Geschmacks zu
entziehen, dessen nüchterne Lebensanschauung und dessen einseitige Regel¬
mäßigkeit jedes sreie Schaffen erstickten. Mit der poetischen Kraft war auch
die Kritik erwacht, und da diese vorläufig in Deutschland keinen Gegenstand
fand, blieb ihr nichts Anderes übrig, als die gefeierten Muster aus der Zeit
Ludwigs XIV. und die Philosophen des vorigen Jahrhunderts ins Auge zu
fassen. Seitdem Lessing einmal den Ton angegeben, wetteiferten die verschie¬
densten Richtungen, die Nichtigkeit dessen an den Tag zu legen, was man
in Versailles Poesie nannte. Später kam noch das zweite Interesse dazu, die
Väter der Revolution und deS militärischen Schreckensregiments, die Erbfeinde
Deutschlands, auch geistig zu brandmarken. Die Kritiker der romantischen


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[0430] Die Federkriege und Wortstürme werden sich jetzt ohne Zweifel beruhigen; aber dieser Kampf wird nicht ohne gute Früchte bleiben. Es läßt sich mit Zuversicht hoffen, — und in diesem Sinne haben sich die bedeutendsten Redner des Nordens aufs kräftigste ausgesprochen, — daß die Vorfalle in Kansas den freien Staaten der Union zur bleibenden Warnung dienen werden, — daß diese künftig dem' Sklavenintcresse gegenüber eine festere Haltung annehmen, ihren Widerstand gegen dasselbe mit mehr Einheit organisiren, ihre frühere Nachgiebigkeit verbannen und ihr numerisches Uebergewicht im Congresse mit mehr Entschiedenheit geltend machen werden, um wenigstens die weitere Ver¬ breitung deS eiternden Uebels zu verhindern, wenn es auch nicht in ihrer Macht liegt, dasselbe sofort in den Sklavenstaaten selbst zu vertilgen. Französische Liternturgeschichte. Geschichte der französischen Nationalliteratur von der Renaissance bis zu der Revolution. —Zwei Bände. Berlin, Duncker und Humblot. Bei dem Eifer, mit welchem man seit Gervinus die deutsche Literatur¬ geschichte in ihrem innern Zusammenhang, so wie in ihrer Beziehung zum öffentlichen Leben zu erörtern und darzustellen sucht, ist es natürlich, daß man auch das Ausland ins Auge faßt, dessen Einfluß sich in> hundertfältiger Be¬ ziehung auf uns geltend gemacht hat, und das seinerseits sich der Einwirkung des deutschen Geistes nicht mehr entziehen kann. Den größten Reiz muß es für uns haben, die Entwicklung der Franzosen ins Auge zu fassen, gegen die unsere Schriftsteller bis dahin, wenn auch aus sehr guten Gründen, durchweg ungerecht gewesen sind. Als die deutsche Poesie wieder aufblühte, war ihre erste Aufgabe, sich dem lähmenden Einfluß des französischen Geschmacks zu entziehen, dessen nüchterne Lebensanschauung und dessen einseitige Regel¬ mäßigkeit jedes sreie Schaffen erstickten. Mit der poetischen Kraft war auch die Kritik erwacht, und da diese vorläufig in Deutschland keinen Gegenstand fand, blieb ihr nichts Anderes übrig, als die gefeierten Muster aus der Zeit Ludwigs XIV. und die Philosophen des vorigen Jahrhunderts ins Auge zu fassen. Seitdem Lessing einmal den Ton angegeben, wetteiferten die verschie¬ densten Richtungen, die Nichtigkeit dessen an den Tag zu legen, was man in Versailles Poesie nannte. Später kam noch das zweite Interesse dazu, die Väter der Revolution und deS militärischen Schreckensregiments, die Erbfeinde Deutschlands, auch geistig zu brandmarken. Die Kritiker der romantischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/430>, abgerufen am 23.07.2024.