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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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wenige Mitglieder aus Kansas hinzutreten, welche die Zahl der Repräsentanten
aus den Sklavenstaaten noch bei weitem nicht auf die gleiche Zahl mit denen
aus den freien Staaten bringen würden, da die Bevölkerung der letztern sich
zu der der Sklavenstaaten fast wie 2 zu 1 verhält.*) Wo wäre also für den
Norden ein hinlänglicher Grund, die Trennung der Union zu wünschen, zumal
wenn man erwägt, daß bereits fünf andere Territorien organisirt sind, die sich
ohne Zweifel bald in Staaten verwandeln werden, und bei denen, schon aus
geographischen Gründen, von Einführung der Sklaverei keine Rede sein kann,
nämlich Oregon (jenseits des Felsengebirges), Utah (das Mormonenland),
Minnesota (nördlich von Iowa), Nebraska (nördlich von Kansas) und
Washington (nördlich von Oregon), -- deren Hinzutritt also das Ueber¬
gewicht der freien Staaten in der Union und im Congresse entschieden sichern
wird. Auch das Territorium Neumeriko -- obgleich dessen geographische
Lage die Sklaverei nicht gradezu ausschließt -- hat keine Sklaven und wird
ohne Zweifel als freier Staat in die Union eintreten.

Alle diese Betrachtungen geben, wie uns scheint, einen bessern Maßstab
zur Beurtheilung unserer Frage, als die wilden Reden der Parteiblätter und
der politischen Redner, die selten den wahren Sinn des Volkes abspiegeln,
und noch seltener im Stande sind, das Volk auf die Dauer über die wahre
Lage der Dinge zu täuschen. Die Amerikaner halten viel auf den "8oder ssoonä
tkouxkt", d. h. auf die nüchterne Ueberlegung, die den Augenblicken leiden¬
schaftlicher Aufregung zu folgen pflegt.

Wenn aber auch nicht Buchanans Wahl dem Süden den Sieg gegeben
hätte, so wäre doch kein Bürgerkrieg die Folge gewesen, denn

1) der Süden hat nach außen und innen dieselben allgemeinen Gründe wie
der Norden, die Trennung der Union als höchste Calamität zu scheuen. Wie
sollten namentlich die sechs Millionen Weißen, die in den Sklavenstaaten
wohnen, aber keine Sklaven halten, dazu kommen, sich dieser Calamität
aussetzen zu wollen?

2) Die Frage, ob Kansas ein Sklavenstaat werde und bleibe, oder nicht,
ist thatsächlich gar nicht von entscheidender Wichtigkeit für den Süden, wie wir
bereits gezeigt haben. Hatte doch der Süden seiner Zeit in das Mifsouri-
compromiß gewilligt, das Kansas der Sklaverei entzog und mehr als dreißig
Jahre lang sich dabei beruhigt. Auch betheiligten sich, wie wir gesehen haben,
hauptsächlich nur die angrenzenden Missourier bei der gewaltsamen Invasion
in Kansas.

3) Der jetzige Streit in Bezug aus Kansas gefährdet noch nicht daS Jn-



*) Gegenwärtig zählt daS Repräsentantenhaus 1i>4 Mitglieder aus den freien Staaten,
gegen 90 aus den Sklavenstaaten. Mithin braucht der Norden nur ernstlich zu wollen, um
den Süden und dessen Sklavengelüste gehörig zu zügeln.
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wenige Mitglieder aus Kansas hinzutreten, welche die Zahl der Repräsentanten
aus den Sklavenstaaten noch bei weitem nicht auf die gleiche Zahl mit denen
aus den freien Staaten bringen würden, da die Bevölkerung der letztern sich
zu der der Sklavenstaaten fast wie 2 zu 1 verhält.*) Wo wäre also für den
Norden ein hinlänglicher Grund, die Trennung der Union zu wünschen, zumal
wenn man erwägt, daß bereits fünf andere Territorien organisirt sind, die sich
ohne Zweifel bald in Staaten verwandeln werden, und bei denen, schon aus
geographischen Gründen, von Einführung der Sklaverei keine Rede sein kann,
nämlich Oregon (jenseits des Felsengebirges), Utah (das Mormonenland),
Minnesota (nördlich von Iowa), Nebraska (nördlich von Kansas) und
Washington (nördlich von Oregon), — deren Hinzutritt also das Ueber¬
gewicht der freien Staaten in der Union und im Congresse entschieden sichern
wird. Auch das Territorium Neumeriko — obgleich dessen geographische
Lage die Sklaverei nicht gradezu ausschließt — hat keine Sklaven und wird
ohne Zweifel als freier Staat in die Union eintreten.

Alle diese Betrachtungen geben, wie uns scheint, einen bessern Maßstab
zur Beurtheilung unserer Frage, als die wilden Reden der Parteiblätter und
der politischen Redner, die selten den wahren Sinn des Volkes abspiegeln,
und noch seltener im Stande sind, das Volk auf die Dauer über die wahre
Lage der Dinge zu täuschen. Die Amerikaner halten viel auf den „8oder ssoonä
tkouxkt", d. h. auf die nüchterne Ueberlegung, die den Augenblicken leiden¬
schaftlicher Aufregung zu folgen pflegt.

Wenn aber auch nicht Buchanans Wahl dem Süden den Sieg gegeben
hätte, so wäre doch kein Bürgerkrieg die Folge gewesen, denn

1) der Süden hat nach außen und innen dieselben allgemeinen Gründe wie
der Norden, die Trennung der Union als höchste Calamität zu scheuen. Wie
sollten namentlich die sechs Millionen Weißen, die in den Sklavenstaaten
wohnen, aber keine Sklaven halten, dazu kommen, sich dieser Calamität
aussetzen zu wollen?

2) Die Frage, ob Kansas ein Sklavenstaat werde und bleibe, oder nicht,
ist thatsächlich gar nicht von entscheidender Wichtigkeit für den Süden, wie wir
bereits gezeigt haben. Hatte doch der Süden seiner Zeit in das Mifsouri-
compromiß gewilligt, das Kansas der Sklaverei entzog und mehr als dreißig
Jahre lang sich dabei beruhigt. Auch betheiligten sich, wie wir gesehen haben,
hauptsächlich nur die angrenzenden Missourier bei der gewaltsamen Invasion
in Kansas.

3) Der jetzige Streit in Bezug aus Kansas gefährdet noch nicht daS Jn-



*) Gegenwärtig zählt daS Repräsentantenhaus 1i>4 Mitglieder aus den freien Staaten,
gegen 90 aus den Sklavenstaaten. Mithin braucht der Norden nur ernstlich zu wollen, um
den Süden und dessen Sklavengelüste gehörig zu zügeln.
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[0427] wenige Mitglieder aus Kansas hinzutreten, welche die Zahl der Repräsentanten aus den Sklavenstaaten noch bei weitem nicht auf die gleiche Zahl mit denen aus den freien Staaten bringen würden, da die Bevölkerung der letztern sich zu der der Sklavenstaaten fast wie 2 zu 1 verhält.*) Wo wäre also für den Norden ein hinlänglicher Grund, die Trennung der Union zu wünschen, zumal wenn man erwägt, daß bereits fünf andere Territorien organisirt sind, die sich ohne Zweifel bald in Staaten verwandeln werden, und bei denen, schon aus geographischen Gründen, von Einführung der Sklaverei keine Rede sein kann, nämlich Oregon (jenseits des Felsengebirges), Utah (das Mormonenland), Minnesota (nördlich von Iowa), Nebraska (nördlich von Kansas) und Washington (nördlich von Oregon), — deren Hinzutritt also das Ueber¬ gewicht der freien Staaten in der Union und im Congresse entschieden sichern wird. Auch das Territorium Neumeriko — obgleich dessen geographische Lage die Sklaverei nicht gradezu ausschließt — hat keine Sklaven und wird ohne Zweifel als freier Staat in die Union eintreten. Alle diese Betrachtungen geben, wie uns scheint, einen bessern Maßstab zur Beurtheilung unserer Frage, als die wilden Reden der Parteiblätter und der politischen Redner, die selten den wahren Sinn des Volkes abspiegeln, und noch seltener im Stande sind, das Volk auf die Dauer über die wahre Lage der Dinge zu täuschen. Die Amerikaner halten viel auf den „8oder ssoonä tkouxkt", d. h. auf die nüchterne Ueberlegung, die den Augenblicken leiden¬ schaftlicher Aufregung zu folgen pflegt. Wenn aber auch nicht Buchanans Wahl dem Süden den Sieg gegeben hätte, so wäre doch kein Bürgerkrieg die Folge gewesen, denn 1) der Süden hat nach außen und innen dieselben allgemeinen Gründe wie der Norden, die Trennung der Union als höchste Calamität zu scheuen. Wie sollten namentlich die sechs Millionen Weißen, die in den Sklavenstaaten wohnen, aber keine Sklaven halten, dazu kommen, sich dieser Calamität aussetzen zu wollen? 2) Die Frage, ob Kansas ein Sklavenstaat werde und bleibe, oder nicht, ist thatsächlich gar nicht von entscheidender Wichtigkeit für den Süden, wie wir bereits gezeigt haben. Hatte doch der Süden seiner Zeit in das Mifsouri- compromiß gewilligt, das Kansas der Sklaverei entzog und mehr als dreißig Jahre lang sich dabei beruhigt. Auch betheiligten sich, wie wir gesehen haben, hauptsächlich nur die angrenzenden Missourier bei der gewaltsamen Invasion in Kansas. 3) Der jetzige Streit in Bezug aus Kansas gefährdet noch nicht daS Jn- *) Gegenwärtig zählt daS Repräsentantenhaus 1i>4 Mitglieder aus den freien Staaten, gegen 90 aus den Sklavenstaaten. Mithin braucht der Norden nur ernstlich zu wollen, um den Süden und dessen Sklavengelüste gehörig zu zügeln. 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/427>, abgerufen am 23.07.2024.