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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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aus willkürlich und revolutionär zu verfahren. So lange nicht die Sklaven¬
staaten selbst sich von der absoluten Unvereinbarkeit der Sklaverei mit Moral
und Christenthum überzeugen und zugleich die Mittel ersinnen, die Abschaffung
derselben mit ihrem materiellen Interesse in Einklang zu bringen, kann die
civilisirte Welt nicht hoffen, dieses erfreuliche Ereigniß eintreten zu sehen.
Der Antagonismus gegen das Sklavenwesen in den Vereinigten Staaten
tritt aber in zwei ganz verschiedenen Gestatte" auf, die nicht miteinander
verwechselt werden dürfen. Ein Theil der Gegner des Sklaventhums wünscht
und betreibt dessen Abschaffung auch in den Staaten, wo sie bisher
schon bestand, -- ein anderer widersetzt sich blos der Ausdehnung der
Sklaverei aus neue Territorien, die erst später, nachdem ihre Bevölkerung
hinlänglich angewachsen, als Staaten in die Union aufgenommen werden
sollen. Die erstgenannte Partei (die eigentlichen Ab olitio n ihter), so
achtbar, ja bewundernswerth ihr Bestreben von einem sittlichen Stand¬
punkte betrachtet auch erscheint, ist für jetzt weder zahlreich noch mäch¬
tig, indem die große Mehrzahl der nördlichen Amerikaner das Ungesetz¬
liche, so wie die großen factischen Hindernisse, die der gänzlichen Abschaffung
der Sklaverei im Wege stehen, nicht verkennt und daher uur hie weitere Aus -
dehn un g derselben bekämpft. Diese letztere Partei darf man also nicht
A b o l it ioni se en nennen, obgleich die Verfechter der Sklaverei in ihrem
blinden Zorne auch sie unter diesem Namen (den sie als ein großes Schimpf¬
wort betrachten) mit einzubegrcifen pflegen. Wollte man sie mit einem ver¬
ständlichen Namen bezeichnen, so müßte man sie etwa "Nestrictionisten" oder
"Nonertcnstonisten" nennen. Der gegenwärtige Kampf nun betrifft keines¬
wegs die Abschaffung der Sklaverei in den Sklavenstaaten, sondern blos die
Einführung ober Nichteinführung derselben in das neue Territorium Kansas.

Man glaubt in Europa ziemlich allgemein, daß die sogenannten Demo¬
kraten die Einführung der Sklaverei in das Territorium Kansas positiv wollen,
und daß die sogenannten Republikaner sich dieser Einführung positiv wioersetzen.
Allein dies ist nicht ganz richtig, wenigstens nicht in Bezug auf den Stand¬
punkt der Demokraten. Der Streit dreht sich vielmehr um die Frage: Ob die
Einführung oder Nichteiuführung der Sklaverei in ein neues Territorium, ohne
Rücksicht aus den Vreitegrad, durch die Bevölkerung dieses Territoriums selbst zu ent¬
scheiden sei, oder ob diese Entscheidung'von dem Kongreß ausgehen müsse, und zwar
unter Wiederherstellung einer frühern Bestimmung (des sogenannten Missouricom-
promisses) welche die Sklaverei überhaupt nur bis zu 36' 30" nördlicher Breite
gestattete. Die Demokraten sind für das Erstere, die Republikaner für das
Letztere. Dies und nichts Anderes ist der Gegenstand des Streites, wie aus
nner kurzen Geschichte desselben auf das klarste hervorgehen wird. Wir wollen
hier nur noch bemerken, daß die beiden erwähnten Parteinamen im gegebenen


aus willkürlich und revolutionär zu verfahren. So lange nicht die Sklaven¬
staaten selbst sich von der absoluten Unvereinbarkeit der Sklaverei mit Moral
und Christenthum überzeugen und zugleich die Mittel ersinnen, die Abschaffung
derselben mit ihrem materiellen Interesse in Einklang zu bringen, kann die
civilisirte Welt nicht hoffen, dieses erfreuliche Ereigniß eintreten zu sehen.
Der Antagonismus gegen das Sklavenwesen in den Vereinigten Staaten
tritt aber in zwei ganz verschiedenen Gestatte» auf, die nicht miteinander
verwechselt werden dürfen. Ein Theil der Gegner des Sklaventhums wünscht
und betreibt dessen Abschaffung auch in den Staaten, wo sie bisher
schon bestand, — ein anderer widersetzt sich blos der Ausdehnung der
Sklaverei aus neue Territorien, die erst später, nachdem ihre Bevölkerung
hinlänglich angewachsen, als Staaten in die Union aufgenommen werden
sollen. Die erstgenannte Partei (die eigentlichen Ab olitio n ihter), so
achtbar, ja bewundernswerth ihr Bestreben von einem sittlichen Stand¬
punkte betrachtet auch erscheint, ist für jetzt weder zahlreich noch mäch¬
tig, indem die große Mehrzahl der nördlichen Amerikaner das Ungesetz¬
liche, so wie die großen factischen Hindernisse, die der gänzlichen Abschaffung
der Sklaverei im Wege stehen, nicht verkennt und daher uur hie weitere Aus -
dehn un g derselben bekämpft. Diese letztere Partei darf man also nicht
A b o l it ioni se en nennen, obgleich die Verfechter der Sklaverei in ihrem
blinden Zorne auch sie unter diesem Namen (den sie als ein großes Schimpf¬
wort betrachten) mit einzubegrcifen pflegen. Wollte man sie mit einem ver¬
ständlichen Namen bezeichnen, so müßte man sie etwa „Nestrictionisten" oder
„Nonertcnstonisten" nennen. Der gegenwärtige Kampf nun betrifft keines¬
wegs die Abschaffung der Sklaverei in den Sklavenstaaten, sondern blos die
Einführung ober Nichteinführung derselben in das neue Territorium Kansas.

Man glaubt in Europa ziemlich allgemein, daß die sogenannten Demo¬
kraten die Einführung der Sklaverei in das Territorium Kansas positiv wollen,
und daß die sogenannten Republikaner sich dieser Einführung positiv wioersetzen.
Allein dies ist nicht ganz richtig, wenigstens nicht in Bezug auf den Stand¬
punkt der Demokraten. Der Streit dreht sich vielmehr um die Frage: Ob die
Einführung oder Nichteiuführung der Sklaverei in ein neues Territorium, ohne
Rücksicht aus den Vreitegrad, durch die Bevölkerung dieses Territoriums selbst zu ent¬
scheiden sei, oder ob diese Entscheidung'von dem Kongreß ausgehen müsse, und zwar
unter Wiederherstellung einer frühern Bestimmung (des sogenannten Missouricom-
promisses) welche die Sklaverei überhaupt nur bis zu 36' 30" nördlicher Breite
gestattete. Die Demokraten sind für das Erstere, die Republikaner für das
Letztere. Dies und nichts Anderes ist der Gegenstand des Streites, wie aus
nner kurzen Geschichte desselben auf das klarste hervorgehen wird. Wir wollen
hier nur noch bemerken, daß die beiden erwähnten Parteinamen im gegebenen


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[0415] aus willkürlich und revolutionär zu verfahren. So lange nicht die Sklaven¬ staaten selbst sich von der absoluten Unvereinbarkeit der Sklaverei mit Moral und Christenthum überzeugen und zugleich die Mittel ersinnen, die Abschaffung derselben mit ihrem materiellen Interesse in Einklang zu bringen, kann die civilisirte Welt nicht hoffen, dieses erfreuliche Ereigniß eintreten zu sehen. Der Antagonismus gegen das Sklavenwesen in den Vereinigten Staaten tritt aber in zwei ganz verschiedenen Gestatte» auf, die nicht miteinander verwechselt werden dürfen. Ein Theil der Gegner des Sklaventhums wünscht und betreibt dessen Abschaffung auch in den Staaten, wo sie bisher schon bestand, — ein anderer widersetzt sich blos der Ausdehnung der Sklaverei aus neue Territorien, die erst später, nachdem ihre Bevölkerung hinlänglich angewachsen, als Staaten in die Union aufgenommen werden sollen. Die erstgenannte Partei (die eigentlichen Ab olitio n ihter), so achtbar, ja bewundernswerth ihr Bestreben von einem sittlichen Stand¬ punkte betrachtet auch erscheint, ist für jetzt weder zahlreich noch mäch¬ tig, indem die große Mehrzahl der nördlichen Amerikaner das Ungesetz¬ liche, so wie die großen factischen Hindernisse, die der gänzlichen Abschaffung der Sklaverei im Wege stehen, nicht verkennt und daher uur hie weitere Aus - dehn un g derselben bekämpft. Diese letztere Partei darf man also nicht A b o l it ioni se en nennen, obgleich die Verfechter der Sklaverei in ihrem blinden Zorne auch sie unter diesem Namen (den sie als ein großes Schimpf¬ wort betrachten) mit einzubegrcifen pflegen. Wollte man sie mit einem ver¬ ständlichen Namen bezeichnen, so müßte man sie etwa „Nestrictionisten" oder „Nonertcnstonisten" nennen. Der gegenwärtige Kampf nun betrifft keines¬ wegs die Abschaffung der Sklaverei in den Sklavenstaaten, sondern blos die Einführung ober Nichteinführung derselben in das neue Territorium Kansas. Man glaubt in Europa ziemlich allgemein, daß die sogenannten Demo¬ kraten die Einführung der Sklaverei in das Territorium Kansas positiv wollen, und daß die sogenannten Republikaner sich dieser Einführung positiv wioersetzen. Allein dies ist nicht ganz richtig, wenigstens nicht in Bezug auf den Stand¬ punkt der Demokraten. Der Streit dreht sich vielmehr um die Frage: Ob die Einführung oder Nichteiuführung der Sklaverei in ein neues Territorium, ohne Rücksicht aus den Vreitegrad, durch die Bevölkerung dieses Territoriums selbst zu ent¬ scheiden sei, oder ob diese Entscheidung'von dem Kongreß ausgehen müsse, und zwar unter Wiederherstellung einer frühern Bestimmung (des sogenannten Missouricom- promisses) welche die Sklaverei überhaupt nur bis zu 36' 30" nördlicher Breite gestattete. Die Demokraten sind für das Erstere, die Republikaner für das Letztere. Dies und nichts Anderes ist der Gegenstand des Streites, wie aus nner kurzen Geschichte desselben auf das klarste hervorgehen wird. Wir wollen hier nur noch bemerken, daß die beiden erwähnten Parteinamen im gegebenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/415>, abgerufen am 23.07.2024.