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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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weißen Bewohner der südlichen Staaten, die keine Sklaven halten und denen
die Sklaverei innerlich zuwider ist, zum Theil an diesem Kampfe gegen den
Norden lebhaften Antheil nehmen.

Zum Schluß dieser allgemeinern Betrachtungen sei uns noch die Bemer¬
kung erlaubt, daß der Vorwurf, den man in Europa so häufig hört, als ge-
reiche die Sklaverei im Süden der Vereinigten Staaten dem republikanischen
Princip zum Vorwurf, insofern grundlos ist, als sie bekanntlich schon längst
daselbst bestand, ehe die Kolonien ihre Unabhängigkeit erkämpften. Die Re¬
publik hat das Sklavenwesen von der Monarchie geerbt und ist wenigstens an
dessen Einführung durchaus unschuldig. Auch hat sie die weitere Einfuhr
von Sklaven vom 1. Januar 1808 an aufs strengste verboten und diese
Einfuhr hat factisch seitdem unbedingt aufgehört. Die große Vermehrung der
Sklavenzahl seit jener Zeit ist lediglich ein Resultat der natürlichen Fort¬
pflanzung.

Aber warum unterbleibt die gänzliche Abschaffung der Sklaverei, da
doch Gleichheit der Menschenrechte das Grundprincip der großen Republik ist?
Warum räumt sie nicht dadurch das einzige Hinderniß weg, das ihrem fröh¬
lichsten Gedeihen im Wege steht, -- die einzige Quelle ernstlicher Zwietracht
und Gefahr, die in ihrem Schoße eristirt, -- den einzigen Schandfleck, der
in den Augen der gesitteten Welt ihre Ehre schmälert?

Die Antwort auf diese Frage ist leider nur allzu handgreiflich. Die Union
schafft das Sklavenwesen nicht ab, weil--abgesehen von allen oben angeführ¬
ten Hindernissen und abgesehen davon, daß eine Entschädigung aus den
Mitteln der Union unmöglich wäre, da sie blos sür die drei Millionen Skla¬
ven (jeden auch nur zu 400 Dollars gerechnet) zwölfhundert Millionen Dollars
betragen würde, -- weil der Congreß der Vereinigten Staaten, seiner
verfassungsmäßigen Einrichtung nach, völlig incompetent ist, die Auf¬
hebung der Sklaverei zu beschließen. Denn die einzelnen Staaten sind
bekanntlich souverain in allem, was ihre innern Angelegenheiten be¬
trifft. Sie haben der Centralbehörde der Union (dem Präsidenten und
Congreß) nur gewisse, in der Verfassungsurkunde speciell definirte
Befugnisse übertragen, und die Regulirung oder gar Aufhebung der Sklaverei
in den Staaten*) gehört nicht zu diesen Befugnissen. Die Sklavenfrage
wird, wie natürlich, als Eigenthumsfrage betrachtet, und als solche fällt
sie ausschließlich unter die Competenz der Gesetzgebung jedes einzelnen Staates.
Der Präsident und die beiden Häuser des Congresses könnten sonach, auch
bei dem besten Willen und den humanster Gesinnungen, in das Sklavenwesen,
so weit es die schon bestehenden Staaten betrifft, nicht eingreifen, ohne durch-



*) In Betreff der "Territorien" ist es anders, wie wir später sehen werden.

weißen Bewohner der südlichen Staaten, die keine Sklaven halten und denen
die Sklaverei innerlich zuwider ist, zum Theil an diesem Kampfe gegen den
Norden lebhaften Antheil nehmen.

Zum Schluß dieser allgemeinern Betrachtungen sei uns noch die Bemer¬
kung erlaubt, daß der Vorwurf, den man in Europa so häufig hört, als ge-
reiche die Sklaverei im Süden der Vereinigten Staaten dem republikanischen
Princip zum Vorwurf, insofern grundlos ist, als sie bekanntlich schon längst
daselbst bestand, ehe die Kolonien ihre Unabhängigkeit erkämpften. Die Re¬
publik hat das Sklavenwesen von der Monarchie geerbt und ist wenigstens an
dessen Einführung durchaus unschuldig. Auch hat sie die weitere Einfuhr
von Sklaven vom 1. Januar 1808 an aufs strengste verboten und diese
Einfuhr hat factisch seitdem unbedingt aufgehört. Die große Vermehrung der
Sklavenzahl seit jener Zeit ist lediglich ein Resultat der natürlichen Fort¬
pflanzung.

Aber warum unterbleibt die gänzliche Abschaffung der Sklaverei, da
doch Gleichheit der Menschenrechte das Grundprincip der großen Republik ist?
Warum räumt sie nicht dadurch das einzige Hinderniß weg, das ihrem fröh¬
lichsten Gedeihen im Wege steht, — die einzige Quelle ernstlicher Zwietracht
und Gefahr, die in ihrem Schoße eristirt, — den einzigen Schandfleck, der
in den Augen der gesitteten Welt ihre Ehre schmälert?

Die Antwort auf diese Frage ist leider nur allzu handgreiflich. Die Union
schafft das Sklavenwesen nicht ab, weil—abgesehen von allen oben angeführ¬
ten Hindernissen und abgesehen davon, daß eine Entschädigung aus den
Mitteln der Union unmöglich wäre, da sie blos sür die drei Millionen Skla¬
ven (jeden auch nur zu 400 Dollars gerechnet) zwölfhundert Millionen Dollars
betragen würde, — weil der Congreß der Vereinigten Staaten, seiner
verfassungsmäßigen Einrichtung nach, völlig incompetent ist, die Auf¬
hebung der Sklaverei zu beschließen. Denn die einzelnen Staaten sind
bekanntlich souverain in allem, was ihre innern Angelegenheiten be¬
trifft. Sie haben der Centralbehörde der Union (dem Präsidenten und
Congreß) nur gewisse, in der Verfassungsurkunde speciell definirte
Befugnisse übertragen, und die Regulirung oder gar Aufhebung der Sklaverei
in den Staaten*) gehört nicht zu diesen Befugnissen. Die Sklavenfrage
wird, wie natürlich, als Eigenthumsfrage betrachtet, und als solche fällt
sie ausschließlich unter die Competenz der Gesetzgebung jedes einzelnen Staates.
Der Präsident und die beiden Häuser des Congresses könnten sonach, auch
bei dem besten Willen und den humanster Gesinnungen, in das Sklavenwesen,
so weit es die schon bestehenden Staaten betrifft, nicht eingreifen, ohne durch-



*) In Betreff der „Territorien" ist es anders, wie wir später sehen werden.
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[0414] weißen Bewohner der südlichen Staaten, die keine Sklaven halten und denen die Sklaverei innerlich zuwider ist, zum Theil an diesem Kampfe gegen den Norden lebhaften Antheil nehmen. Zum Schluß dieser allgemeinern Betrachtungen sei uns noch die Bemer¬ kung erlaubt, daß der Vorwurf, den man in Europa so häufig hört, als ge- reiche die Sklaverei im Süden der Vereinigten Staaten dem republikanischen Princip zum Vorwurf, insofern grundlos ist, als sie bekanntlich schon längst daselbst bestand, ehe die Kolonien ihre Unabhängigkeit erkämpften. Die Re¬ publik hat das Sklavenwesen von der Monarchie geerbt und ist wenigstens an dessen Einführung durchaus unschuldig. Auch hat sie die weitere Einfuhr von Sklaven vom 1. Januar 1808 an aufs strengste verboten und diese Einfuhr hat factisch seitdem unbedingt aufgehört. Die große Vermehrung der Sklavenzahl seit jener Zeit ist lediglich ein Resultat der natürlichen Fort¬ pflanzung. Aber warum unterbleibt die gänzliche Abschaffung der Sklaverei, da doch Gleichheit der Menschenrechte das Grundprincip der großen Republik ist? Warum räumt sie nicht dadurch das einzige Hinderniß weg, das ihrem fröh¬ lichsten Gedeihen im Wege steht, — die einzige Quelle ernstlicher Zwietracht und Gefahr, die in ihrem Schoße eristirt, — den einzigen Schandfleck, der in den Augen der gesitteten Welt ihre Ehre schmälert? Die Antwort auf diese Frage ist leider nur allzu handgreiflich. Die Union schafft das Sklavenwesen nicht ab, weil—abgesehen von allen oben angeführ¬ ten Hindernissen und abgesehen davon, daß eine Entschädigung aus den Mitteln der Union unmöglich wäre, da sie blos sür die drei Millionen Skla¬ ven (jeden auch nur zu 400 Dollars gerechnet) zwölfhundert Millionen Dollars betragen würde, — weil der Congreß der Vereinigten Staaten, seiner verfassungsmäßigen Einrichtung nach, völlig incompetent ist, die Auf¬ hebung der Sklaverei zu beschließen. Denn die einzelnen Staaten sind bekanntlich souverain in allem, was ihre innern Angelegenheiten be¬ trifft. Sie haben der Centralbehörde der Union (dem Präsidenten und Congreß) nur gewisse, in der Verfassungsurkunde speciell definirte Befugnisse übertragen, und die Regulirung oder gar Aufhebung der Sklaverei in den Staaten*) gehört nicht zu diesen Befugnissen. Die Sklavenfrage wird, wie natürlich, als Eigenthumsfrage betrachtet, und als solche fällt sie ausschließlich unter die Competenz der Gesetzgebung jedes einzelnen Staates. Der Präsident und die beiden Häuser des Congresses könnten sonach, auch bei dem besten Willen und den humanster Gesinnungen, in das Sklavenwesen, so weit es die schon bestehenden Staaten betrifft, nicht eingreifen, ohne durch- *) In Betreff der „Territorien" ist es anders, wie wir später sehen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/414>, abgerufen am 23.07.2024.