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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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etwa 9 Millionen! Und dieses Proletariat mit dem grimmigsten Haß erfüllt
gegen ihre gewesenen Unterdrücker und Quäler! Würden sie gern, würden sie
tüchtig und getreu für jene arbeiten? Würden sie, des Elends gewohnt und
früher nur durch die Peitsche zur Arbeit gezwungen, nicht lieber jeden andern
Ausweg zur Fristung ihres Lebens suchen? Würden sie nicht lieber sich in
große Banden zusammenthun, um von Diebstahl, Raub und Mord zu leben,
was sie wol nur als gerechte Wiedervergeltung für früher erduldete Ungerechtig¬
keit und Mißhandlung betrachten würden? Könnte nicht auf diese Weise ein
Zustand eintreten, der die völlige Vertilgung der schwarzen Race als Noth¬
wendigkeit erscheinen ließe? Und welche Einbildungskraft wäre im Stande,
sich die Greuelscenen auszumalen, welche ein innerer Krieg dieser Art hervor¬
rufen würde? -- Und ferner, in welchem Verhältnisse sollten diese emancipir-
ten Sklaven, bei der republikanischen Verfassung aller Sklavenstaaten, zu
dem Gemeinwesen stehen? Sollte man diesen unwissenden, rohen, besitzlosen
Menschen, bei denen überdies kein patriotisches Gefühl, keine Anhänglichkeit
an das Land und dessen Institutionen vorausgesetzt werden dürfte, das volle
Bürgerrecht, also directen Einfluß auf alle öffentlichen Angelegenheiten ver¬
leihen, -- sollte man ihnen gestatten, zu allen Staatsämtern zu wählen und
gewählt zu werden? Unmöglich! das volle Bürgerrecht müßte ihnen versagt
werden, und^dann hätte der Staat eine zahlreiche Classe von Parias, was
principiell ebenso unwürdig als praktisch gefährlich wäre. Wer nicht blind ist
oder sein will, kann die Größe dieser Schwierigkeiten nicht verkennen, und
wir haben sie nicht alle aufgezählt. An ihnen scheiterte vor etwa zehn Jah¬
ren ein Plan, den der jetzt verstorbene Henry Clay, einer der größten Staats¬
männer der Union und selbst Sklavenbesitzer (in Kentucky) zur allmäligen Ab¬
schaffung der Sklaverei ausgearbeiter und sämmtlichen Sklavenstaaten zur Be¬
rathung vorgelegt hatte.

Der dritte Hauptgrund der großen Leidenschaftlichkeit der Sklavenhalter ist
ihr Zorn über die Einmischung deS Nordens in diese Sache, die sie als eine
Eigenthumsfrage und als eine innere Angelegenheit des Südens betrachten,
was sie, wenn man von den Rücksichten der allgemeinen, Humanität und Moral
absieht, in der That auch ist. Es ist vielfach und vielleicht nicht ganz mit
Unrecht behauptet worden, daß die Emancipation der Sklaven im Süden der
Vereinigten Staaten bereits weit größere Fortschritte durch freiwillige Maß
regeln der Sklavenstaaten gemacht haben würde, wenn der Adolitionismu6
des Nordens sich nicht eingemischt und die Galle der Sklavenhalter stets auf¬
geregt hätte. Namentlich soll dies wesentlich mitgewirkt haben, den erwähn¬
ten Vorschlägen von Henry Clay zur allgemeinen, aber allmäligen Aufhebung
der Sklaverei Hindernisse in den Weg zu legen. Aus diesem Unwillen über
unbefugte Einmischung erklärt sich auch hauptsächlich , warum selbst diejenigen


etwa 9 Millionen! Und dieses Proletariat mit dem grimmigsten Haß erfüllt
gegen ihre gewesenen Unterdrücker und Quäler! Würden sie gern, würden sie
tüchtig und getreu für jene arbeiten? Würden sie, des Elends gewohnt und
früher nur durch die Peitsche zur Arbeit gezwungen, nicht lieber jeden andern
Ausweg zur Fristung ihres Lebens suchen? Würden sie nicht lieber sich in
große Banden zusammenthun, um von Diebstahl, Raub und Mord zu leben,
was sie wol nur als gerechte Wiedervergeltung für früher erduldete Ungerechtig¬
keit und Mißhandlung betrachten würden? Könnte nicht auf diese Weise ein
Zustand eintreten, der die völlige Vertilgung der schwarzen Race als Noth¬
wendigkeit erscheinen ließe? Und welche Einbildungskraft wäre im Stande,
sich die Greuelscenen auszumalen, welche ein innerer Krieg dieser Art hervor¬
rufen würde? — Und ferner, in welchem Verhältnisse sollten diese emancipir-
ten Sklaven, bei der republikanischen Verfassung aller Sklavenstaaten, zu
dem Gemeinwesen stehen? Sollte man diesen unwissenden, rohen, besitzlosen
Menschen, bei denen überdies kein patriotisches Gefühl, keine Anhänglichkeit
an das Land und dessen Institutionen vorausgesetzt werden dürfte, das volle
Bürgerrecht, also directen Einfluß auf alle öffentlichen Angelegenheiten ver¬
leihen, — sollte man ihnen gestatten, zu allen Staatsämtern zu wählen und
gewählt zu werden? Unmöglich! das volle Bürgerrecht müßte ihnen versagt
werden, und^dann hätte der Staat eine zahlreiche Classe von Parias, was
principiell ebenso unwürdig als praktisch gefährlich wäre. Wer nicht blind ist
oder sein will, kann die Größe dieser Schwierigkeiten nicht verkennen, und
wir haben sie nicht alle aufgezählt. An ihnen scheiterte vor etwa zehn Jah¬
ren ein Plan, den der jetzt verstorbene Henry Clay, einer der größten Staats¬
männer der Union und selbst Sklavenbesitzer (in Kentucky) zur allmäligen Ab¬
schaffung der Sklaverei ausgearbeiter und sämmtlichen Sklavenstaaten zur Be¬
rathung vorgelegt hatte.

Der dritte Hauptgrund der großen Leidenschaftlichkeit der Sklavenhalter ist
ihr Zorn über die Einmischung deS Nordens in diese Sache, die sie als eine
Eigenthumsfrage und als eine innere Angelegenheit des Südens betrachten,
was sie, wenn man von den Rücksichten der allgemeinen, Humanität und Moral
absieht, in der That auch ist. Es ist vielfach und vielleicht nicht ganz mit
Unrecht behauptet worden, daß die Emancipation der Sklaven im Süden der
Vereinigten Staaten bereits weit größere Fortschritte durch freiwillige Maß
regeln der Sklavenstaaten gemacht haben würde, wenn der Adolitionismu6
des Nordens sich nicht eingemischt und die Galle der Sklavenhalter stets auf¬
geregt hätte. Namentlich soll dies wesentlich mitgewirkt haben, den erwähn¬
ten Vorschlägen von Henry Clay zur allgemeinen, aber allmäligen Aufhebung
der Sklaverei Hindernisse in den Weg zu legen. Aus diesem Unwillen über
unbefugte Einmischung erklärt sich auch hauptsächlich , warum selbst diejenigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/413>, abgerufen am 23.07.2024.