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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Der Kampf um die Sklaverei in den Vereinigten
Staaten.

Keine der neuern Erscheinungen in der Geschichte der Vereinigten Staaten
von Nordamerika hat das Interesse der übrigen Welt in so hohem Grade er¬
regt, als der heftige Kampf wegen Ausdehnung der Sklaverei auf neue
Territorien und Staaten der Union. Dieser Kampf ist nicht neu; er fand
schon bei frühern Veranlassungen statt, hat aber jetzt wahrscheinlich seinen
Höhepunkt erreicht, -- ja er steigerte sich vor einigen Monaten in dem zu¬
nächst in Frage stehenden Territorium (Kansas) bis zu einem blutigen und
erbitterten Bürgerkriege. Während hier die Vorfechter der Sklaverei und die
Gegner derselben einander kleine, aber mörderische Gefechte lieferten, verbreitete
sich im ganzen Umfange der Vereinigten Staaten die größte Aufregung, die
zunächst ihren Zielpunkt in der bevorstehenden Präsidentenwahl fand, indem
beide Theile voraussetzten, daß das Ergebniß dieser Wahl von entscheidenden
Einfluß aus die Lösung dieser großen Nationalfrage sein werde. Die Namen
Buchanan und Fillmore galten als Vertreter des Sklaventhums, der
Name Fremont als Symbol der Ausschließung desselben, -- mit welchem
Rechte, das ist eine Frage, die wir später etwas näher prüfen werden.

In Deutschland fragt man sich erstaunt, was dieser Kampf bedeute
und wohin er führen werde. Die Aengstlichen und die, welchen die "Selbst¬
regierung" im Princip mißliebig ist, betrachten ihn als ein Symptom der
nahen Auflösung des großen Freistaatenbundes. Diejenigen, welche ein Inter¬
esse anderer Art für die Vereinigten Staaten empfinden und weniger schreck¬
haft sind, können sich wenigstens großer Besorgnisse nicht erwehren. Die Un¬
gewißheit wird noch vermehrt durch die seltsam klingenden Namen, welche die
beiden streitenden Parteien sich beigelegt haben. > "Demokraten und Re¬
publikaner" stehen einander gegenüber. Sonst war man gewöhnt, diese
Worte als ziemlich gleichbedeutend zu betrachten, -- hier erscheinen sie zum
ersten Mal als scharfe und feindselige Gegensätze! Hecker hält seuersprühende
Reden gegen die Demokraten. So sehr verkehrt sich die Welt. -- Wenn


. Grenzboten. IV. 18L6.
Der Kampf um die Sklaverei in den Vereinigten
Staaten.

Keine der neuern Erscheinungen in der Geschichte der Vereinigten Staaten
von Nordamerika hat das Interesse der übrigen Welt in so hohem Grade er¬
regt, als der heftige Kampf wegen Ausdehnung der Sklaverei auf neue
Territorien und Staaten der Union. Dieser Kampf ist nicht neu; er fand
schon bei frühern Veranlassungen statt, hat aber jetzt wahrscheinlich seinen
Höhepunkt erreicht, — ja er steigerte sich vor einigen Monaten in dem zu¬
nächst in Frage stehenden Territorium (Kansas) bis zu einem blutigen und
erbitterten Bürgerkriege. Während hier die Vorfechter der Sklaverei und die
Gegner derselben einander kleine, aber mörderische Gefechte lieferten, verbreitete
sich im ganzen Umfange der Vereinigten Staaten die größte Aufregung, die
zunächst ihren Zielpunkt in der bevorstehenden Präsidentenwahl fand, indem
beide Theile voraussetzten, daß das Ergebniß dieser Wahl von entscheidenden
Einfluß aus die Lösung dieser großen Nationalfrage sein werde. Die Namen
Buchanan und Fillmore galten als Vertreter des Sklaventhums, der
Name Fremont als Symbol der Ausschließung desselben, — mit welchem
Rechte, das ist eine Frage, die wir später etwas näher prüfen werden.

In Deutschland fragt man sich erstaunt, was dieser Kampf bedeute
und wohin er führen werde. Die Aengstlichen und die, welchen die „Selbst¬
regierung" im Princip mißliebig ist, betrachten ihn als ein Symptom der
nahen Auflösung des großen Freistaatenbundes. Diejenigen, welche ein Inter¬
esse anderer Art für die Vereinigten Staaten empfinden und weniger schreck¬
haft sind, können sich wenigstens großer Besorgnisse nicht erwehren. Die Un¬
gewißheit wird noch vermehrt durch die seltsam klingenden Namen, welche die
beiden streitenden Parteien sich beigelegt haben. > „Demokraten und Re¬
publikaner" stehen einander gegenüber. Sonst war man gewöhnt, diese
Worte als ziemlich gleichbedeutend zu betrachten, — hier erscheinen sie zum
ersten Mal als scharfe und feindselige Gegensätze! Hecker hält seuersprühende
Reden gegen die Demokraten. So sehr verkehrt sich die Welt. — Wenn


. Grenzboten. IV. 18L6.
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[0409] Der Kampf um die Sklaverei in den Vereinigten Staaten. Keine der neuern Erscheinungen in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Nordamerika hat das Interesse der übrigen Welt in so hohem Grade er¬ regt, als der heftige Kampf wegen Ausdehnung der Sklaverei auf neue Territorien und Staaten der Union. Dieser Kampf ist nicht neu; er fand schon bei frühern Veranlassungen statt, hat aber jetzt wahrscheinlich seinen Höhepunkt erreicht, — ja er steigerte sich vor einigen Monaten in dem zu¬ nächst in Frage stehenden Territorium (Kansas) bis zu einem blutigen und erbitterten Bürgerkriege. Während hier die Vorfechter der Sklaverei und die Gegner derselben einander kleine, aber mörderische Gefechte lieferten, verbreitete sich im ganzen Umfange der Vereinigten Staaten die größte Aufregung, die zunächst ihren Zielpunkt in der bevorstehenden Präsidentenwahl fand, indem beide Theile voraussetzten, daß das Ergebniß dieser Wahl von entscheidenden Einfluß aus die Lösung dieser großen Nationalfrage sein werde. Die Namen Buchanan und Fillmore galten als Vertreter des Sklaventhums, der Name Fremont als Symbol der Ausschließung desselben, — mit welchem Rechte, das ist eine Frage, die wir später etwas näher prüfen werden. In Deutschland fragt man sich erstaunt, was dieser Kampf bedeute und wohin er führen werde. Die Aengstlichen und die, welchen die „Selbst¬ regierung" im Princip mißliebig ist, betrachten ihn als ein Symptom der nahen Auflösung des großen Freistaatenbundes. Diejenigen, welche ein Inter¬ esse anderer Art für die Vereinigten Staaten empfinden und weniger schreck¬ haft sind, können sich wenigstens großer Besorgnisse nicht erwehren. Die Un¬ gewißheit wird noch vermehrt durch die seltsam klingenden Namen, welche die beiden streitenden Parteien sich beigelegt haben. > „Demokraten und Re¬ publikaner" stehen einander gegenüber. Sonst war man gewöhnt, diese Worte als ziemlich gleichbedeutend zu betrachten, — hier erscheinen sie zum ersten Mal als scharfe und feindselige Gegensätze! Hecker hält seuersprühende Reden gegen die Demokraten. So sehr verkehrt sich die Welt. — Wenn . Grenzboten. IV. 18L6.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/409>, abgerufen am 23.07.2024.