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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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mußte auftreten und reden, weil wir ihn hören wollten. Er trat denn auf
und bekräftigte nochmals vor dem Volke, das er,schlechterdings nicht als Staats¬
minister, sondern nur als Privatmann bei dieser Wahl Einfluß gehabt habe.

Nachdem nun alles vorbei war, so zeigte sich der Muthwille des engli¬
schen Pöbels im höchsten Grade. Binnen wenigen Minuten war das ganze
breterne Gerüst mit Bänken und Stühlen abgebrochen und die Matten, womit
es bedeckt war, in tausend lange Streifen zerrissen, womit der Pöbel einen
Cirkel schloß, in welchem Vornehme und Geringe gefangen wurden, was nur
in den Weg kam, und so zog das Volk im Triumph durch die Straßen.

Hier führt doch ein jeder, bis auf den Geringsten, den Namen Vater¬
land im Munde, den man bei uns nur von Dichtern nennen hört, lior w.^
e"uni.i^ I'it steck evLi^ cirop ok bluoä I sagte der kleine Jacky in unserem
Hause, ein Knabe der kaum zwölf Jahre alt ist. Vaterlandsliebe und kriege¬
rische Tapferkeit ist gemeiniglich der Inhalt der Balladen und Volkslieder,
welche auf den Straßen von Weigern abgesungen und für wenige Pfennige
verkauft werden. Dabei geht die Verachtung des Volkes gegen den König
erstaunlich weit. Our XinK is g, IZlooKIrLircl I habe ich wer weiß wie oft sagen
hören; indem man zu gleicher Zeir den König von Preußen mit Lobsprüchen
bis an den.Himmel erhob. Dieser habe einen kleinen Kopf, hieß es, aber
hundermal so viel Verstand darin, als der König von England in seinem ziem¬
lich dicken Kopfe. Ja!, bei einigen ging die Verehrung gegen unseren
Monarchen so weit, daß sie sich ihn im Ernst zum Könige wünschten. Nur
wunderten ste sich über die große Menge Soldaten, die er hält, und daß allein
in Berlin eine so große Anzahl davon einquartirt sind, da sich in London, oder
der eigentlichen City, nicht einmal ein Trupp Soldaten von des Königs Garde
darf blicken lassen. -- So stand Preußen im Jahre 1782.




Die mecklenburgische Verfassung.

Nehmen Sie als Axiom an, daß der Meck¬
lenburger eine große Liebe zu seinem Vaterlande hat d. h. zu Mecklenburg. Denn
daß er außerdem noch das große schöne Deutschland so nennen könnte, fällt ihm
nicht im Traume ein; als Begriff, oder als geographische Eintheilung läßt er es
sich wohl gefallen, im Uebrigen steht ihm das deutsche Vaterland so fern, wie etwa
dem Oestreicher. -- Und darf man ihm das so sehr verdenken?

Selten kommt der Mecklenburger mit andern großen und kleinen Völkern
Deutschlands in Berührung, und erst seit Dampfkraft die raschere Rcisebesvrderung
übernommen hat, schaut sich auch hier und da ein Obotrite in entfernteren Pro¬
vinzen um, wie in Berlin oder Hamburg, die ihm beide, wenn anch nur traditio¬
nell, wohl bekannt sind. Mecklenburgische Geschichte und Verfassung sind Fremd¬
lingen sehr wenig bekannt. Wir besitzen drei bis vier nicht verwerfliche Geschichts-
werke, wenig statistisches, manche Urkunden im fürstlichen, städtischen und Privatbesitze,

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mußte auftreten und reden, weil wir ihn hören wollten. Er trat denn auf
und bekräftigte nochmals vor dem Volke, das er,schlechterdings nicht als Staats¬
minister, sondern nur als Privatmann bei dieser Wahl Einfluß gehabt habe.

Nachdem nun alles vorbei war, so zeigte sich der Muthwille des engli¬
schen Pöbels im höchsten Grade. Binnen wenigen Minuten war das ganze
breterne Gerüst mit Bänken und Stühlen abgebrochen und die Matten, womit
es bedeckt war, in tausend lange Streifen zerrissen, womit der Pöbel einen
Cirkel schloß, in welchem Vornehme und Geringe gefangen wurden, was nur
in den Weg kam, und so zog das Volk im Triumph durch die Straßen.

Hier führt doch ein jeder, bis auf den Geringsten, den Namen Vater¬
land im Munde, den man bei uns nur von Dichtern nennen hört, lior w.^
e»uni.i^ I'it steck evLi^ cirop ok bluoä I sagte der kleine Jacky in unserem
Hause, ein Knabe der kaum zwölf Jahre alt ist. Vaterlandsliebe und kriege¬
rische Tapferkeit ist gemeiniglich der Inhalt der Balladen und Volkslieder,
welche auf den Straßen von Weigern abgesungen und für wenige Pfennige
verkauft werden. Dabei geht die Verachtung des Volkes gegen den König
erstaunlich weit. Our XinK is g, IZlooKIrLircl I habe ich wer weiß wie oft sagen
hören; indem man zu gleicher Zeir den König von Preußen mit Lobsprüchen
bis an den.Himmel erhob. Dieser habe einen kleinen Kopf, hieß es, aber
hundermal so viel Verstand darin, als der König von England in seinem ziem¬
lich dicken Kopfe. Ja!, bei einigen ging die Verehrung gegen unseren
Monarchen so weit, daß sie sich ihn im Ernst zum Könige wünschten. Nur
wunderten ste sich über die große Menge Soldaten, die er hält, und daß allein
in Berlin eine so große Anzahl davon einquartirt sind, da sich in London, oder
der eigentlichen City, nicht einmal ein Trupp Soldaten von des Königs Garde
darf blicken lassen. — So stand Preußen im Jahre 1782.




Die mecklenburgische Verfassung.

Nehmen Sie als Axiom an, daß der Meck¬
lenburger eine große Liebe zu seinem Vaterlande hat d. h. zu Mecklenburg. Denn
daß er außerdem noch das große schöne Deutschland so nennen könnte, fällt ihm
nicht im Traume ein; als Begriff, oder als geographische Eintheilung läßt er es
sich wohl gefallen, im Uebrigen steht ihm das deutsche Vaterland so fern, wie etwa
dem Oestreicher. — Und darf man ihm das so sehr verdenken?

Selten kommt der Mecklenburger mit andern großen und kleinen Völkern
Deutschlands in Berührung, und erst seit Dampfkraft die raschere Rcisebesvrderung
übernommen hat, schaut sich auch hier und da ein Obotrite in entfernteren Pro¬
vinzen um, wie in Berlin oder Hamburg, die ihm beide, wenn anch nur traditio¬
nell, wohl bekannt sind. Mecklenburgische Geschichte und Verfassung sind Fremd¬
lingen sehr wenig bekannt. Wir besitzen drei bis vier nicht verwerfliche Geschichts-
werke, wenig statistisches, manche Urkunden im fürstlichen, städtischen und Privatbesitze,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/362>, abgerufen am 23.07.2024.