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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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geben haben. Ich kann nicht umhin, bei dieser Occasion zu berichten, wie es
mir zu Mainz ergangen; denn als ich Anno 16^2 von Hamburg nach Stra߬
burg reisete, und zu Frankfurt in der Messe 14 Tage stille liegen mußt", bin
ich nach Mainz, vier Meil von dorten, abgefahren. Als auch eben der Sonn'
tag einfiel und ein sonderlich Fest bei den Catholicis gehalten wurde, so er¬
kundigte ich mich, in welche Kirche der Kurfürst zur Messe fahren würde, be¬
gab mich auch dahin und, fand in der Kirchen viele devote Leute, die auf
ihren Knien saßen, der eine hatte sein rossrium oder Rosenkranz in der Hand
und betete das Ave Maria und Pater noster, andere schlugen mit ihrer Hand
an die Brust, wie der bußfertige Zöllner, und bereueten ihre Sünde, ich be¬
sahe das Völkchen so etwas, und lobete ihre Devotion und wünschete dabei,
daß man bei uns Lutheranern auch eine gute Devotion auch in äußerlichen
Geberden in den Kirchen verspüren möchte. Inmittelst kam der Kurfürst ge¬
fahren und ging ins Chor. Ich als ein vorwitziger junger Mensch drang
mich mit hinein und weil ich wvhlgckleidet war und einen rothen scharlachen
Mantel umhatte, so ließen auch die Hellbardirer mich passtren und sahen
mich sür einen jungen Edelmann an. Unterdessen sang der Herr von Andlaw
die Messe in pontikLÄlibug, das ist, er hatte einen Bischofshut oder Mütze
auf sein Haupt und einen Bischofsstab in seine Hand, ich sahe allen diesen
Cerimonien mit guten Gedanken zu und war alles noch wohl, als aber der
Herr von Andlaw den gesegneten Kelch emporhielt, da knieten alle die bei
mir standen nieder, welches ich auch that und ein Vaterunser betete. Hierzu
bin ich aus Vorwitz gekommen, Du aber aus Recht,.und hoffe zu Gott, er
werde mir und Dir den Fehler vergeben haben. Ich bin sonsten in Frank¬
reich und sonderlich zu Orleans des Sonnjag Nachmittags öfters in den katho¬
lischen Kirchen gewesen und habe eine gute Musik gehöret, und haben mir
weder Arme noch Beine gebebet, wie Du schreibest, daß Dir widerfahren.
Man muß so kein Banghase sein, sondern allemal ein beständiges standhaftes
Herz haben. Du meldest, daß in Lissabon viel Pfaffen, auch viel Kirchen
und Klöster sein. Wohl! laß da noch so viel sein, das gehet Dich nicht an,
laß nochmal so viel Pfaffen da sein, sie werden Dich nicht beißen, warte Du
das Deinige ab. In die Messe zu gehen und in die Kirche, dazu nöthiget
man niemanden, und wenn Du um die Osterzeit einen Zettel von einem
Geistlichen kannst haben, als ob Du gebeichtet und communiciret hättest, so
hast Du um die Geistlichkeit Dich nicht mehr zu bekümmern. Wann Dir
auch von ferne die Pfaffen mit der gesegneten Hostie werden begegnen, wirst
Du alle Vorsichtigkeit gebrauchen und einen Umweg nehmen oder in ein
Haus gehen.

Du schreibst auch, daß Du allbereits viele MißgönnerS da habest, und
daß Frick und Anflug die größesten seien. Mein Sohn! wer hat keine Miß-


geben haben. Ich kann nicht umhin, bei dieser Occasion zu berichten, wie es
mir zu Mainz ergangen; denn als ich Anno 16^2 von Hamburg nach Stra߬
burg reisete, und zu Frankfurt in der Messe 14 Tage stille liegen mußt«, bin
ich nach Mainz, vier Meil von dorten, abgefahren. Als auch eben der Sonn'
tag einfiel und ein sonderlich Fest bei den Catholicis gehalten wurde, so er¬
kundigte ich mich, in welche Kirche der Kurfürst zur Messe fahren würde, be¬
gab mich auch dahin und, fand in der Kirchen viele devote Leute, die auf
ihren Knien saßen, der eine hatte sein rossrium oder Rosenkranz in der Hand
und betete das Ave Maria und Pater noster, andere schlugen mit ihrer Hand
an die Brust, wie der bußfertige Zöllner, und bereueten ihre Sünde, ich be¬
sahe das Völkchen so etwas, und lobete ihre Devotion und wünschete dabei,
daß man bei uns Lutheranern auch eine gute Devotion auch in äußerlichen
Geberden in den Kirchen verspüren möchte. Inmittelst kam der Kurfürst ge¬
fahren und ging ins Chor. Ich als ein vorwitziger junger Mensch drang
mich mit hinein und weil ich wvhlgckleidet war und einen rothen scharlachen
Mantel umhatte, so ließen auch die Hellbardirer mich passtren und sahen
mich sür einen jungen Edelmann an. Unterdessen sang der Herr von Andlaw
die Messe in pontikLÄlibug, das ist, er hatte einen Bischofshut oder Mütze
auf sein Haupt und einen Bischofsstab in seine Hand, ich sahe allen diesen
Cerimonien mit guten Gedanken zu und war alles noch wohl, als aber der
Herr von Andlaw den gesegneten Kelch emporhielt, da knieten alle die bei
mir standen nieder, welches ich auch that und ein Vaterunser betete. Hierzu
bin ich aus Vorwitz gekommen, Du aber aus Recht,.und hoffe zu Gott, er
werde mir und Dir den Fehler vergeben haben. Ich bin sonsten in Frank¬
reich und sonderlich zu Orleans des Sonnjag Nachmittags öfters in den katho¬
lischen Kirchen gewesen und habe eine gute Musik gehöret, und haben mir
weder Arme noch Beine gebebet, wie Du schreibest, daß Dir widerfahren.
Man muß so kein Banghase sein, sondern allemal ein beständiges standhaftes
Herz haben. Du meldest, daß in Lissabon viel Pfaffen, auch viel Kirchen
und Klöster sein. Wohl! laß da noch so viel sein, das gehet Dich nicht an,
laß nochmal so viel Pfaffen da sein, sie werden Dich nicht beißen, warte Du
das Deinige ab. In die Messe zu gehen und in die Kirche, dazu nöthiget
man niemanden, und wenn Du um die Osterzeit einen Zettel von einem
Geistlichen kannst haben, als ob Du gebeichtet und communiciret hättest, so
hast Du um die Geistlichkeit Dich nicht mehr zu bekümmern. Wann Dir
auch von ferne die Pfaffen mit der gesegneten Hostie werden begegnen, wirst
Du alle Vorsichtigkeit gebrauchen und einen Umweg nehmen oder in ein
Haus gehen.

Du schreibst auch, daß Du allbereits viele MißgönnerS da habest, und
daß Frick und Anflug die größesten seien. Mein Sohn! wer hat keine Miß-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/357>, abgerufen am 23.07.2024.