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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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ein peinliches Befremden hervorzubringen droht, so sei hier das Sachverhältniß
wahrheitsgetreu dargestellt.

Zu Stande gekommen sind diese Promotionen nach altem Brauche durch
Einstimmigkeit sämmtlicher Mitglieder der betreffenden Facultäten. Es ist also
dabei einer etwaigen oppositionellen Mehrheit in einer oder der andern Facttl-
tät von vornherein nicht möglich gewesen, eine conservative Minderheit zu
überstimmen und Kandidaten einer bestimmten politischen Färbung durchzusetzen,
da jeder Einspruch nur eines Mitgliedes jede Wahl verhindern
konnte. Eine politische Demonstration war also nur möglich, wenn alle
Mitglieder einer Facultät sich dazu verbanden, oder wenn die dissentirenden
so schwach waren, daß sie sich von ihren College" vollstänvig überrumpeln
ließen. Eine jede Facultät serner creirt bei solchen Gelegenheiten ihre Doc-
toren für sich und insgeheim, so daß selbst ihre College" aus andern
Facultäten die Ergebnisse der Wahl erst bei der Veröffentlichung erfahren,
eine Verabredung unter mehren Facultäten ist daher von vornherein un-
WAMA"" H""N!> um" Zu 8t>Le> jn<M,.K Aline sMtzHaZgttvL Aljz> tuo tzii'.i.'^.'.

Sehen wir nun aber zu, wer promovirt hat, so lehrt ein Blick auf die
Namen der Männer, welche die beiden fraglichen Facultäten bilden, daß der¬
gleichen Voraussetzungen vollständig unmöglich find. Beide Facultäten be-
stehn in ihrer Mehrzahl zufälligerweise aus anerkannt konservativen Männern
-- konservativ in der Bedeutung des Worts, wie es heut officiell und von der
"guten Presse" gebraucht wird -- und fast durchweg aus solchen, die ihr
Thun und Handeln selbst genau überlegen, die Tragweite desselben ermessen
und sich sicherlich nicht zum Spielball einer etwaigen oppositionellen Minder¬
heit in politischem Interesse würden gebrauchen lassen. Hat sich doch ein wohl¬
bekanntes Mitglied der juristischen Facultät durch seinen Eifer in der Ver¬
theidigung conservativer Interessen von jeher ganz besonders ausgezeichnet,
und niemand wird ihm die Schwäche zutrauen, andern gegen seine eigne
Ueberzeugung nachzugeben. Wer sich aber über die Verhältnisse nur einiger¬
maßen näher orientiren will, der kann leicht ersehen, daß jenes Mitglied in
der juristischen Facultät nicht allein steht, sondern daß die Majorität derselben
Richtung, wenn auch vielleicht in etwas verschiedenen Schattirungen, angehört.
In bei weitem überwiegendem Maße ist das bei der philosophischen Facultät
der Fall, die in ihrem Schoße eine Reihe der ergebensten und loyalsten An¬
hänger der gegenwärtigen Regierung zählt. Sonach ist es schon nach der
politischen Richtung dieser Männer bei dem beobachteten Wahlmodus un¬
denkbar, daß die Promotionen deshalb sollten zu Stande gekommen sein, weil
die betreffenden Candidaten sich durch politische Thätigkeit in einem der Re¬
gierung mißliebigen Sinn hervorgethan hätten. So wenig also die Facultäten
gemeinsam eine Demonstration vornehmen konnten, weil die eine nicht wußte,


ein peinliches Befremden hervorzubringen droht, so sei hier das Sachverhältniß
wahrheitsgetreu dargestellt.

Zu Stande gekommen sind diese Promotionen nach altem Brauche durch
Einstimmigkeit sämmtlicher Mitglieder der betreffenden Facultäten. Es ist also
dabei einer etwaigen oppositionellen Mehrheit in einer oder der andern Facttl-
tät von vornherein nicht möglich gewesen, eine conservative Minderheit zu
überstimmen und Kandidaten einer bestimmten politischen Färbung durchzusetzen,
da jeder Einspruch nur eines Mitgliedes jede Wahl verhindern
konnte. Eine politische Demonstration war also nur möglich, wenn alle
Mitglieder einer Facultät sich dazu verbanden, oder wenn die dissentirenden
so schwach waren, daß sie sich von ihren College» vollstänvig überrumpeln
ließen. Eine jede Facultät serner creirt bei solchen Gelegenheiten ihre Doc-
toren für sich und insgeheim, so daß selbst ihre College» aus andern
Facultäten die Ergebnisse der Wahl erst bei der Veröffentlichung erfahren,
eine Verabredung unter mehren Facultäten ist daher von vornherein un-
WAMA"" H»"N!> um» Zu 8t>Le> jn<M,.K Aline sMtzHaZgttvL Aljz> tuo tzii'.i.'^.'.

Sehen wir nun aber zu, wer promovirt hat, so lehrt ein Blick auf die
Namen der Männer, welche die beiden fraglichen Facultäten bilden, daß der¬
gleichen Voraussetzungen vollständig unmöglich find. Beide Facultäten be-
stehn in ihrer Mehrzahl zufälligerweise aus anerkannt konservativen Männern
— konservativ in der Bedeutung des Worts, wie es heut officiell und von der
„guten Presse" gebraucht wird — und fast durchweg aus solchen, die ihr
Thun und Handeln selbst genau überlegen, die Tragweite desselben ermessen
und sich sicherlich nicht zum Spielball einer etwaigen oppositionellen Minder¬
heit in politischem Interesse würden gebrauchen lassen. Hat sich doch ein wohl¬
bekanntes Mitglied der juristischen Facultät durch seinen Eifer in der Ver¬
theidigung conservativer Interessen von jeher ganz besonders ausgezeichnet,
und niemand wird ihm die Schwäche zutrauen, andern gegen seine eigne
Ueberzeugung nachzugeben. Wer sich aber über die Verhältnisse nur einiger¬
maßen näher orientiren will, der kann leicht ersehen, daß jenes Mitglied in
der juristischen Facultät nicht allein steht, sondern daß die Majorität derselben
Richtung, wenn auch vielleicht in etwas verschiedenen Schattirungen, angehört.
In bei weitem überwiegendem Maße ist das bei der philosophischen Facultät
der Fall, die in ihrem Schoße eine Reihe der ergebensten und loyalsten An¬
hänger der gegenwärtigen Regierung zählt. Sonach ist es schon nach der
politischen Richtung dieser Männer bei dem beobachteten Wahlmodus un¬
denkbar, daß die Promotionen deshalb sollten zu Stande gekommen sein, weil
die betreffenden Candidaten sich durch politische Thätigkeit in einem der Re¬
gierung mißliebigen Sinn hervorgethan hätten. So wenig also die Facultäten
gemeinsam eine Demonstration vornehmen konnten, weil die eine nicht wußte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/344>, abgerufen am 23.07.2024.