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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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untern Bevölkerungsschicht der großen Städte, ihre Redefertigkeit und Uner¬
müdlichkeit gaben diesem Häuflein von Abgeordneten die Macht, durch fort¬
währende Agitation einen höchst nachtheiligen, lähmenden Einfluß auf den
Gang der Dinge zu üben. Die eigentlichen ModeradoS, die sich nach der
Gewohnheit der durch einen gewaltsamen Umschwung besiegten Parteien fast
gänzlich vom Wahlfelde zurückgezogen hatten, waren durch höchstens zwölf Ab¬
geordnete vertreten; diejenige Fraction indeß, welche mit O'Dommel die Erhebung
vom 28. Juni vorbereitet, oder wenigstens die Folgen derselben acceptirt hatte,
zählte deren wol gegen dreißig, die unbedingt der Leitung deS Kriegsministers
folgten. Alle Parteien harrten der Eröffnung der Cortes, in denen die großen
schwebenden Fragen ausgekämpft werden sollten, und durch deren Beschlüsse
die Progressivsten die Institutionen Spaniens dauernd festzustellen, seine Freiheiten
zu sichern, und das von so vielen Stürmen umhergeworfene Staatsschiff endlich
in das ruhige Fahrwasser einer gesetzlichen Entwicklung zu bringen hofften.




Die Ehrenpromotionen in Greifswald.

An dem sonnenhellen Morgen des 19. Oktobers wurden in der hoch¬
gewölbten Halle des Gotteshauses der Universität Greifswald, in Gegenwart
einer glänzenden Versammlung von Männern, die durch wissenschaftliche, bür¬
gerliche, gesellige Stellung ausgezeichnet sind, die Ehrenpromotionen verkündet,
durch welche die Universität bei ihrer vierhundertjährigen Jubelfeier eine Anzahl
um Wissenschaft und das bürgerliche Leben verdienter Männer mit der höchsten
Würde beehrte, welche die freie Wissenschaft nach altem Brauche verleiht. Die
Klänge deS Liedes: "Eine feste Burg ist unser Gott" brausten durch die Hallen,
der ehrwürdige Decan der theologischen Facultät, Kosegarten, sprach das Gebet,
und Georg Beseler, Decan der juristischen Facultät, an edler Gesinnung dein
adligsten Edelmann Preußens ebenbürtig, bestieg die Rednerbühne und er¬
öffnete durch einfache und würdige Worte die Verkündigung der Promotionen,
welche von seiner Facultät beschlossen waren. Er sprach davon, daß Ehren,
deren Wichtigkeit und praktische Bedeutung heutzutage nicht mehr so groß sei,
wie vordem, bei dieser feierlichen Gelegenheit gehoben werden sollten durch die
Personen, welchen sie ertheilt wurden, und vor allem durch die Gesinnung,
in welcher sie von der Universität ertheilt würden. In solchem Sinn habe
seine Facultät ihre Würden nur um bewährter Tüchtigkeit willen in der Sphäre
deS Rechts, des öffentlichen, wie des privaten, des praktischen wie des theo¬
retischen ertheilen wollen, nicht aus irgend welcher äußerlichen und unterge-


untern Bevölkerungsschicht der großen Städte, ihre Redefertigkeit und Uner¬
müdlichkeit gaben diesem Häuflein von Abgeordneten die Macht, durch fort¬
währende Agitation einen höchst nachtheiligen, lähmenden Einfluß auf den
Gang der Dinge zu üben. Die eigentlichen ModeradoS, die sich nach der
Gewohnheit der durch einen gewaltsamen Umschwung besiegten Parteien fast
gänzlich vom Wahlfelde zurückgezogen hatten, waren durch höchstens zwölf Ab¬
geordnete vertreten; diejenige Fraction indeß, welche mit O'Dommel die Erhebung
vom 28. Juni vorbereitet, oder wenigstens die Folgen derselben acceptirt hatte,
zählte deren wol gegen dreißig, die unbedingt der Leitung deS Kriegsministers
folgten. Alle Parteien harrten der Eröffnung der Cortes, in denen die großen
schwebenden Fragen ausgekämpft werden sollten, und durch deren Beschlüsse
die Progressivsten die Institutionen Spaniens dauernd festzustellen, seine Freiheiten
zu sichern, und das von so vielen Stürmen umhergeworfene Staatsschiff endlich
in das ruhige Fahrwasser einer gesetzlichen Entwicklung zu bringen hofften.




Die Ehrenpromotionen in Greifswald.

An dem sonnenhellen Morgen des 19. Oktobers wurden in der hoch¬
gewölbten Halle des Gotteshauses der Universität Greifswald, in Gegenwart
einer glänzenden Versammlung von Männern, die durch wissenschaftliche, bür¬
gerliche, gesellige Stellung ausgezeichnet sind, die Ehrenpromotionen verkündet,
durch welche die Universität bei ihrer vierhundertjährigen Jubelfeier eine Anzahl
um Wissenschaft und das bürgerliche Leben verdienter Männer mit der höchsten
Würde beehrte, welche die freie Wissenschaft nach altem Brauche verleiht. Die
Klänge deS Liedes: „Eine feste Burg ist unser Gott" brausten durch die Hallen,
der ehrwürdige Decan der theologischen Facultät, Kosegarten, sprach das Gebet,
und Georg Beseler, Decan der juristischen Facultät, an edler Gesinnung dein
adligsten Edelmann Preußens ebenbürtig, bestieg die Rednerbühne und er¬
öffnete durch einfache und würdige Worte die Verkündigung der Promotionen,
welche von seiner Facultät beschlossen waren. Er sprach davon, daß Ehren,
deren Wichtigkeit und praktische Bedeutung heutzutage nicht mehr so groß sei,
wie vordem, bei dieser feierlichen Gelegenheit gehoben werden sollten durch die
Personen, welchen sie ertheilt wurden, und vor allem durch die Gesinnung,
in welcher sie von der Universität ertheilt würden. In solchem Sinn habe
seine Facultät ihre Würden nur um bewährter Tüchtigkeit willen in der Sphäre
deS Rechts, des öffentlichen, wie des privaten, des praktischen wie des theo¬
retischen ertheilen wollen, nicht aus irgend welcher äußerlichen und unterge-


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[0342] untern Bevölkerungsschicht der großen Städte, ihre Redefertigkeit und Uner¬ müdlichkeit gaben diesem Häuflein von Abgeordneten die Macht, durch fort¬ währende Agitation einen höchst nachtheiligen, lähmenden Einfluß auf den Gang der Dinge zu üben. Die eigentlichen ModeradoS, die sich nach der Gewohnheit der durch einen gewaltsamen Umschwung besiegten Parteien fast gänzlich vom Wahlfelde zurückgezogen hatten, waren durch höchstens zwölf Ab¬ geordnete vertreten; diejenige Fraction indeß, welche mit O'Dommel die Erhebung vom 28. Juni vorbereitet, oder wenigstens die Folgen derselben acceptirt hatte, zählte deren wol gegen dreißig, die unbedingt der Leitung deS Kriegsministers folgten. Alle Parteien harrten der Eröffnung der Cortes, in denen die großen schwebenden Fragen ausgekämpft werden sollten, und durch deren Beschlüsse die Progressivsten die Institutionen Spaniens dauernd festzustellen, seine Freiheiten zu sichern, und das von so vielen Stürmen umhergeworfene Staatsschiff endlich in das ruhige Fahrwasser einer gesetzlichen Entwicklung zu bringen hofften. Die Ehrenpromotionen in Greifswald. An dem sonnenhellen Morgen des 19. Oktobers wurden in der hoch¬ gewölbten Halle des Gotteshauses der Universität Greifswald, in Gegenwart einer glänzenden Versammlung von Männern, die durch wissenschaftliche, bür¬ gerliche, gesellige Stellung ausgezeichnet sind, die Ehrenpromotionen verkündet, durch welche die Universität bei ihrer vierhundertjährigen Jubelfeier eine Anzahl um Wissenschaft und das bürgerliche Leben verdienter Männer mit der höchsten Würde beehrte, welche die freie Wissenschaft nach altem Brauche verleiht. Die Klänge deS Liedes: „Eine feste Burg ist unser Gott" brausten durch die Hallen, der ehrwürdige Decan der theologischen Facultät, Kosegarten, sprach das Gebet, und Georg Beseler, Decan der juristischen Facultät, an edler Gesinnung dein adligsten Edelmann Preußens ebenbürtig, bestieg die Rednerbühne und er¬ öffnete durch einfache und würdige Worte die Verkündigung der Promotionen, welche von seiner Facultät beschlossen waren. Er sprach davon, daß Ehren, deren Wichtigkeit und praktische Bedeutung heutzutage nicht mehr so groß sei, wie vordem, bei dieser feierlichen Gelegenheit gehoben werden sollten durch die Personen, welchen sie ertheilt wurden, und vor allem durch die Gesinnung, in welcher sie von der Universität ertheilt würden. In solchem Sinn habe seine Facultät ihre Würden nur um bewährter Tüchtigkeit willen in der Sphäre deS Rechts, des öffentlichen, wie des privaten, des praktischen wie des theo¬ retischen ertheilen wollen, nicht aus irgend welcher äußerlichen und unterge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/342>, abgerufen am 03.07.2024.