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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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von der Regierung ausgeschlossen. So wollte es die unerbittliche Logik der
Thatsachen. Zwar hatte der größte Theil der moderirten Partei die absolu¬
tistischen Camarillaministenen bekämpft; als die Lage sich aber dahin ge¬
staltete, daß die Freiheiten des Landes entweder verloren oder nur durch ge¬
waltsamen Widerstand zu retten waren, zeigte nur eine kleine Fraction zum
Aeußersten sich entschlossen. Diese, die alles gewagt hatte, die vor dem Bünd-
niß mit den Progressisten nicht zurückgeschreckt war, durfte einen Platz in dem
neuen Regime beanspruchen, die Masse der Moderadoö hatte durch ihre Passi¬
vität diesen Anspruch verloren. Sie gehörte zwar nicht zu denjenigen, welchen
die Erhebung zuerst und unmittelbar gegolten; indem die Bewegung sich
jedoch über ihre anfänglichen Zwecke ausdehnte, ging sie über ihre Häupter
hinweg und warf sie schnell in die Reihen der Besiegten. Ein Terrain gab
es indessen, von dem die Moderados nicht völlig verdrängt wurden, auf wel¬
chem sie sogar trotz des sonst vollständigen Sieges ihrer Gegner das Ueber¬
gewicht behielten -- die Armee. Zwar wurden die Creaturen des Hofes, denen
während der letzten Jahre die erprobtesten Generale hatten weichen müssen,
entfernt, und diese traten wieder in ihre Stelle, aber die wichtigsten Plätze
wurden durch moderirt gesinnte Militärchess besetzt und, wenn auch O'Dommel
dem Strome der progresststischen Neuerung das Zugeständniß machen mußte,
einige Generalcapitanate progresststischen Oberoffizieren anzuvertrauen, so ge¬
wannen dieselben doch nur geringen Einfluß auf die Truppen, weil das fast
ausschließlich moderirte Offiziercorps unverändert bestehen blieb. Nach dem
Aufstand, der 1843 die Regentschaft Esparteros stürzte, war die Armee unter
den Auspicien und der Leitung des Narvaez von Moderadogeneralcn reor-
ganisirt, und alle progresststischen Elemente aus ihr entfernt worden. Die mili¬
tärischen Berühmtheiten der Progressisten stammten fast sämmtlich aus einer frü¬
hern Periode und waren entweder gestorben oder aus den Jahren männlicher
Kraft herausgetreten. Was noch Bedeutenderes unter ihnen sich befand, war
durch lange Entfernung aus dem activen Dienst dem Heere fremd geworden.
So vor allem Espartero, der trotz des Nimbus, mit welchem das Glück ihn
im Bürgerkriege umkleidet, allen Einfluß auf die Armee verloren hatte. Die
Erinnerung an die Vernachlässigung, unter der sie während seiner Regentschaft
hatte leiden müssen, und an seine Bewerbungen um die Gunst der National¬
miliz schadeten ihm ferner sehr bei den Truppen. Die beiden einzigen hervor¬
ragenderen Generale, welche die Progressisten für sich in Anspruch nehmen
konnten, Prim und Serrano, hatten stets zwischen ihnen und den ModeradoS
hin und her geschwankt. Es waren daher auch Moderadochefs erforderlich
gewesen, um den Militäraufstand hervorzurufen, der die Revolution in Spanien
entfesselte. Nach allem diesem blieb die Armee in O'DonnelS Hand eine stete
Gefahr für die progressistische ^Partei, besonders für den Theil derselben, wei-


von der Regierung ausgeschlossen. So wollte es die unerbittliche Logik der
Thatsachen. Zwar hatte der größte Theil der moderirten Partei die absolu¬
tistischen Camarillaministenen bekämpft; als die Lage sich aber dahin ge¬
staltete, daß die Freiheiten des Landes entweder verloren oder nur durch ge¬
waltsamen Widerstand zu retten waren, zeigte nur eine kleine Fraction zum
Aeußersten sich entschlossen. Diese, die alles gewagt hatte, die vor dem Bünd-
niß mit den Progressisten nicht zurückgeschreckt war, durfte einen Platz in dem
neuen Regime beanspruchen, die Masse der Moderadoö hatte durch ihre Passi¬
vität diesen Anspruch verloren. Sie gehörte zwar nicht zu denjenigen, welchen
die Erhebung zuerst und unmittelbar gegolten; indem die Bewegung sich
jedoch über ihre anfänglichen Zwecke ausdehnte, ging sie über ihre Häupter
hinweg und warf sie schnell in die Reihen der Besiegten. Ein Terrain gab
es indessen, von dem die Moderados nicht völlig verdrängt wurden, auf wel¬
chem sie sogar trotz des sonst vollständigen Sieges ihrer Gegner das Ueber¬
gewicht behielten — die Armee. Zwar wurden die Creaturen des Hofes, denen
während der letzten Jahre die erprobtesten Generale hatten weichen müssen,
entfernt, und diese traten wieder in ihre Stelle, aber die wichtigsten Plätze
wurden durch moderirt gesinnte Militärchess besetzt und, wenn auch O'Dommel
dem Strome der progresststischen Neuerung das Zugeständniß machen mußte,
einige Generalcapitanate progresststischen Oberoffizieren anzuvertrauen, so ge¬
wannen dieselben doch nur geringen Einfluß auf die Truppen, weil das fast
ausschließlich moderirte Offiziercorps unverändert bestehen blieb. Nach dem
Aufstand, der 1843 die Regentschaft Esparteros stürzte, war die Armee unter
den Auspicien und der Leitung des Narvaez von Moderadogeneralcn reor-
ganisirt, und alle progresststischen Elemente aus ihr entfernt worden. Die mili¬
tärischen Berühmtheiten der Progressisten stammten fast sämmtlich aus einer frü¬
hern Periode und waren entweder gestorben oder aus den Jahren männlicher
Kraft herausgetreten. Was noch Bedeutenderes unter ihnen sich befand, war
durch lange Entfernung aus dem activen Dienst dem Heere fremd geworden.
So vor allem Espartero, der trotz des Nimbus, mit welchem das Glück ihn
im Bürgerkriege umkleidet, allen Einfluß auf die Armee verloren hatte. Die
Erinnerung an die Vernachlässigung, unter der sie während seiner Regentschaft
hatte leiden müssen, und an seine Bewerbungen um die Gunst der National¬
miliz schadeten ihm ferner sehr bei den Truppen. Die beiden einzigen hervor¬
ragenderen Generale, welche die Progressisten für sich in Anspruch nehmen
konnten, Prim und Serrano, hatten stets zwischen ihnen und den ModeradoS
hin und her geschwankt. Es waren daher auch Moderadochefs erforderlich
gewesen, um den Militäraufstand hervorzurufen, der die Revolution in Spanien
entfesselte. Nach allem diesem blieb die Armee in O'DonnelS Hand eine stete
Gefahr für die progressistische ^Partei, besonders für den Theil derselben, wei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/334>, abgerufen am 23.07.2024.