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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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derselben, als sie früherhin unter Narvaez hartem Regimente stattgefunden.
Die Progressiven wären hierbei ziemlich leer ausgegangen.

Die Ereignisse nahmen jedoch eine andere, schwerere Wendung. Außer
der Cavalerie blieb die ganze Garnison der Negierung treu, Madrid ruhig
und der Hof zum Widerstand entschlossen. Am 30. Juni kam es zwischen dem
Generalcapitän Lara und den Insurgenten, die in der Nähe der Hauptstadt
eine Stellung genommen hatten, bei Vicalvaro zum Gefecht. Das Treffen
führte zu keiner Entscheidung; O'Dommel vermochte ohne Geschütz und In¬
fanterie so wenig die Negierungstruppen zu werfen, als diese seiner Reiterei
gegenüber einen ernstlichen Erfolg zu erringen. Der Chef des Aufstandes
begann sich jetzt langsam nach dem Süden zurückzuziehen. Er konnte sich der
Einsicht nicht verschließen, daß ohne den Abfall der Armee seinMnternehmcn
scheitern müsse, falls nicht die progressistische Partei sich für.ihn erhöbe. Die
ruhige Haltung der Hauptstadt bewies aber, daß diese Partei ihm nicht zu¬
fallen würde, wenn er bei dem Losungswort des 28. Juni "Nieder mit dem
Ministerium" stehn bliebe. Der Graf von Lucera war nicht der Mann, in
einer solchen Lage vor einem kühnen Schritt zurückzuschrecken. Am 7. Juli
erließ er von Manzanares aus einen Aufruf an die Nation, der ein, wenn
auch gemäßigtes, progressistisches Programm aufstellte. Die Reform der Ver¬
fassung im liberalen Sinn, die Wiederherstellung der Nationalmiliz, die Selbst¬
verwaltung der Provinzen und Communen waren die Hauptpunkte darin; die
Vereinigung der Moderados und Progressisten wurde ausgesprochen. Während
O'Dommel weiter nach Andalusien marschirte, und den Kriegsminister Bläser
mit einem Corps, dessen schleunige Bildung nur durch eine bedeutende Schwä¬
chung der Besatzung von Madrid ermöglicht wurde, in vergeblicher Verfolgung
nach sich zog, durchflog das Programm von Manzanares, trotz aller Gegen¬
maßregeln der Negierung, die Provinzen Spaniens, rief eine ungeheure Auf¬
regung und bald einen allgemeinen Ausbruch hervor. Am -15. Juli erhob
sich Barcelona und riß die Besatzung, die es niederhalten sollte, mit sich
fort. Die Grundsätze des Programms zündeten überall in den progressistisch
gesinnten Schichten der Bevölkerung, die Namen, die es unterzeichnet hatten --
außer O'Dommel und Dulce auch die Generale Serrano, Ros de Olano und
Messina -- gewannen die Truppen. Der Aufstand verbreitete sich von Barce¬
lona, mit unwiderstehlicher Schnelligkeit, durch die Nordprovinzen des Reichs.
Saragossa pronuncirte sich am -17., erließ ein Programm, welches über das
von Manzanares hinausging, und rief Espartero, den alten Liebling seiner
Bevölkerung, in seine Mauern. Schon die Nachricht von dem Pronuncia-
mento Barcelonas, die am -17, in Madrid eintraf, reichte hin, das Regiment
des Sartorius zu stürzen. Das Cabinet zog sich sofort zurück und die Königin
ernannte unter des Herzogs von Rivas Vorsitz ein Ministerium, halb aus


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derselben, als sie früherhin unter Narvaez hartem Regimente stattgefunden.
Die Progressiven wären hierbei ziemlich leer ausgegangen.

Die Ereignisse nahmen jedoch eine andere, schwerere Wendung. Außer
der Cavalerie blieb die ganze Garnison der Negierung treu, Madrid ruhig
und der Hof zum Widerstand entschlossen. Am 30. Juni kam es zwischen dem
Generalcapitän Lara und den Insurgenten, die in der Nähe der Hauptstadt
eine Stellung genommen hatten, bei Vicalvaro zum Gefecht. Das Treffen
führte zu keiner Entscheidung; O'Dommel vermochte ohne Geschütz und In¬
fanterie so wenig die Negierungstruppen zu werfen, als diese seiner Reiterei
gegenüber einen ernstlichen Erfolg zu erringen. Der Chef des Aufstandes
begann sich jetzt langsam nach dem Süden zurückzuziehen. Er konnte sich der
Einsicht nicht verschließen, daß ohne den Abfall der Armee seinMnternehmcn
scheitern müsse, falls nicht die progressistische Partei sich für.ihn erhöbe. Die
ruhige Haltung der Hauptstadt bewies aber, daß diese Partei ihm nicht zu¬
fallen würde, wenn er bei dem Losungswort des 28. Juni „Nieder mit dem
Ministerium" stehn bliebe. Der Graf von Lucera war nicht der Mann, in
einer solchen Lage vor einem kühnen Schritt zurückzuschrecken. Am 7. Juli
erließ er von Manzanares aus einen Aufruf an die Nation, der ein, wenn
auch gemäßigtes, progressistisches Programm aufstellte. Die Reform der Ver¬
fassung im liberalen Sinn, die Wiederherstellung der Nationalmiliz, die Selbst¬
verwaltung der Provinzen und Communen waren die Hauptpunkte darin; die
Vereinigung der Moderados und Progressisten wurde ausgesprochen. Während
O'Dommel weiter nach Andalusien marschirte, und den Kriegsminister Bläser
mit einem Corps, dessen schleunige Bildung nur durch eine bedeutende Schwä¬
chung der Besatzung von Madrid ermöglicht wurde, in vergeblicher Verfolgung
nach sich zog, durchflog das Programm von Manzanares, trotz aller Gegen¬
maßregeln der Negierung, die Provinzen Spaniens, rief eine ungeheure Auf¬
regung und bald einen allgemeinen Ausbruch hervor. Am -15. Juli erhob
sich Barcelona und riß die Besatzung, die es niederhalten sollte, mit sich
fort. Die Grundsätze des Programms zündeten überall in den progressistisch
gesinnten Schichten der Bevölkerung, die Namen, die es unterzeichnet hatten —
außer O'Dommel und Dulce auch die Generale Serrano, Ros de Olano und
Messina — gewannen die Truppen. Der Aufstand verbreitete sich von Barce¬
lona, mit unwiderstehlicher Schnelligkeit, durch die Nordprovinzen des Reichs.
Saragossa pronuncirte sich am -17., erließ ein Programm, welches über das
von Manzanares hinausging, und rief Espartero, den alten Liebling seiner
Bevölkerung, in seine Mauern. Schon die Nachricht von dem Pronuncia-
mento Barcelonas, die am -17, in Madrid eintraf, reichte hin, das Regiment
des Sartorius zu stürzen. Das Cabinet zog sich sofort zurück und die Königin
ernannte unter des Herzogs von Rivas Vorsitz ein Ministerium, halb aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/331>, abgerufen am 23.07.2024.