Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.in Rußland, sondern auch im übrigen Europa, namentlich in Frankreich und Oest¬ Von so weitgreifenden politischen Wirkungen wird kaum die Ausführung in Rußland, sondern auch im übrigen Europa, namentlich in Frankreich und Oest¬ Von so weitgreifenden politischen Wirkungen wird kaum die Ausführung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102904"/> <p xml:id="ID_1052" prev="#ID_1051"> in Rußland, sondern auch im übrigen Europa, namentlich in Frankreich und Oest¬<lb/> reich. Die Unternehmer und Actionäre des Suezkanals erkannten in dem<lb/> britischen Project nur einen ConcUrrenzversuch, und sahen darum mit schelen<lb/> Augen auf die energischen Anstrengungen, welche dasselbe eingeleitet haben.<lb/> Nur wenigen Einsichtigen scheint der Gedanke gekommen zu sein, das Unter¬<lb/> nehmen sei doch nicht ausschließlich im englischen Interesse, sondern in einem<lb/> allgemeineren, europäischen eingeleitet. Für mich steht die Ueberzeugung fest,<lb/> daß England seither noch nichts begonnen, wodurch so nachdrücklich den russi¬<lb/> schen Eroberungsgelüsten ein Damm entgegengesetzt wird, als durch diesen<lb/> Bahnbau. Derselbe ist ein verdienstvolles Unternehmen, und zwar gibt es<lb/> nicht nur sür Aufrechterhaltung der persischen Unabhängigkeit, sondern auch<lb/> für die osmanische eine möglichst starke Garantie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> Von so weitgreifenden politischen Wirkungen wird kaum die Ausführung<lb/> des Suezkanals sein. Es wird wenig Gewicht wider Rußland in die 'Wag¬<lb/> schale werfen, wenn bei Gelegenheit eines später im Osten aus russischen<lb/> Eroberungsgelüsten erwachsenden Conflictes französische, britische und öst¬<lb/> reichische Kriegs- und Transportschiffe aus abgekürzten Wege in den persischen<lb/> Golf gelangen können. Denn aus den Erfahrungen, die der Krimfeldzug<lb/> geboten, wird man sich genugsam erinnern, wie schwierig es ist, eine gekan¬<lb/> tete Armee in das Innere eines Landes ohne Straßen zu führen. Dagegen<lb/> wird es entscheidend, wenn man dereinst, auf die Nachricht von einem Aus¬<lb/> bruch der Russen in Aderbeidschan, auf der Eisenbahn des Euphratthales binnen<lb/> wenigen Tagen ein Heer nach Bagdad und an die persische Grenze zu führen<lb/> vermag. Dazu kommt, daß die Bedeutung dieser Bahn nicht auf ihrem Trac-<lb/> tus allein, sondern auch darauf beruht, daß sie ein erstes Glied für ein gan¬<lb/> zes System von Schicnenlinien sein soll, welches dereinst Borderasien über¬<lb/> spannen und bis nach Indien hinführen mag. Es ist nicht zu gewagt, wenn<lb/> man behauptet, daß mittelst dieser Bahn und ihrer Anschlußlinien England<lb/> in eine durchaus neue Stellung zu Persien und Innerasien, wie zu den wei¬<lb/> ten Räumen der astatischen Türkei tritt, und in den Stand gesetzt wird, diese<lb/> Länder aus eignem Kraftvermögen gegen russische Eingriffe zu decken. Ja,<lb/> recht erwogen scheint vorzugsweise hierin Britanniens militärischer Beruf zu be¬<lb/> stehen. Um an anderen Orten, etwa an der Donau, den großen, überwälti¬<lb/> genden russischen Massen entgegenzutreten, besitzt England nicht ausreichende<lb/> militärische Kräfte. Die Aufgabe dies zu vollbringen wird jederzeit Oestreich<lb/> zufallen. In den großen entlegenen Räumen aber, in welche die Euphratbahn<lb/> und ihre Zweiglinien hineinführen sollen, gelten vierzig- oder funfzigtausend<lb/> Mann, welche England zu concentriren vermag, so viel wie mehre hundert¬<lb/> tausend an der Donau oder am Pruth und Dniester. Denn mit der Zahl<lb/> der Bewegungsmittel und der Entfernung vom Reichsmittelpunkte nimmt natur-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
in Rußland, sondern auch im übrigen Europa, namentlich in Frankreich und Oest¬
reich. Die Unternehmer und Actionäre des Suezkanals erkannten in dem
britischen Project nur einen ConcUrrenzversuch, und sahen darum mit schelen
Augen auf die energischen Anstrengungen, welche dasselbe eingeleitet haben.
Nur wenigen Einsichtigen scheint der Gedanke gekommen zu sein, das Unter¬
nehmen sei doch nicht ausschließlich im englischen Interesse, sondern in einem
allgemeineren, europäischen eingeleitet. Für mich steht die Ueberzeugung fest,
daß England seither noch nichts begonnen, wodurch so nachdrücklich den russi¬
schen Eroberungsgelüsten ein Damm entgegengesetzt wird, als durch diesen
Bahnbau. Derselbe ist ein verdienstvolles Unternehmen, und zwar gibt es
nicht nur sür Aufrechterhaltung der persischen Unabhängigkeit, sondern auch
für die osmanische eine möglichst starke Garantie.
Von so weitgreifenden politischen Wirkungen wird kaum die Ausführung
des Suezkanals sein. Es wird wenig Gewicht wider Rußland in die 'Wag¬
schale werfen, wenn bei Gelegenheit eines später im Osten aus russischen
Eroberungsgelüsten erwachsenden Conflictes französische, britische und öst¬
reichische Kriegs- und Transportschiffe aus abgekürzten Wege in den persischen
Golf gelangen können. Denn aus den Erfahrungen, die der Krimfeldzug
geboten, wird man sich genugsam erinnern, wie schwierig es ist, eine gekan¬
tete Armee in das Innere eines Landes ohne Straßen zu führen. Dagegen
wird es entscheidend, wenn man dereinst, auf die Nachricht von einem Aus¬
bruch der Russen in Aderbeidschan, auf der Eisenbahn des Euphratthales binnen
wenigen Tagen ein Heer nach Bagdad und an die persische Grenze zu führen
vermag. Dazu kommt, daß die Bedeutung dieser Bahn nicht auf ihrem Trac-
tus allein, sondern auch darauf beruht, daß sie ein erstes Glied für ein gan¬
zes System von Schicnenlinien sein soll, welches dereinst Borderasien über¬
spannen und bis nach Indien hinführen mag. Es ist nicht zu gewagt, wenn
man behauptet, daß mittelst dieser Bahn und ihrer Anschlußlinien England
in eine durchaus neue Stellung zu Persien und Innerasien, wie zu den wei¬
ten Räumen der astatischen Türkei tritt, und in den Stand gesetzt wird, diese
Länder aus eignem Kraftvermögen gegen russische Eingriffe zu decken. Ja,
recht erwogen scheint vorzugsweise hierin Britanniens militärischer Beruf zu be¬
stehen. Um an anderen Orten, etwa an der Donau, den großen, überwälti¬
genden russischen Massen entgegenzutreten, besitzt England nicht ausreichende
militärische Kräfte. Die Aufgabe dies zu vollbringen wird jederzeit Oestreich
zufallen. In den großen entlegenen Räumen aber, in welche die Euphratbahn
und ihre Zweiglinien hineinführen sollen, gelten vierzig- oder funfzigtausend
Mann, welche England zu concentriren vermag, so viel wie mehre hundert¬
tausend an der Donau oder am Pruth und Dniester. Denn mit der Zahl
der Bewegungsmittel und der Entfernung vom Reichsmittelpunkte nimmt natur-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |