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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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ueral Filangeri hatte 20,000 Mann bei Reggio und Se. Giovanni, Messina
gegenüber, zusammengezogen. Die Seemacht bestand aus 13 Dampfern, 2-1
Kanonenböten, 8 Brandern und 30 Transportschiffen. Durch Zuzug aus
Palermo unterstützt, ergriff Messina im Angesicht der drohenden Gefahr am
3. September gegen das von Pronio mit 8000 Schweizern besetzte Castell
die Offensive. Eine Ueberwindung desselben gelang indessen nicht, und so
fand sich die unglückliche Stadt denn bald zwischen dem Kreuzfeuer des Castells
und der Kanonenböte. Abends mußten die bei Maregrosso gekanteten Truppen
sich wieder einschiffen. Tags darauf aber faßten sie bei Spadafom abermals
festen Fuß und nachdem die Beschießung drei Tage lang sortgesetzt worden
war, zogen die siegreichen Truppen am 6. September in den rauchenden
Trümmerhaufen ein. Der Berichterstatter der Times erwähnte damals einer
zündenden Flüssigkeit, welche die Soldaten in Zinnröhren bei sich geführt und
mit Erfolg in den ersten Angriffstagen benutzt hatten, um die vom Feinde
am festesten behaupteten Stadttheile in Brand zu stecken.

Dies war der Wiederbeginn der Negierung Ferdinands auf dem Eilande
der Cyklopen.

Ein Schrei des Entsetzens klang durch Europa. In Paris vor allem
wurde die Regierung der Doppelzüngigkeit und Feigheit bezüchtigt. Palmer-
ston suchte vergebens in den Helventhaten eines Rosas und Soulouque Züge
ähnlicher Bravour zusammen, um eine Grausamkeit durch die curdere abzu¬
schwächen. Die öffentliche Meinung drängte zu einer energischen Intervention,
und am 1i. September forderten die Admiräle Baudin und Parker einen so¬
fortigen Waffenstillstand zwischen Sicilien und Neapel. Mit Widerwillen
fügte sich der Palazzo reale.

Der Waffenstillstand hatte keinen Termin. Nach zehntägiger Kündigung
sollte er erlöschen dürfen. Es wurde eine Demarcationslinie von Barcelona
bis Scaletta festgestellt.- Diesseits derselben, auf der Seite von Massena,
herrschte der Scepter Ferdinands. Jenseits galten die Verfügungen des alten
Nuggiero Settimo in Palermo.

ES war inzwischen nach Messinas Fall für Sicilien die Freiheitssonne
im raschen Versinken. England und Frankreich hatten früher die Unabhängig¬
keitserklärung gefördert und durch die stete Anwesenheit ihrer Flotillen die
Sicilianer zu den kühnsten Hoffnungen berechtigt. Jetzt waren die französischen
und englischen Feuerschlünde drei Tage lang Zeugen des Gemetzels in Messina
gewesen und> kein Gran Pulver hatte die früheren Zusicherungen zu bewahr¬
heiten gesucht. Als aller Orten in Europa die Revolution triumphirte, war
auch das Sicilianische Parlament dem allgemeinen Beispiel gefolgt; es hatte
den König Ferdinand seiner Krone verlustig erklärt und am 11. Juli, auf das
Drängen Englands, sie dem Herzog von Genua angetragen. Dieser hatte


ueral Filangeri hatte 20,000 Mann bei Reggio und Se. Giovanni, Messina
gegenüber, zusammengezogen. Die Seemacht bestand aus 13 Dampfern, 2-1
Kanonenböten, 8 Brandern und 30 Transportschiffen. Durch Zuzug aus
Palermo unterstützt, ergriff Messina im Angesicht der drohenden Gefahr am
3. September gegen das von Pronio mit 8000 Schweizern besetzte Castell
die Offensive. Eine Ueberwindung desselben gelang indessen nicht, und so
fand sich die unglückliche Stadt denn bald zwischen dem Kreuzfeuer des Castells
und der Kanonenböte. Abends mußten die bei Maregrosso gekanteten Truppen
sich wieder einschiffen. Tags darauf aber faßten sie bei Spadafom abermals
festen Fuß und nachdem die Beschießung drei Tage lang sortgesetzt worden
war, zogen die siegreichen Truppen am 6. September in den rauchenden
Trümmerhaufen ein. Der Berichterstatter der Times erwähnte damals einer
zündenden Flüssigkeit, welche die Soldaten in Zinnröhren bei sich geführt und
mit Erfolg in den ersten Angriffstagen benutzt hatten, um die vom Feinde
am festesten behaupteten Stadttheile in Brand zu stecken.

Dies war der Wiederbeginn der Negierung Ferdinands auf dem Eilande
der Cyklopen.

Ein Schrei des Entsetzens klang durch Europa. In Paris vor allem
wurde die Regierung der Doppelzüngigkeit und Feigheit bezüchtigt. Palmer-
ston suchte vergebens in den Helventhaten eines Rosas und Soulouque Züge
ähnlicher Bravour zusammen, um eine Grausamkeit durch die curdere abzu¬
schwächen. Die öffentliche Meinung drängte zu einer energischen Intervention,
und am 1i. September forderten die Admiräle Baudin und Parker einen so¬
fortigen Waffenstillstand zwischen Sicilien und Neapel. Mit Widerwillen
fügte sich der Palazzo reale.

Der Waffenstillstand hatte keinen Termin. Nach zehntägiger Kündigung
sollte er erlöschen dürfen. Es wurde eine Demarcationslinie von Barcelona
bis Scaletta festgestellt.- Diesseits derselben, auf der Seite von Massena,
herrschte der Scepter Ferdinands. Jenseits galten die Verfügungen des alten
Nuggiero Settimo in Palermo.

ES war inzwischen nach Messinas Fall für Sicilien die Freiheitssonne
im raschen Versinken. England und Frankreich hatten früher die Unabhängig¬
keitserklärung gefördert und durch die stete Anwesenheit ihrer Flotillen die
Sicilianer zu den kühnsten Hoffnungen berechtigt. Jetzt waren die französischen
und englischen Feuerschlünde drei Tage lang Zeugen des Gemetzels in Messina
gewesen und> kein Gran Pulver hatte die früheren Zusicherungen zu bewahr¬
heiten gesucht. Als aller Orten in Europa die Revolution triumphirte, war
auch das Sicilianische Parlament dem allgemeinen Beispiel gefolgt; es hatte
den König Ferdinand seiner Krone verlustig erklärt und am 11. Juli, auf das
Drängen Englands, sie dem Herzog von Genua angetragen. Dieser hatte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/303>, abgerufen am 23.07.2024.