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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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bekannt, daß eine Menge Trophäen bei Ausschmückung des Altars benutzt
worden waren. Die beabsichtigte Eidesfeicrlichkeit sollte zwar nicht stattfinden,
aber das Kirchenschiff blieb noch in seinem bunten Aufputz. Ein paar Art¬
hiebe sprengten die Seitenthüre. Der Haufe drang in die halbdunkle Kirche
und schleppte zur Vertheilung ins Freie, was sich an Waffen vorfand. Die
große Glocke derselben Kirche hatte "loi? das Zeichen zum Verjagen der
Jesuiten über die Stadt geläutet.

In der provisorischen Deputirtenkammer tagten mittlerweile noch die Ver¬
treter des Volks. Der Monte Oliveto, der übrigens erst jetzt durch die Berg-
Partei den Namen Monte einigermaßen rechtfertigte, liegt zwischen dem Largo
gleichen Namens und dem Toledo, im Mittelpunkte des Hauptverkehrs, etwa eine
Viertelstunde vom königlichen Palaste entfernt. Wie es alle Mal geschieht,
wenn die Berathungen beirren ein vernehmbares Echo draußen finden, hatte auch
hier die gemäßigte Partei seit Ausbruch der Bewegung an Muth und Stim¬
menzahl verloren, und die äußerste Linke führte das Wort. Dennoch blieb
die Haltung der Abgeordneten eine erträgliche. Nachdem sich für die Eides¬
formel der Pairskammer eine Majorität nicht hatte erreichen lassen, war Oberst
de Piccolellis in der Nacht mit dem schon erwähnten Gesuche um Aufschiebung
der Eidesleistung an den König abgesandt worden. Ferdinand hatte es be¬
willigt; die Truppen, von deren Ausmarsch weder er, noch der Kriegsminister
wissen wollten, sollten zurückgezogen werden. Mit dieser Botschaft langten
Piccolellis und der Director Abatemarco in der Kammer an. Finanzminister
Manna bestätigte sie kurz darauf. Gegen halb sechs Uhr Morgens trennten
hier) die Abgeordneten, nachdem sie noch eine Aufforderung an die Bürger er¬
lassen hatten, die Barricaden räumen zu helfen. Um zehn Uhr wollte die
Kammer wieder zusammentreten. Einige Deputirtx übernahmen es, die Barri-
cadenerbauer mündlich zur Einstellung feindlicher Demonstrationen aufzufordern;
unter ihnen war Gabriel Pepe, Sansone, de Cesare Carbonelli, Amodio,
Gallotti, Earducci, G. A. Romeo, Piccolellis, la Cecilia; nicht jedem derselben
war es übrigens mit dieser Sendbvtenschaft Ernst. Um 7 Uhr erschien die
von der Kammer beschlossene Aufforderung als Maueranschlag an den Straßen¬
ecken. Man hielt sie indessen für gefälscht, und da sich das Gerücht verbreitete,
die Truppen seien inzwischen zum zweiten oder dritten Male ausgerückt, so
wurden die erbauten Barricaden nur noch mehr befestigt. Einer der Volks¬
führer, Pietro Mileti, verlangte, so hieß es, Entfernung der königlichen Truppen
auf 30 Meilen von Neapel, Räumung der Castelle, und so blieben Gabriel
Pepes Bemühungen, die Gefahr zu beseitigen, ohne Erfolg. Von der National¬
garde sah man bis jetzt nur wenige auf den Barricaden. Calcchreser und
Studenten waren in der Mehrzahl. Lazzaroni hatten, mit dem Jnstinct des
Lasttragens, geholfen und angefaßt, so lange der Barricadenban und das


Grenzboten. IV. 1866. 37

bekannt, daß eine Menge Trophäen bei Ausschmückung des Altars benutzt
worden waren. Die beabsichtigte Eidesfeicrlichkeit sollte zwar nicht stattfinden,
aber das Kirchenschiff blieb noch in seinem bunten Aufputz. Ein paar Art¬
hiebe sprengten die Seitenthüre. Der Haufe drang in die halbdunkle Kirche
und schleppte zur Vertheilung ins Freie, was sich an Waffen vorfand. Die
große Glocke derselben Kirche hatte «loi? das Zeichen zum Verjagen der
Jesuiten über die Stadt geläutet.

In der provisorischen Deputirtenkammer tagten mittlerweile noch die Ver¬
treter des Volks. Der Monte Oliveto, der übrigens erst jetzt durch die Berg-
Partei den Namen Monte einigermaßen rechtfertigte, liegt zwischen dem Largo
gleichen Namens und dem Toledo, im Mittelpunkte des Hauptverkehrs, etwa eine
Viertelstunde vom königlichen Palaste entfernt. Wie es alle Mal geschieht,
wenn die Berathungen beirren ein vernehmbares Echo draußen finden, hatte auch
hier die gemäßigte Partei seit Ausbruch der Bewegung an Muth und Stim¬
menzahl verloren, und die äußerste Linke führte das Wort. Dennoch blieb
die Haltung der Abgeordneten eine erträgliche. Nachdem sich für die Eides¬
formel der Pairskammer eine Majorität nicht hatte erreichen lassen, war Oberst
de Piccolellis in der Nacht mit dem schon erwähnten Gesuche um Aufschiebung
der Eidesleistung an den König abgesandt worden. Ferdinand hatte es be¬
willigt; die Truppen, von deren Ausmarsch weder er, noch der Kriegsminister
wissen wollten, sollten zurückgezogen werden. Mit dieser Botschaft langten
Piccolellis und der Director Abatemarco in der Kammer an. Finanzminister
Manna bestätigte sie kurz darauf. Gegen halb sechs Uhr Morgens trennten
hier) die Abgeordneten, nachdem sie noch eine Aufforderung an die Bürger er¬
lassen hatten, die Barricaden räumen zu helfen. Um zehn Uhr wollte die
Kammer wieder zusammentreten. Einige Deputirtx übernahmen es, die Barri-
cadenerbauer mündlich zur Einstellung feindlicher Demonstrationen aufzufordern;
unter ihnen war Gabriel Pepe, Sansone, de Cesare Carbonelli, Amodio,
Gallotti, Earducci, G. A. Romeo, Piccolellis, la Cecilia; nicht jedem derselben
war es übrigens mit dieser Sendbvtenschaft Ernst. Um 7 Uhr erschien die
von der Kammer beschlossene Aufforderung als Maueranschlag an den Straßen¬
ecken. Man hielt sie indessen für gefälscht, und da sich das Gerücht verbreitete,
die Truppen seien inzwischen zum zweiten oder dritten Male ausgerückt, so
wurden die erbauten Barricaden nur noch mehr befestigt. Einer der Volks¬
führer, Pietro Mileti, verlangte, so hieß es, Entfernung der königlichen Truppen
auf 30 Meilen von Neapel, Räumung der Castelle, und so blieben Gabriel
Pepes Bemühungen, die Gefahr zu beseitigen, ohne Erfolg. Von der National¬
garde sah man bis jetzt nur wenige auf den Barricaden. Calcchreser und
Studenten waren in der Mehrzahl. Lazzaroni hatten, mit dem Jnstinct des
Lasttragens, geholfen und angefaßt, so lange der Barricadenban und das


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[0297] bekannt, daß eine Menge Trophäen bei Ausschmückung des Altars benutzt worden waren. Die beabsichtigte Eidesfeicrlichkeit sollte zwar nicht stattfinden, aber das Kirchenschiff blieb noch in seinem bunten Aufputz. Ein paar Art¬ hiebe sprengten die Seitenthüre. Der Haufe drang in die halbdunkle Kirche und schleppte zur Vertheilung ins Freie, was sich an Waffen vorfand. Die große Glocke derselben Kirche hatte «loi? das Zeichen zum Verjagen der Jesuiten über die Stadt geläutet. In der provisorischen Deputirtenkammer tagten mittlerweile noch die Ver¬ treter des Volks. Der Monte Oliveto, der übrigens erst jetzt durch die Berg- Partei den Namen Monte einigermaßen rechtfertigte, liegt zwischen dem Largo gleichen Namens und dem Toledo, im Mittelpunkte des Hauptverkehrs, etwa eine Viertelstunde vom königlichen Palaste entfernt. Wie es alle Mal geschieht, wenn die Berathungen beirren ein vernehmbares Echo draußen finden, hatte auch hier die gemäßigte Partei seit Ausbruch der Bewegung an Muth und Stim¬ menzahl verloren, und die äußerste Linke führte das Wort. Dennoch blieb die Haltung der Abgeordneten eine erträgliche. Nachdem sich für die Eides¬ formel der Pairskammer eine Majorität nicht hatte erreichen lassen, war Oberst de Piccolellis in der Nacht mit dem schon erwähnten Gesuche um Aufschiebung der Eidesleistung an den König abgesandt worden. Ferdinand hatte es be¬ willigt; die Truppen, von deren Ausmarsch weder er, noch der Kriegsminister wissen wollten, sollten zurückgezogen werden. Mit dieser Botschaft langten Piccolellis und der Director Abatemarco in der Kammer an. Finanzminister Manna bestätigte sie kurz darauf. Gegen halb sechs Uhr Morgens trennten hier) die Abgeordneten, nachdem sie noch eine Aufforderung an die Bürger er¬ lassen hatten, die Barricaden räumen zu helfen. Um zehn Uhr wollte die Kammer wieder zusammentreten. Einige Deputirtx übernahmen es, die Barri- cadenerbauer mündlich zur Einstellung feindlicher Demonstrationen aufzufordern; unter ihnen war Gabriel Pepe, Sansone, de Cesare Carbonelli, Amodio, Gallotti, Earducci, G. A. Romeo, Piccolellis, la Cecilia; nicht jedem derselben war es übrigens mit dieser Sendbvtenschaft Ernst. Um 7 Uhr erschien die von der Kammer beschlossene Aufforderung als Maueranschlag an den Straßen¬ ecken. Man hielt sie indessen für gefälscht, und da sich das Gerücht verbreitete, die Truppen seien inzwischen zum zweiten oder dritten Male ausgerückt, so wurden die erbauten Barricaden nur noch mehr befestigt. Einer der Volks¬ führer, Pietro Mileti, verlangte, so hieß es, Entfernung der königlichen Truppen auf 30 Meilen von Neapel, Räumung der Castelle, und so blieben Gabriel Pepes Bemühungen, die Gefahr zu beseitigen, ohne Erfolg. Von der National¬ garde sah man bis jetzt nur wenige auf den Barricaden. Calcchreser und Studenten waren in der Mehrzahl. Lazzaroni hatten, mit dem Jnstinct des Lasttragens, geholfen und angefaßt, so lange der Barricadenban und das Grenzboten. IV. 1866. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/297>, abgerufen am 23.07.2024.