Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

winden und deckte ihn wieder auf die Wiege, so lange er nöthig war. Zu¬
weilen auch war der Wind so groß, daß es in die Wiege 'stäubte, und der
König die Augen kaum aufthun konnte. Zuweilen auch war eS so heiß, daß
er überall schwitzte, daß Tropfen auf ihm lagen, davon bekam er nachher viel
Hitzblattern. -- Und als wo an die Herberge kamen und eS fast Nacht war
und jeder gegessen hatte, da legten sich die Herren alle um das Haus, worin
das Königsgeschlecht zur Herberge war, machten ein Feuer an und hüteten
die Nacht, wie es Gewohnheit ist in dem Königreich Ungarn. Am andern
Tage zogen wir dahin nach Weißenburg*.

Als wir in die Nahe von Weißenburg kamen, ritt Miklosch Weida von
der freien Stadt uns entgegen, wol mit fünfhundert Pferden. Und als wir
in den Sumpf kamen, da fing der junge König wieder an zu weinen, und
wollte in der Wiege und im Wagen nicht bleiben und ich mußte Seine Gnaden
auf dem Arm tragen bis in die Stadt Weißenburg. Da sprangen die Herren
vo" den Pferden ab und machten einen weiten Kreis von geharnischten Mannen
und hielten bloße Schwerter in den Händen, und mitten in dem Kreis da
mußte ich, Helena Kottannerin, den jungen König tragen und Graf Bartho-
loma von Kroatien ging mir an der einen Seite und ein anderer an der
andern Seite, und geleiteten mich dem edlen König zu Ehren, so gingen wir
durch die Stadt bis zu der Herberge. Und das war am Pfingstabend.

Da sandte meine gnädige Frau zu den ältesten Bürgern -- und ließ sie
die heilige Krone sehn, und befahl zur Krönung zuzurichten, wie sichs gebührt
und seil Altem Herkommen ist. Und es waren etliche Bürger da, die sich
daran erinnerten, daß man Kaiser Sigismund auch gekrönt hatte, und die
dabei gewesen waren. Am Pfingsttag .Morgen stand ich früh auf und badete
den jungen König und richtete ihn zu, so gut ich konnte. Da trug man ihn
in die Kirche, wo man einen jeden König krönt, und es waren viel gute
Leute da, Geistliche und Weltliche. Als wir in die Kirche kamen, trug man
den jungen König zu dem Chor, die Thür aber am Chor war zugeschlossen,
und die Bürger waren innerhalb, und meine gnädige Frau war außerhalb
der Thür mit ihrem Sohn, dem edlen König. Meine gnädige Frau redete
ungarisch mit ihnen und die Bürger desgleichen antworteten ungarisch Ihrer
Gnaden wieder heraus, so daß Ihre Gnaden schwur anstatt ihres Sohnes des
edlen Königs, denn gerade an demselben Tage waren Seine Gnaden 12 Wochen
alt. Als das nach ihren alten Gewohnheiten vollbracht war, thaten sie die
Thür auf, und ließen ihren natürlichen Herrn und ihre Herrin hinein, und
auch die andern, die dazu befehligt waren, Geistliche und Weltliche. Und die
junge Königin, Jungfrau Elisabeth stand oben bei der Orgel, damit man
Ihre Gnaden in dem Gedränge nicht verletzen möchte, denn sie war erst in
dem vierten Jahre. Als man nun das Amt anfangen wollte, mußte ich den


winden und deckte ihn wieder auf die Wiege, so lange er nöthig war. Zu¬
weilen auch war der Wind so groß, daß es in die Wiege 'stäubte, und der
König die Augen kaum aufthun konnte. Zuweilen auch war eS so heiß, daß
er überall schwitzte, daß Tropfen auf ihm lagen, davon bekam er nachher viel
Hitzblattern. — Und als wo an die Herberge kamen und eS fast Nacht war
und jeder gegessen hatte, da legten sich die Herren alle um das Haus, worin
das Königsgeschlecht zur Herberge war, machten ein Feuer an und hüteten
die Nacht, wie es Gewohnheit ist in dem Königreich Ungarn. Am andern
Tage zogen wir dahin nach Weißenburg*.

Als wir in die Nahe von Weißenburg kamen, ritt Miklosch Weida von
der freien Stadt uns entgegen, wol mit fünfhundert Pferden. Und als wir
in den Sumpf kamen, da fing der junge König wieder an zu weinen, und
wollte in der Wiege und im Wagen nicht bleiben und ich mußte Seine Gnaden
auf dem Arm tragen bis in die Stadt Weißenburg. Da sprangen die Herren
vo« den Pferden ab und machten einen weiten Kreis von geharnischten Mannen
und hielten bloße Schwerter in den Händen, und mitten in dem Kreis da
mußte ich, Helena Kottannerin, den jungen König tragen und Graf Bartho-
loma von Kroatien ging mir an der einen Seite und ein anderer an der
andern Seite, und geleiteten mich dem edlen König zu Ehren, so gingen wir
durch die Stadt bis zu der Herberge. Und das war am Pfingstabend.

Da sandte meine gnädige Frau zu den ältesten Bürgern — und ließ sie
die heilige Krone sehn, und befahl zur Krönung zuzurichten, wie sichs gebührt
und seil Altem Herkommen ist. Und es waren etliche Bürger da, die sich
daran erinnerten, daß man Kaiser Sigismund auch gekrönt hatte, und die
dabei gewesen waren. Am Pfingsttag .Morgen stand ich früh auf und badete
den jungen König und richtete ihn zu, so gut ich konnte. Da trug man ihn
in die Kirche, wo man einen jeden König krönt, und es waren viel gute
Leute da, Geistliche und Weltliche. Als wir in die Kirche kamen, trug man
den jungen König zu dem Chor, die Thür aber am Chor war zugeschlossen,
und die Bürger waren innerhalb, und meine gnädige Frau war außerhalb
der Thür mit ihrem Sohn, dem edlen König. Meine gnädige Frau redete
ungarisch mit ihnen und die Bürger desgleichen antworteten ungarisch Ihrer
Gnaden wieder heraus, so daß Ihre Gnaden schwur anstatt ihres Sohnes des
edlen Königs, denn gerade an demselben Tage waren Seine Gnaden 12 Wochen
alt. Als das nach ihren alten Gewohnheiten vollbracht war, thaten sie die
Thür auf, und ließen ihren natürlichen Herrn und ihre Herrin hinein, und
auch die andern, die dazu befehligt waren, Geistliche und Weltliche. Und die
junge Königin, Jungfrau Elisabeth stand oben bei der Orgel, damit man
Ihre Gnaden in dem Gedränge nicht verletzen möchte, denn sie war erst in
dem vierten Jahre. Als man nun das Amt anfangen wollte, mußte ich den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102624"/>
            <p xml:id="ID_60" prev="#ID_59"> winden und deckte ihn wieder auf die Wiege, so lange er nöthig war. Zu¬<lb/>
weilen auch war der Wind so groß, daß es in die Wiege 'stäubte, und der<lb/>
König die Augen kaum aufthun konnte. Zuweilen auch war eS so heiß, daß<lb/>
er überall schwitzte, daß Tropfen auf ihm lagen, davon bekam er nachher viel<lb/>
Hitzblattern. &#x2014; Und als wo an die Herberge kamen und eS fast Nacht war<lb/>
und jeder gegessen hatte, da legten sich die Herren alle um das Haus, worin<lb/>
das Königsgeschlecht zur Herberge war, machten ein Feuer an und hüteten<lb/>
die Nacht, wie es Gewohnheit ist in dem Königreich Ungarn. Am andern<lb/>
Tage zogen wir dahin nach Weißenburg*.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_61"> Als wir in die Nahe von Weißenburg kamen, ritt Miklosch Weida von<lb/>
der freien Stadt uns entgegen, wol mit fünfhundert Pferden. Und als wir<lb/>
in den Sumpf kamen, da fing der junge König wieder an zu weinen, und<lb/>
wollte in der Wiege und im Wagen nicht bleiben und ich mußte Seine Gnaden<lb/>
auf dem Arm tragen bis in die Stadt Weißenburg. Da sprangen die Herren<lb/>
vo« den Pferden ab und machten einen weiten Kreis von geharnischten Mannen<lb/>
und hielten bloße Schwerter in den Händen, und mitten in dem Kreis da<lb/>
mußte ich, Helena Kottannerin, den jungen König tragen und Graf Bartho-<lb/>
loma von Kroatien ging mir an der einen Seite und ein anderer an der<lb/>
andern Seite, und geleiteten mich dem edlen König zu Ehren, so gingen wir<lb/>
durch die Stadt bis zu der Herberge.  Und das war am Pfingstabend.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_62" next="#ID_63"> Da sandte meine gnädige Frau zu den ältesten Bürgern &#x2014; und ließ sie<lb/>
die heilige Krone sehn, und befahl zur Krönung zuzurichten, wie sichs gebührt<lb/>
und seil Altem Herkommen ist. Und es waren etliche Bürger da, die sich<lb/>
daran erinnerten, daß man Kaiser Sigismund auch gekrönt hatte, und die<lb/>
dabei gewesen waren. Am Pfingsttag .Morgen stand ich früh auf und badete<lb/>
den jungen König und richtete ihn zu, so gut ich konnte. Da trug man ihn<lb/>
in die Kirche, wo man einen jeden König krönt, und es waren viel gute<lb/>
Leute da, Geistliche und Weltliche. Als wir in die Kirche kamen, trug man<lb/>
den jungen König zu dem Chor, die Thür aber am Chor war zugeschlossen,<lb/>
und die Bürger waren innerhalb, und meine gnädige Frau war außerhalb<lb/>
der Thür mit ihrem Sohn, dem edlen König. Meine gnädige Frau redete<lb/>
ungarisch mit ihnen und die Bürger desgleichen antworteten ungarisch Ihrer<lb/>
Gnaden wieder heraus, so daß Ihre Gnaden schwur anstatt ihres Sohnes des<lb/>
edlen Königs, denn gerade an demselben Tage waren Seine Gnaden 12 Wochen<lb/>
alt. Als das nach ihren alten Gewohnheiten vollbracht war, thaten sie die<lb/>
Thür auf, und ließen ihren natürlichen Herrn und ihre Herrin hinein, und<lb/>
auch die andern, die dazu befehligt waren, Geistliche und Weltliche. Und die<lb/>
junge Königin, Jungfrau Elisabeth stand oben bei der Orgel, damit man<lb/>
Ihre Gnaden in dem Gedränge nicht verletzen möchte, denn sie war erst in<lb/>
dem vierten Jahre.  Als man nun das Amt anfangen wollte, mußte ich den</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0029] winden und deckte ihn wieder auf die Wiege, so lange er nöthig war. Zu¬ weilen auch war der Wind so groß, daß es in die Wiege 'stäubte, und der König die Augen kaum aufthun konnte. Zuweilen auch war eS so heiß, daß er überall schwitzte, daß Tropfen auf ihm lagen, davon bekam er nachher viel Hitzblattern. — Und als wo an die Herberge kamen und eS fast Nacht war und jeder gegessen hatte, da legten sich die Herren alle um das Haus, worin das Königsgeschlecht zur Herberge war, machten ein Feuer an und hüteten die Nacht, wie es Gewohnheit ist in dem Königreich Ungarn. Am andern Tage zogen wir dahin nach Weißenburg*. Als wir in die Nahe von Weißenburg kamen, ritt Miklosch Weida von der freien Stadt uns entgegen, wol mit fünfhundert Pferden. Und als wir in den Sumpf kamen, da fing der junge König wieder an zu weinen, und wollte in der Wiege und im Wagen nicht bleiben und ich mußte Seine Gnaden auf dem Arm tragen bis in die Stadt Weißenburg. Da sprangen die Herren vo« den Pferden ab und machten einen weiten Kreis von geharnischten Mannen und hielten bloße Schwerter in den Händen, und mitten in dem Kreis da mußte ich, Helena Kottannerin, den jungen König tragen und Graf Bartho- loma von Kroatien ging mir an der einen Seite und ein anderer an der andern Seite, und geleiteten mich dem edlen König zu Ehren, so gingen wir durch die Stadt bis zu der Herberge. Und das war am Pfingstabend. Da sandte meine gnädige Frau zu den ältesten Bürgern — und ließ sie die heilige Krone sehn, und befahl zur Krönung zuzurichten, wie sichs gebührt und seil Altem Herkommen ist. Und es waren etliche Bürger da, die sich daran erinnerten, daß man Kaiser Sigismund auch gekrönt hatte, und die dabei gewesen waren. Am Pfingsttag .Morgen stand ich früh auf und badete den jungen König und richtete ihn zu, so gut ich konnte. Da trug man ihn in die Kirche, wo man einen jeden König krönt, und es waren viel gute Leute da, Geistliche und Weltliche. Als wir in die Kirche kamen, trug man den jungen König zu dem Chor, die Thür aber am Chor war zugeschlossen, und die Bürger waren innerhalb, und meine gnädige Frau war außerhalb der Thür mit ihrem Sohn, dem edlen König. Meine gnädige Frau redete ungarisch mit ihnen und die Bürger desgleichen antworteten ungarisch Ihrer Gnaden wieder heraus, so daß Ihre Gnaden schwur anstatt ihres Sohnes des edlen Königs, denn gerade an demselben Tage waren Seine Gnaden 12 Wochen alt. Als das nach ihren alten Gewohnheiten vollbracht war, thaten sie die Thür auf, und ließen ihren natürlichen Herrn und ihre Herrin hinein, und auch die andern, die dazu befehligt waren, Geistliche und Weltliche. Und die junge Königin, Jungfrau Elisabeth stand oben bei der Orgel, damit man Ihre Gnaden in dem Gedränge nicht verletzen möchte, denn sie war erst in dem vierten Jahre. Als man nun das Amt anfangen wollte, mußte ich den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/29
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/29>, abgerufen am 23.07.2024.