Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wird; wie es vom Strande aus durch das Castell del ovo, durch das
Castell nuovo, welches den königlichen Palast schützt und durch unterirdische
Gänge mit Se. Elmo in Verbindung steht, durch das Castell del Carmine endlich,
(infolge des Aufstandes von Masaniello erbaut und unmittelbar auf der Grenze
des bevölkertsten Stadttheiles gelegen), wie eS von allen diesen stark befestigten
Punkten im Zaume gehalten wird und überdies noch durch seine offne Breite
den Kugeln der Flotte durchaus wehrlos gegenüberliegt; so wird man be¬
greifen, daß viel dazu gehört, eine Regierung zu erschüttern, welche über alle
diese Angriffs- und Züchtigungsmittel verfügt.

Freilich reichen alle diese Mittel nie aus, wenn sich eine Menschenmasse
von 400,000 erhebt. Aber daß an ein Zusammenwirken derselben nicht zu denken
sei, diese Ueberzeugung hatte die Negierung bis dahin sicher gemacht.

Die Wünsche der Reformer fanden inzwischen einen immer allgemeiner"
Ausdruck, und während Sicilien, durch fremde Waffenlieferungen und mindere
Zahl der königlichen Truppen begünstigt, Wochen und Monate lang schon
dem neapolitanischen Volke zeigte, welche Sprache sich die Negierung im Noth¬
fall bieten lasse, benutzten die Neapolitaner Unzufriedenen jeden Anlaß zu
augenfälligen Demonstrationen.

Eine solche wurde das Begräbnis; des .Erintendanten Nodino, eines
Liberalen von -1799, zwei Mal wegen politischer Vergehen zum Tode ver¬
urtheilt und nun in seinem Bette, aber alö halb Verarmter, gestorbey. Sein
Verwandter, Mariano d'Upola, vereinigte eine unabsehbare Menge von Edel¬
leuten, Gelehrten und Studenten, um dem Verstorbenen die letzten Ehren
zu erweisen. Dieser, durch Neugierige zu einer förmlichen Massenbewegung
angewachsene Zug, gegen dessen Bedeutung die ärmliche kirchliche Betheiligung
bei dem Begräbnisse Rvdinos, als eines Verarmten, auffallend abstach, konnte
der Regierung einen Ueberblick der Unzufriedenen und ihrer schon bedrohlichen
Macht gewähren. Auf Fragen nach Namen und Titel des so Geehrten gaben
die Leidtragenden zur Antwort: wegen Freisinnigkeit zweimal zum Tode ver¬
urtheilt.

Proclamationen aller Art kamen hier und da zum Vorschein, ohne etwas
zu fördern. Der Anfang einer derselben ist bezeichnend durch die Eingangs¬
worte: l (-alantuomilri vöcZ^nao ed<z tutti sollnauio oder: d i e Cd el l ente,
dem Leiden aller ihre Augen nicht verschließend, :c.

Eine sehr schüchterne Adresse wurde endlich im Hause der Gebrüder Poerio
unterzeichnet. Der von -1799 noch als Liberaler beliebte Ergeneral Niguatelli-
Strongoli warder erste auf diesem Papiere; Namen aus allen Ständen folgten.
Von einer Constitution war darin keine Rede. Die Adresse wurde von einer
Deputation dem Könige überreicht.

Am 22. Januar Vormittags veranstaltete die Bewegungspartei, zur Ve-


wird; wie es vom Strande aus durch das Castell del ovo, durch das
Castell nuovo, welches den königlichen Palast schützt und durch unterirdische
Gänge mit Se. Elmo in Verbindung steht, durch das Castell del Carmine endlich,
(infolge des Aufstandes von Masaniello erbaut und unmittelbar auf der Grenze
des bevölkertsten Stadttheiles gelegen), wie eS von allen diesen stark befestigten
Punkten im Zaume gehalten wird und überdies noch durch seine offne Breite
den Kugeln der Flotte durchaus wehrlos gegenüberliegt; so wird man be¬
greifen, daß viel dazu gehört, eine Regierung zu erschüttern, welche über alle
diese Angriffs- und Züchtigungsmittel verfügt.

Freilich reichen alle diese Mittel nie aus, wenn sich eine Menschenmasse
von 400,000 erhebt. Aber daß an ein Zusammenwirken derselben nicht zu denken
sei, diese Ueberzeugung hatte die Negierung bis dahin sicher gemacht.

Die Wünsche der Reformer fanden inzwischen einen immer allgemeiner»
Ausdruck, und während Sicilien, durch fremde Waffenlieferungen und mindere
Zahl der königlichen Truppen begünstigt, Wochen und Monate lang schon
dem neapolitanischen Volke zeigte, welche Sprache sich die Negierung im Noth¬
fall bieten lasse, benutzten die Neapolitaner Unzufriedenen jeden Anlaß zu
augenfälligen Demonstrationen.

Eine solche wurde das Begräbnis; des .Erintendanten Nodino, eines
Liberalen von -1799, zwei Mal wegen politischer Vergehen zum Tode ver¬
urtheilt und nun in seinem Bette, aber alö halb Verarmter, gestorbey. Sein
Verwandter, Mariano d'Upola, vereinigte eine unabsehbare Menge von Edel¬
leuten, Gelehrten und Studenten, um dem Verstorbenen die letzten Ehren
zu erweisen. Dieser, durch Neugierige zu einer förmlichen Massenbewegung
angewachsene Zug, gegen dessen Bedeutung die ärmliche kirchliche Betheiligung
bei dem Begräbnisse Rvdinos, als eines Verarmten, auffallend abstach, konnte
der Regierung einen Ueberblick der Unzufriedenen und ihrer schon bedrohlichen
Macht gewähren. Auf Fragen nach Namen und Titel des so Geehrten gaben
die Leidtragenden zur Antwort: wegen Freisinnigkeit zweimal zum Tode ver¬
urtheilt.

Proclamationen aller Art kamen hier und da zum Vorschein, ohne etwas
zu fördern. Der Anfang einer derselben ist bezeichnend durch die Eingangs¬
worte: l (-alantuomilri vöcZ^nao ed<z tutti sollnauio oder: d i e Cd el l ente,
dem Leiden aller ihre Augen nicht verschließend, :c.

Eine sehr schüchterne Adresse wurde endlich im Hause der Gebrüder Poerio
unterzeichnet. Der von -1799 noch als Liberaler beliebte Ergeneral Niguatelli-
Strongoli warder erste auf diesem Papiere; Namen aus allen Ständen folgten.
Von einer Constitution war darin keine Rede. Die Adresse wurde von einer
Deputation dem Könige überreicht.

Am 22. Januar Vormittags veranstaltete die Bewegungspartei, zur Ve-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0286" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102881"/>
            <p xml:id="ID_953" prev="#ID_952"> wird; wie es vom Strande aus durch das Castell del ovo, durch das<lb/>
Castell nuovo, welches den königlichen Palast schützt und durch unterirdische<lb/>
Gänge mit Se. Elmo in Verbindung steht, durch das Castell del Carmine endlich,<lb/>
(infolge des Aufstandes von Masaniello erbaut und unmittelbar auf der Grenze<lb/>
des bevölkertsten Stadttheiles gelegen), wie eS von allen diesen stark befestigten<lb/>
Punkten im Zaume gehalten wird und überdies noch durch seine offne Breite<lb/>
den Kugeln der Flotte durchaus wehrlos gegenüberliegt; so wird man be¬<lb/>
greifen, daß viel dazu gehört, eine Regierung zu erschüttern, welche über alle<lb/>
diese Angriffs- und Züchtigungsmittel verfügt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_954"> Freilich reichen alle diese Mittel nie aus, wenn sich eine Menschenmasse<lb/>
von 400,000 erhebt. Aber daß an ein Zusammenwirken derselben nicht zu denken<lb/>
sei, diese Ueberzeugung hatte die Negierung bis dahin sicher gemacht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_955"> Die Wünsche der Reformer fanden inzwischen einen immer allgemeiner»<lb/>
Ausdruck, und während Sicilien, durch fremde Waffenlieferungen und mindere<lb/>
Zahl der königlichen Truppen begünstigt, Wochen und Monate lang schon<lb/>
dem neapolitanischen Volke zeigte, welche Sprache sich die Negierung im Noth¬<lb/>
fall bieten lasse, benutzten die Neapolitaner Unzufriedenen jeden Anlaß zu<lb/>
augenfälligen Demonstrationen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_956"> Eine solche wurde das Begräbnis; des .Erintendanten Nodino, eines<lb/>
Liberalen von -1799, zwei Mal wegen politischer Vergehen zum Tode ver¬<lb/>
urtheilt und nun in seinem Bette, aber alö halb Verarmter, gestorbey. Sein<lb/>
Verwandter, Mariano d'Upola, vereinigte eine unabsehbare Menge von Edel¬<lb/>
leuten, Gelehrten und Studenten, um dem Verstorbenen die letzten Ehren<lb/>
zu erweisen. Dieser, durch Neugierige zu einer förmlichen Massenbewegung<lb/>
angewachsene Zug, gegen dessen Bedeutung die ärmliche kirchliche Betheiligung<lb/>
bei dem Begräbnisse Rvdinos, als eines Verarmten, auffallend abstach, konnte<lb/>
der Regierung einen Ueberblick der Unzufriedenen und ihrer schon bedrohlichen<lb/>
Macht gewähren. Auf Fragen nach Namen und Titel des so Geehrten gaben<lb/>
die Leidtragenden zur Antwort: wegen Freisinnigkeit zweimal zum Tode ver¬<lb/>
urtheilt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_957"> Proclamationen aller Art kamen hier und da zum Vorschein, ohne etwas<lb/>
zu fördern. Der Anfang einer derselben ist bezeichnend durch die Eingangs¬<lb/>
worte: l (-alantuomilri vöcZ^nao ed&lt;z tutti sollnauio oder: d i e Cd el l ente,<lb/>
dem Leiden aller ihre Augen nicht verschließend, :c.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_958"> Eine sehr schüchterne Adresse wurde endlich im Hause der Gebrüder Poerio<lb/>
unterzeichnet. Der von -1799 noch als Liberaler beliebte Ergeneral Niguatelli-<lb/>
Strongoli warder erste auf diesem Papiere; Namen aus allen Ständen folgten.<lb/>
Von einer Constitution war darin keine Rede. Die Adresse wurde von einer<lb/>
Deputation dem Könige überreicht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_959" next="#ID_960"> Am 22. Januar Vormittags veranstaltete die Bewegungspartei, zur Ve-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0286] wird; wie es vom Strande aus durch das Castell del ovo, durch das Castell nuovo, welches den königlichen Palast schützt und durch unterirdische Gänge mit Se. Elmo in Verbindung steht, durch das Castell del Carmine endlich, (infolge des Aufstandes von Masaniello erbaut und unmittelbar auf der Grenze des bevölkertsten Stadttheiles gelegen), wie eS von allen diesen stark befestigten Punkten im Zaume gehalten wird und überdies noch durch seine offne Breite den Kugeln der Flotte durchaus wehrlos gegenüberliegt; so wird man be¬ greifen, daß viel dazu gehört, eine Regierung zu erschüttern, welche über alle diese Angriffs- und Züchtigungsmittel verfügt. Freilich reichen alle diese Mittel nie aus, wenn sich eine Menschenmasse von 400,000 erhebt. Aber daß an ein Zusammenwirken derselben nicht zu denken sei, diese Ueberzeugung hatte die Negierung bis dahin sicher gemacht. Die Wünsche der Reformer fanden inzwischen einen immer allgemeiner» Ausdruck, und während Sicilien, durch fremde Waffenlieferungen und mindere Zahl der königlichen Truppen begünstigt, Wochen und Monate lang schon dem neapolitanischen Volke zeigte, welche Sprache sich die Negierung im Noth¬ fall bieten lasse, benutzten die Neapolitaner Unzufriedenen jeden Anlaß zu augenfälligen Demonstrationen. Eine solche wurde das Begräbnis; des .Erintendanten Nodino, eines Liberalen von -1799, zwei Mal wegen politischer Vergehen zum Tode ver¬ urtheilt und nun in seinem Bette, aber alö halb Verarmter, gestorbey. Sein Verwandter, Mariano d'Upola, vereinigte eine unabsehbare Menge von Edel¬ leuten, Gelehrten und Studenten, um dem Verstorbenen die letzten Ehren zu erweisen. Dieser, durch Neugierige zu einer förmlichen Massenbewegung angewachsene Zug, gegen dessen Bedeutung die ärmliche kirchliche Betheiligung bei dem Begräbnisse Rvdinos, als eines Verarmten, auffallend abstach, konnte der Regierung einen Ueberblick der Unzufriedenen und ihrer schon bedrohlichen Macht gewähren. Auf Fragen nach Namen und Titel des so Geehrten gaben die Leidtragenden zur Antwort: wegen Freisinnigkeit zweimal zum Tode ver¬ urtheilt. Proclamationen aller Art kamen hier und da zum Vorschein, ohne etwas zu fördern. Der Anfang einer derselben ist bezeichnend durch die Eingangs¬ worte: l (-alantuomilri vöcZ^nao ed<z tutti sollnauio oder: d i e Cd el l ente, dem Leiden aller ihre Augen nicht verschließend, :c. Eine sehr schüchterne Adresse wurde endlich im Hause der Gebrüder Poerio unterzeichnet. Der von -1799 noch als Liberaler beliebte Ergeneral Niguatelli- Strongoli warder erste auf diesem Papiere; Namen aus allen Ständen folgten. Von einer Constitution war darin keine Rede. Die Adresse wurde von einer Deputation dem Könige überreicht. Am 22. Januar Vormittags veranstaltete die Bewegungspartei, zur Ve-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/286
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/286>, abgerufen am 23.07.2024.