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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Krone und packte sie sorgfältig in ein Tuch und legte sie in die Wiege in das
Bettstroh, da Seine Gnaden damals noch nicht auf Federn lagen, und legte
dazu einen langen Löffel, womit man den Kindern Brei einmacht, das that
ich deshalb, wenn jemand in die Wiege griff, daß er wähnen sollte, es läge
etwas da, worin man dem edlen König seinen Brei machte*. -- --

Am Dienstag Nachmittag vor dem Pfingsttage brach die edle Königin mit
dem jungen König auf und der edle Graf von City und die Grafen von
Kroatien und die Herzöge von Lindbach.--Da war ein großes Schiff,
eine Plette zugerichtet, darein stieg die edle Königin mit ihrem Sohn und
Tochter und viele gute Leute mit ihnen, so daß die Plette ganz voll
geladen, kaum eine Hand breit über dem Wasser war, so daß es ängst¬
lich und gefährlich war, dazu kam ein großer Wind, doch half uns Gott mit
Freuden über den Fluß. Den jungen König' trug man in der Wiege und
viere mußten ihn allein tragen, meistens geharnischte Männer, und ich, feine
Dienerin, ritt neben der Wiege. Und man trug ihn nicht gar weit, da be¬
gann er sehr zu weinen und wollte in der Wiege nicht bleiben. Und ich stieg
vom Pferde und trug ihn auf den Armen, und es hatte sehr geregnet, daß
es böse zu gehn war. Da war ein frommer Ritter da, Herr Hans der Pi-
lacher, der führte mich durch den Sumpfboden.

* Und wir zogen dahin mit großer Sorge, denn alle Bauern waren
aus den Dörfern geflohen in das Holz am Schildberge, und die Bauern
gehörten zum größten Theil den Herren, die uns feindlich waren. Deshalb,
als wir an den Schildberg kamen, stieg ich ab von dem Pferde und nahm
den edlen König aus der Wiege und legte ihn in den Wagen, worin die edle
Königin saß mit ihrer jungen Tochter, Jungfrau Elisabet, und wir Frauen
und Jungfrauen setzten uns im Kreise um das edle Geschlecht, wenn jemand
in den Wagen schösse, daß wir die Schüsse aufhielten. Und wir hatten viel
Fußknechte, die gingen zu beiden Seiten bei dem Wagen und suchten in den
Büschen, ob jemand von den Feinden im Holz wäre, der uns schaden könnte.
Und so kamen wir mit Gottes Gnade aus dem Schildberg, ohne daß jemand
ein Leid geschah. Da nahm ich den edlen König wieder aus dem Wagen und
ich legte ihn in die Wiege und ich ritt bei der Wiege. Und man trug ihn
nicht gar weit, da begann er laut zu weinen, und wollt" in der Wiege und
in dem Wagen nicht bleiben, und die Amme konnte ihn auch nicht beruhigen.
Da nahm ich ihn auf den Arm und trug ihn ein gutes Stück Weg, und die
Amme ging mit, bis wir müde waren, da legte ich ihn wieder in die Wiege;
und der Wechsel währte, so lange wir über das Land zogen. Zuweilen reg¬
nete es, daß der edle König ganz begossen wurde, -- ich hatte einen Pelzrock
mit mir gebracht zu meinem Bedarf, und wenn der Regen zu groß war, deckte
ich den Pelzrock auf die Wiege, bis er durchnäßt war, dann ließ ich ihn aus-


Krone und packte sie sorgfältig in ein Tuch und legte sie in die Wiege in das
Bettstroh, da Seine Gnaden damals noch nicht auf Federn lagen, und legte
dazu einen langen Löffel, womit man den Kindern Brei einmacht, das that
ich deshalb, wenn jemand in die Wiege griff, daß er wähnen sollte, es läge
etwas da, worin man dem edlen König seinen Brei machte*. — —

Am Dienstag Nachmittag vor dem Pfingsttage brach die edle Königin mit
dem jungen König auf und der edle Graf von City und die Grafen von
Kroatien und die Herzöge von Lindbach.--Da war ein großes Schiff,
eine Plette zugerichtet, darein stieg die edle Königin mit ihrem Sohn und
Tochter und viele gute Leute mit ihnen, so daß die Plette ganz voll
geladen, kaum eine Hand breit über dem Wasser war, so daß es ängst¬
lich und gefährlich war, dazu kam ein großer Wind, doch half uns Gott mit
Freuden über den Fluß. Den jungen König' trug man in der Wiege und
viere mußten ihn allein tragen, meistens geharnischte Männer, und ich, feine
Dienerin, ritt neben der Wiege. Und man trug ihn nicht gar weit, da be¬
gann er sehr zu weinen und wollte in der Wiege nicht bleiben. Und ich stieg
vom Pferde und trug ihn auf den Armen, und es hatte sehr geregnet, daß
es böse zu gehn war. Da war ein frommer Ritter da, Herr Hans der Pi-
lacher, der führte mich durch den Sumpfboden.

* Und wir zogen dahin mit großer Sorge, denn alle Bauern waren
aus den Dörfern geflohen in das Holz am Schildberge, und die Bauern
gehörten zum größten Theil den Herren, die uns feindlich waren. Deshalb,
als wir an den Schildberg kamen, stieg ich ab von dem Pferde und nahm
den edlen König aus der Wiege und legte ihn in den Wagen, worin die edle
Königin saß mit ihrer jungen Tochter, Jungfrau Elisabet, und wir Frauen
und Jungfrauen setzten uns im Kreise um das edle Geschlecht, wenn jemand
in den Wagen schösse, daß wir die Schüsse aufhielten. Und wir hatten viel
Fußknechte, die gingen zu beiden Seiten bei dem Wagen und suchten in den
Büschen, ob jemand von den Feinden im Holz wäre, der uns schaden könnte.
Und so kamen wir mit Gottes Gnade aus dem Schildberg, ohne daß jemand
ein Leid geschah. Da nahm ich den edlen König wieder aus dem Wagen und
ich legte ihn in die Wiege und ich ritt bei der Wiege. Und man trug ihn
nicht gar weit, da begann er laut zu weinen, und wollt« in der Wiege und
in dem Wagen nicht bleiben, und die Amme konnte ihn auch nicht beruhigen.
Da nahm ich ihn auf den Arm und trug ihn ein gutes Stück Weg, und die
Amme ging mit, bis wir müde waren, da legte ich ihn wieder in die Wiege;
und der Wechsel währte, so lange wir über das Land zogen. Zuweilen reg¬
nete es, daß der edle König ganz begossen wurde, — ich hatte einen Pelzrock
mit mir gebracht zu meinem Bedarf, und wenn der Regen zu groß war, deckte
ich den Pelzrock auf die Wiege, bis er durchnäßt war, dann ließ ich ihn aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/28>, abgerufen am 23.07.2024.