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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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land, nach Toulon, nach Marseille, wohin nur Dampfbote die Anker lichteten.
Die nicht entwischten, kamen 'hinter Schloß und Riegel, besonders viele junge
Cavaliere, Studenten in. Mittlerweile hatte die Gährung in Sicilien eine
bedenkliche Höhe erreicht. Die Zugeständnisse der Krone: Abschaffung der
Fiscalmahlsteuer für Sicilien, Herabsetzung der Salzpreise für Neapel befrie¬
digten nur halb.

En°de August kam Domenico Romeo aus San Stefano von seiner in Doua-
niersverkleidung unternommenen revolutionären Rundreise zurück und am
2. September überfiel er mit nahe an tausend Anhängern, worunter seine ganze
Verwandtschaft, Reggio, die Hauptstadt des südlichen Calabriens. Man rief
Viva Ferdinande II. cose it ne i on ql e! Biva Pio Nouv! abbasso
it mal governo. Der Kanonicus Paolo Pellicani trat an die Spitze
der provisorischen Negierung von Reggio. Zugleich erhob sich Messina.

Am Z. September Abends sandte die Regierung 2 Bataillone Jäger,
eine Compagnie Pioniere und eine Anzahl Artilleristen mit Ge'schützen nach
Reggio ab. Die Stadt wurde bombardirt; dann landeten die Truppen in
Penti-mele, von wo aus sie die Stadt einnahmen, während die Insurgenten
sich nach Terra ti Ferraina zurückzogen. Ihre Verbindung mit der benach¬
barten Provinz ward indessen bald durch General Nunziamente unterbrochen.
Der Commandant von Reggio setzte Preise auf ihre Köpfe aus, und von
Lebensmitteln entblößt, fielen sie am 14. September den Soldaten in die
Hände. Domenico Romeo war durch einen Hufschlag seines Pferdes schon
kurz vorher verwundet worden. Er wollte sich nicht lebend gefangen geben
und erhielt nach 'heftiger Gegenwehr einen Schuß in die Brust, der ihn todt
hinstreckte. Sein Neffe Pietro Romeo siel einen Augenblick später. Domenicos
Kopf wurde aufgespießt. Die Anhänger theilten sein Schicksal oder zertrennten
sich. Mehre wurden fusilirt, viele andere begnadigte der König zu den Ga¬
leeren. Der Jüngling Mazzone, der sich aus die seinem Vater vom General
gegebene Zusicherung milder Behandlung gestellt hatte, wurde erschossen. Gleiches
Loos traf vier seiner Gefährten. Daß die Minister die Erschossenen hinterdrein
begnadigten, legte man als Hohn aus und es trug dazu bei, die Erbitterung
zu steigern. Calabrien war solcher Art beruhigt. Auch Messina und Palermo
waren zur Ordnung zurückgekehrt, nachdem in letzterer Stadt die Verschwornen
oder der Verschwörung verdächtigen neapolitanischen Offiziere Giacomo Longo
und Orsini beseitigt worden waren.

Die gewöhnliche Truppenmusterung am Tage des Piedigrottafestes hatte
mittlerweile in Neapel stattgefunden. 27,000 Mann waren in ihren bunten
Uniformen an der Chiaja ausgestellt gewesen, und der Anblick von neun
Linienschiffen, die sich der kleinen französischen Flottille, im Angesicht der Villa
Reale, gegenüber gelegt hatten, ihre Flaggen und Wimpeln mußten das


land, nach Toulon, nach Marseille, wohin nur Dampfbote die Anker lichteten.
Die nicht entwischten, kamen 'hinter Schloß und Riegel, besonders viele junge
Cavaliere, Studenten in. Mittlerweile hatte die Gährung in Sicilien eine
bedenkliche Höhe erreicht. Die Zugeständnisse der Krone: Abschaffung der
Fiscalmahlsteuer für Sicilien, Herabsetzung der Salzpreise für Neapel befrie¬
digten nur halb.

En°de August kam Domenico Romeo aus San Stefano von seiner in Doua-
niersverkleidung unternommenen revolutionären Rundreise zurück und am
2. September überfiel er mit nahe an tausend Anhängern, worunter seine ganze
Verwandtschaft, Reggio, die Hauptstadt des südlichen Calabriens. Man rief
Viva Ferdinande II. cose it ne i on ql e! Biva Pio Nouv! abbasso
it mal governo. Der Kanonicus Paolo Pellicani trat an die Spitze
der provisorischen Negierung von Reggio. Zugleich erhob sich Messina.

Am Z. September Abends sandte die Regierung 2 Bataillone Jäger,
eine Compagnie Pioniere und eine Anzahl Artilleristen mit Ge'schützen nach
Reggio ab. Die Stadt wurde bombardirt; dann landeten die Truppen in
Penti-mele, von wo aus sie die Stadt einnahmen, während die Insurgenten
sich nach Terra ti Ferraina zurückzogen. Ihre Verbindung mit der benach¬
barten Provinz ward indessen bald durch General Nunziamente unterbrochen.
Der Commandant von Reggio setzte Preise auf ihre Köpfe aus, und von
Lebensmitteln entblößt, fielen sie am 14. September den Soldaten in die
Hände. Domenico Romeo war durch einen Hufschlag seines Pferdes schon
kurz vorher verwundet worden. Er wollte sich nicht lebend gefangen geben
und erhielt nach 'heftiger Gegenwehr einen Schuß in die Brust, der ihn todt
hinstreckte. Sein Neffe Pietro Romeo siel einen Augenblick später. Domenicos
Kopf wurde aufgespießt. Die Anhänger theilten sein Schicksal oder zertrennten
sich. Mehre wurden fusilirt, viele andere begnadigte der König zu den Ga¬
leeren. Der Jüngling Mazzone, der sich aus die seinem Vater vom General
gegebene Zusicherung milder Behandlung gestellt hatte, wurde erschossen. Gleiches
Loos traf vier seiner Gefährten. Daß die Minister die Erschossenen hinterdrein
begnadigten, legte man als Hohn aus und es trug dazu bei, die Erbitterung
zu steigern. Calabrien war solcher Art beruhigt. Auch Messina und Palermo
waren zur Ordnung zurückgekehrt, nachdem in letzterer Stadt die Verschwornen
oder der Verschwörung verdächtigen neapolitanischen Offiziere Giacomo Longo
und Orsini beseitigt worden waren.

Die gewöhnliche Truppenmusterung am Tage des Piedigrottafestes hatte
mittlerweile in Neapel stattgefunden. 27,000 Mann waren in ihren bunten
Uniformen an der Chiaja ausgestellt gewesen, und der Anblick von neun
Linienschiffen, die sich der kleinen französischen Flottille, im Angesicht der Villa
Reale, gegenüber gelegt hatten, ihre Flaggen und Wimpeln mußten das


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[0279] land, nach Toulon, nach Marseille, wohin nur Dampfbote die Anker lichteten. Die nicht entwischten, kamen 'hinter Schloß und Riegel, besonders viele junge Cavaliere, Studenten in. Mittlerweile hatte die Gährung in Sicilien eine bedenkliche Höhe erreicht. Die Zugeständnisse der Krone: Abschaffung der Fiscalmahlsteuer für Sicilien, Herabsetzung der Salzpreise für Neapel befrie¬ digten nur halb. En°de August kam Domenico Romeo aus San Stefano von seiner in Doua- niersverkleidung unternommenen revolutionären Rundreise zurück und am 2. September überfiel er mit nahe an tausend Anhängern, worunter seine ganze Verwandtschaft, Reggio, die Hauptstadt des südlichen Calabriens. Man rief Viva Ferdinande II. cose it ne i on ql e! Biva Pio Nouv! abbasso it mal governo. Der Kanonicus Paolo Pellicani trat an die Spitze der provisorischen Negierung von Reggio. Zugleich erhob sich Messina. Am Z. September Abends sandte die Regierung 2 Bataillone Jäger, eine Compagnie Pioniere und eine Anzahl Artilleristen mit Ge'schützen nach Reggio ab. Die Stadt wurde bombardirt; dann landeten die Truppen in Penti-mele, von wo aus sie die Stadt einnahmen, während die Insurgenten sich nach Terra ti Ferraina zurückzogen. Ihre Verbindung mit der benach¬ barten Provinz ward indessen bald durch General Nunziamente unterbrochen. Der Commandant von Reggio setzte Preise auf ihre Köpfe aus, und von Lebensmitteln entblößt, fielen sie am 14. September den Soldaten in die Hände. Domenico Romeo war durch einen Hufschlag seines Pferdes schon kurz vorher verwundet worden. Er wollte sich nicht lebend gefangen geben und erhielt nach 'heftiger Gegenwehr einen Schuß in die Brust, der ihn todt hinstreckte. Sein Neffe Pietro Romeo siel einen Augenblick später. Domenicos Kopf wurde aufgespießt. Die Anhänger theilten sein Schicksal oder zertrennten sich. Mehre wurden fusilirt, viele andere begnadigte der König zu den Ga¬ leeren. Der Jüngling Mazzone, der sich aus die seinem Vater vom General gegebene Zusicherung milder Behandlung gestellt hatte, wurde erschossen. Gleiches Loos traf vier seiner Gefährten. Daß die Minister die Erschossenen hinterdrein begnadigten, legte man als Hohn aus und es trug dazu bei, die Erbitterung zu steigern. Calabrien war solcher Art beruhigt. Auch Messina und Palermo waren zur Ordnung zurückgekehrt, nachdem in letzterer Stadt die Verschwornen oder der Verschwörung verdächtigen neapolitanischen Offiziere Giacomo Longo und Orsini beseitigt worden waren. Die gewöhnliche Truppenmusterung am Tage des Piedigrottafestes hatte mittlerweile in Neapel stattgefunden. 27,000 Mann waren in ihren bunten Uniformen an der Chiaja ausgestellt gewesen, und der Anblick von neun Linienschiffen, die sich der kleinen französischen Flottille, im Angesicht der Villa Reale, gegenüber gelegt hatten, ihre Flaggen und Wimpeln mußten das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/279>, abgerufen am 23.07.2024.