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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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daß man auch bei uns die Verdienste des wahren Gelehrten ebensogut zu
schätzen weiß, als des Soldaten und des Finanziers." --

Das Büchlein enthält eine Reihe ähnlicher interessanter Züge, für welche
die Freunde und Verehrer Bürgers auch da, wo sie nichr grade die Hauptsachen
berühren, dem Herausgeber, der sie zum Theil selbst aufgespürt hat, Dank
wissen werden. --


Die Entwicklung der deutschen Poesie von Klopstocks erstem Auftre¬
ten bis zu Goethes Tode. Von Johann Wilhelm Locbell.
Erster Band. Braunschweig, Schwetschke und Sohn. --

Auch dieses Buch ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die der hochver¬
diente Versasser im Winter vor einer Versammlung von Herren und
Damen zu Bonn gehalten hat. Der eigentliche Tert (drei Vorlesungen, welche
die Einleitung nebst der Darstellung Klopstocks und seiner ersten Schule ent-
halten) ist in seiner bequemen Breite in der That mehr für Zuhörer als für
Leser berechnet; doch macht es Freude, daß im Wesentlichen die Auffassung
vou dem Gange und der Gruppirung unserer großen literarischen Erscheinungen
bei allen denkenden Schriftstellern jetzt die nämliche ist. Die Abweichungen
sind so geringfügig, daß sie kaum erwähnt zu werden verdienen. Einen be¬
sondern Werth haben aber die Ercurse, die als selbstständige Abhandlungen
zu betrachten sind und von denen wir vorzugsweise die richtige Würdigung
Gottscheds, die Geschichte der osstanischen Dichtungen und die Bemerkungen
über Friedrich den Großen im Verhältniß zur deutschen Literatur hervorheben.
Diese Ercurse werden auch die Fortsetzung des Buchs tragen, das als Leit¬
faden betrachtet für die Mehrzahl der Leser wol etwas zu ausführlich sein
dürfte. -- Noch eine persönliche Bemerkung möchte ich hinzufügen. Bei Be¬
sprechung eines ändern literaturhistvnschen Werks habe ich gewünscht, die
neuern Geschichtschreiber möchten sich nicht immer veranlaßt sehen, bei jeder
möglichen Gelegenheit auf die Urtheile ihrer sämmtlichen College" zu referiren,
gleichviel ob sie dieselben bestätigen oder polemisch dagegen auftreten. Es sind
in den letzten Jahren wenigstens einige zwanzig bis dreißig Schriften erschie¬
nen, die ziemlich alle denselben Gegenstand behandeln. Wenn nun jede der¬
selben alles das aufzähle" wollte, was, die übrigen sagen, so würde des un¬
nützen Geredes kein Ende sein. Damit habe ich aber keineswegs gemeint, baß
die Literaturgeschichte die mit den poetischen Productionen gleichzeitigen
kritischen Arbeiten unbeachtet lassen sollte, denn es wirb in vieler Beziehung
wichtig sein, zu erfahren, welche Empfänglichkeit und welches Verständniß im
Publicum den Schöpfungen entgegenkam. Freilich wird man auch hier eine
strenge Auswahl treffen müssen, denn wenn z. B. ein künftiger Geschichtschrei¬
ber sämmtliche Recensionen lesen wollte, die im Jahre -I8S6 über ein neu er-


daß man auch bei uns die Verdienste des wahren Gelehrten ebensogut zu
schätzen weiß, als des Soldaten und des Finanziers." —

Das Büchlein enthält eine Reihe ähnlicher interessanter Züge, für welche
die Freunde und Verehrer Bürgers auch da, wo sie nichr grade die Hauptsachen
berühren, dem Herausgeber, der sie zum Theil selbst aufgespürt hat, Dank
wissen werden. —


Die Entwicklung der deutschen Poesie von Klopstocks erstem Auftre¬
ten bis zu Goethes Tode. Von Johann Wilhelm Locbell.
Erster Band. Braunschweig, Schwetschke und Sohn. —

Auch dieses Buch ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die der hochver¬
diente Versasser im Winter vor einer Versammlung von Herren und
Damen zu Bonn gehalten hat. Der eigentliche Tert (drei Vorlesungen, welche
die Einleitung nebst der Darstellung Klopstocks und seiner ersten Schule ent-
halten) ist in seiner bequemen Breite in der That mehr für Zuhörer als für
Leser berechnet; doch macht es Freude, daß im Wesentlichen die Auffassung
vou dem Gange und der Gruppirung unserer großen literarischen Erscheinungen
bei allen denkenden Schriftstellern jetzt die nämliche ist. Die Abweichungen
sind so geringfügig, daß sie kaum erwähnt zu werden verdienen. Einen be¬
sondern Werth haben aber die Ercurse, die als selbstständige Abhandlungen
zu betrachten sind und von denen wir vorzugsweise die richtige Würdigung
Gottscheds, die Geschichte der osstanischen Dichtungen und die Bemerkungen
über Friedrich den Großen im Verhältniß zur deutschen Literatur hervorheben.
Diese Ercurse werden auch die Fortsetzung des Buchs tragen, das als Leit¬
faden betrachtet für die Mehrzahl der Leser wol etwas zu ausführlich sein
dürfte. — Noch eine persönliche Bemerkung möchte ich hinzufügen. Bei Be¬
sprechung eines ändern literaturhistvnschen Werks habe ich gewünscht, die
neuern Geschichtschreiber möchten sich nicht immer veranlaßt sehen, bei jeder
möglichen Gelegenheit auf die Urtheile ihrer sämmtlichen College« zu referiren,
gleichviel ob sie dieselben bestätigen oder polemisch dagegen auftreten. Es sind
in den letzten Jahren wenigstens einige zwanzig bis dreißig Schriften erschie¬
nen, die ziemlich alle denselben Gegenstand behandeln. Wenn nun jede der¬
selben alles das aufzähle» wollte, was, die übrigen sagen, so würde des un¬
nützen Geredes kein Ende sein. Damit habe ich aber keineswegs gemeint, baß
die Literaturgeschichte die mit den poetischen Productionen gleichzeitigen
kritischen Arbeiten unbeachtet lassen sollte, denn es wirb in vieler Beziehung
wichtig sein, zu erfahren, welche Empfänglichkeit und welches Verständniß im
Publicum den Schöpfungen entgegenkam. Freilich wird man auch hier eine
strenge Auswahl treffen müssen, denn wenn z. B. ein künftiger Geschichtschrei¬
ber sämmtliche Recensionen lesen wollte, die im Jahre -I8S6 über ein neu er-


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[0256] daß man auch bei uns die Verdienste des wahren Gelehrten ebensogut zu schätzen weiß, als des Soldaten und des Finanziers." — Das Büchlein enthält eine Reihe ähnlicher interessanter Züge, für welche die Freunde und Verehrer Bürgers auch da, wo sie nichr grade die Hauptsachen berühren, dem Herausgeber, der sie zum Theil selbst aufgespürt hat, Dank wissen werden. — Die Entwicklung der deutschen Poesie von Klopstocks erstem Auftre¬ ten bis zu Goethes Tode. Von Johann Wilhelm Locbell. Erster Band. Braunschweig, Schwetschke und Sohn. — Auch dieses Buch ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die der hochver¬ diente Versasser im Winter vor einer Versammlung von Herren und Damen zu Bonn gehalten hat. Der eigentliche Tert (drei Vorlesungen, welche die Einleitung nebst der Darstellung Klopstocks und seiner ersten Schule ent- halten) ist in seiner bequemen Breite in der That mehr für Zuhörer als für Leser berechnet; doch macht es Freude, daß im Wesentlichen die Auffassung vou dem Gange und der Gruppirung unserer großen literarischen Erscheinungen bei allen denkenden Schriftstellern jetzt die nämliche ist. Die Abweichungen sind so geringfügig, daß sie kaum erwähnt zu werden verdienen. Einen be¬ sondern Werth haben aber die Ercurse, die als selbstständige Abhandlungen zu betrachten sind und von denen wir vorzugsweise die richtige Würdigung Gottscheds, die Geschichte der osstanischen Dichtungen und die Bemerkungen über Friedrich den Großen im Verhältniß zur deutschen Literatur hervorheben. Diese Ercurse werden auch die Fortsetzung des Buchs tragen, das als Leit¬ faden betrachtet für die Mehrzahl der Leser wol etwas zu ausführlich sein dürfte. — Noch eine persönliche Bemerkung möchte ich hinzufügen. Bei Be¬ sprechung eines ändern literaturhistvnschen Werks habe ich gewünscht, die neuern Geschichtschreiber möchten sich nicht immer veranlaßt sehen, bei jeder möglichen Gelegenheit auf die Urtheile ihrer sämmtlichen College« zu referiren, gleichviel ob sie dieselben bestätigen oder polemisch dagegen auftreten. Es sind in den letzten Jahren wenigstens einige zwanzig bis dreißig Schriften erschie¬ nen, die ziemlich alle denselben Gegenstand behandeln. Wenn nun jede der¬ selben alles das aufzähle» wollte, was, die übrigen sagen, so würde des un¬ nützen Geredes kein Ende sein. Damit habe ich aber keineswegs gemeint, baß die Literaturgeschichte die mit den poetischen Productionen gleichzeitigen kritischen Arbeiten unbeachtet lassen sollte, denn es wirb in vieler Beziehung wichtig sein, zu erfahren, welche Empfänglichkeit und welches Verständniß im Publicum den Schöpfungen entgegenkam. Freilich wird man auch hier eine strenge Auswahl treffen müssen, denn wenn z. B. ein künftiger Geschichtschrei¬ ber sämmtliche Recensionen lesen wollte, die im Jahre -I8S6 über ein neu er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/256>, abgerufen am 23.07.2024.