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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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der Küste Calabriens die Kunde nach Neapel drang, das junge Italien habe
eine Landung bewerkstelligt. Allem Anscheine nach wußte die Regierung mehr
von dieser Sache, als sie sich das Amschel! gab. Seit langem schon hatte
man durch die Zeitungen Gerüchte zu verbreiten gesucht, welche bestimmt waren,
die damals in Corfu weilenden Anhänger des jungen Italiens ins Netz zu
locken. Es hieß in jenen Berichten: die Mißstimmung in Calabrien sei all¬
gemein, es fehle nur an Führern. Zugleich traf es sich, daß ein gewisser
Bandit it Nivaro, der nach Corfu geflüchtet war, sich als WegkUndiger in den
calabrischen Bergen empfahl; ein Corse Bvcchechampi schloß sich auf gleich
zufällige Weise an. Die Mazzinisten in Corfu sandten nun in Gesellschaft
dieser zwei Dienstwilligen die Gebrüder Attilio und Emilio Bandiera, Domenico
Moro und Nicola Nicciotti. Der letztere war Römer, Moro war Venetianer,
ebenso die Bandiera. Sie hatten ihre Anstellung im venezianischen Marinedienst
aufgegeben, um sich mit jugendlichem Opfermuthe dein hoffnungslosen Unter¬
nehmen zu weiheli. Ihr Großvater war! bekanntlich venetianischer Admiral;
der jüngere von ihnen zählte erst 23 Jahre. Als die zwei Schiffe, welche sie
zum Theil auf eigne Kohle" bemannt und bewaffnet hatten, die" Küste erreichten,
verschwand BocchechäMpi; Die Commune Se. Giovanni in Fiori, von Neapel
aus vor Corsaren und Weiberräübern gewarnt, hatte nichts Eiligeres zu thun,
.als ihre zweideutigen Befreier zü überfallen und mit Hilfe der auf Posto lie¬
genden Gendarmen fest zu itehltien. Miller ti Forli wurde erschlagen, die
andern verurtheilte tuam zur Galeere, neun aber zum Tode. Nicciotti, Moro
und beide Bandieraä wurden hingerichtet. Bocchechampi und Nivaro erhielten
Belohnungen. Der Cockmune wurden einige Abgaben erlassen. So endete
diese Unternehmung, welche im Jahre 18ii Italien von einem Ende mal
andern traurig durchzuckte und welcher Giobcrti in seinen Prolegomeni ein
poetisches Denkmal aufzurichten bemüht wär.

Nachdem die Ruhe aller Orten wieder hergestellt war, schien dem König
eine Rundreise, die schon seit langem beabsichtigt war, nicht mehr bedenklich.
Es fehlte auf dieser Reise weder an Witwen, noch Waisen, noch an Müttern
und Schwestern, die den seltenen Anblick des Monarchen benutzten, um ihre
.gefangenen Angehörigen seiner Gnade zu empfehlen, und die Kerker des Se.
Elmo öffneten sich nicht minder, wie diejenigen von Se. Maria Apparente,
um eine Anzahl der in neapolitanischer Kerkerhaft schmachtenden dem Genttß
von Licht und Lust wieder zu geben. Bei dieser Gelegenheit gelang dem
Minister der Polizei einer jener unglaublichen Friedensschlüsse, von denen
man nur noch in den Staaten der italischen Halbinsel einen Begriff hat, und
auf den er nicht minder stolz war, als es etwa die amerikanischen Vermittler
der Unabhängigkeitserklärung nach vollbrachtem Werke sein mochten. Zwölf


der Küste Calabriens die Kunde nach Neapel drang, das junge Italien habe
eine Landung bewerkstelligt. Allem Anscheine nach wußte die Regierung mehr
von dieser Sache, als sie sich das Amschel! gab. Seit langem schon hatte
man durch die Zeitungen Gerüchte zu verbreiten gesucht, welche bestimmt waren,
die damals in Corfu weilenden Anhänger des jungen Italiens ins Netz zu
locken. Es hieß in jenen Berichten: die Mißstimmung in Calabrien sei all¬
gemein, es fehle nur an Führern. Zugleich traf es sich, daß ein gewisser
Bandit it Nivaro, der nach Corfu geflüchtet war, sich als WegkUndiger in den
calabrischen Bergen empfahl; ein Corse Bvcchechampi schloß sich auf gleich
zufällige Weise an. Die Mazzinisten in Corfu sandten nun in Gesellschaft
dieser zwei Dienstwilligen die Gebrüder Attilio und Emilio Bandiera, Domenico
Moro und Nicola Nicciotti. Der letztere war Römer, Moro war Venetianer,
ebenso die Bandiera. Sie hatten ihre Anstellung im venezianischen Marinedienst
aufgegeben, um sich mit jugendlichem Opfermuthe dein hoffnungslosen Unter¬
nehmen zu weiheli. Ihr Großvater war! bekanntlich venetianischer Admiral;
der jüngere von ihnen zählte erst 23 Jahre. Als die zwei Schiffe, welche sie
zum Theil auf eigne Kohle» bemannt und bewaffnet hatten, die" Küste erreichten,
verschwand BocchechäMpi; Die Commune Se. Giovanni in Fiori, von Neapel
aus vor Corsaren und Weiberräübern gewarnt, hatte nichts Eiligeres zu thun,
.als ihre zweideutigen Befreier zü überfallen und mit Hilfe der auf Posto lie¬
genden Gendarmen fest zu itehltien. Miller ti Forli wurde erschlagen, die
andern verurtheilte tuam zur Galeere, neun aber zum Tode. Nicciotti, Moro
und beide Bandieraä wurden hingerichtet. Bocchechampi und Nivaro erhielten
Belohnungen. Der Cockmune wurden einige Abgaben erlassen. So endete
diese Unternehmung, welche im Jahre 18ii Italien von einem Ende mal
andern traurig durchzuckte und welcher Giobcrti in seinen Prolegomeni ein
poetisches Denkmal aufzurichten bemüht wär.

Nachdem die Ruhe aller Orten wieder hergestellt war, schien dem König
eine Rundreise, die schon seit langem beabsichtigt war, nicht mehr bedenklich.
Es fehlte auf dieser Reise weder an Witwen, noch Waisen, noch an Müttern
und Schwestern, die den seltenen Anblick des Monarchen benutzten, um ihre
.gefangenen Angehörigen seiner Gnade zu empfehlen, und die Kerker des Se.
Elmo öffneten sich nicht minder, wie diejenigen von Se. Maria Apparente,
um eine Anzahl der in neapolitanischer Kerkerhaft schmachtenden dem Genttß
von Licht und Lust wieder zu geben. Bei dieser Gelegenheit gelang dem
Minister der Polizei einer jener unglaublichen Friedensschlüsse, von denen
man nur noch in den Staaten der italischen Halbinsel einen Begriff hat, und
auf den er nicht minder stolz war, als es etwa die amerikanischen Vermittler
der Unabhängigkeitserklärung nach vollbrachtem Werke sein mochten. Zwölf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/244>, abgerufen am 23.07.2024.